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Vereint im Wunsch, Wladimir Putin verlieren zu sehen: Die Präsidenten Polens, der Ukraine und Litauens, Andrzej Duda (links), Wolodymyr Selenskyj und Gitanas Nauseda, in Kiew vor wenigen Tagen.

© Efrem Lukatsky/AP/dpa

Bis zu 70 Flugzeuge sind im Gespräch: Das zähe Ringen um die sowjetischen Kampfjets für die Ukraine

Polen hofft auf eine Niederlage Putins in der Ukraine, möchte aber nicht selbst ins Visier geraten. Darum zögert die Regierung bei Waffenhilfe. Eine Analyse.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki reagierte ungehalten. Sein Sprecher Piotr Muller griff den Ex-Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, frontal an. Der falle auf „ungeprüfte Gerüchte“ herein, wenn er verbreite, dass Polen der Ukraine 28 Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 zur Verfügung stelle. „Polnische Flugzeuge kämpfen nicht in der Ukraine.“

Der Vorfall zeigt: Die Nervosität ist groß. Die Debatten um die polnischen MiGs für die Ukraine illustrieren, wie eng Hoffnungen und Ängste verknüpft sind. Polen hat größtes Interesse, den ukrainischen Widerstand gegen den russischen Angriff zu stärken und Wladimir Putin militärische Niederlagen zuzufügen.

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Doch die Regierung in Warschau möchte nicht selbst in Putins Visier geraten und ihm keine allzu offensichtlichen Vorwände liefern, dass er Polen zu einem am Krieg beteiligten Land erklärt.

Am liebsten wäre es Morawiecki, wenn andere Länder, die weiter entfernt liegen, der Ukraine Kriegsgerät liefern. Oder, wenn es schon Polen sein muss, dass dies ohne öffentliches Aufsehen geschieht.

Mit einer schlagkräftigen Luftwaffe könnte die Ukraine Putins Vormarsch verlangsamen oder gar stoppen. Sie könnte verhindern, dass die Russen die Lufthoheit haben, könnte Panzerkolonnen stark dezimieren und den Nachschub für Putins Truppen unterbrechen.

Nur drei Länder können Kiew Kampfjets liefern

Doch die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge wäre keine Hilfe. Die ukrainischen Piloten können sie nicht fliegen. Sie wurden auf sowjetischem Gerät ausgebildet. Deshalb ist der Kreis der Staaten, die der Ukraine mit Militärjets aushelfen können, auf die Länder begrenzt, die selbst noch sowjetisches Gerät in Gebrauch haben.

Polen stellt seit Jahren von russischen auf US-Kampfjets um: Zwei MiG-29 fliegen über und unter zwei F-16-Kampfflugzeugen während einer Flugschau in Radom.

© Alik Keplicz/AP/dpa

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe betreffen die Verhandlungen neben Polen die Slowakei und Bulgarien. Warschau soll 28 MiG-29 an die Ukraine abgeben, die Slowakei 12 MiG-29, Bulgarien 16 MiG-29 plus 14 Jagdflugzeuge des Typs Su-25.

[Lesen Sie auch: Die Suche nach Wegen aus der Gewalt. Wie der Krieg beendet werden könnte (T+)]

Im Gegenzug würden die USA diesen Ländern US-Flugzeuge liefern, damit sie nicht selbst ohne einsatzfähige Luftwaffe dastehen, falls sich der Krieg ausweitet. Sie sind seit Jahren Nato-Mitglieder und stellen ihr Gerät sukzessive auf westliche und vor allem amerikanische Erzeugnisse um. Anders als die Ukraine haben sie Piloten, die im Gebrauch westlicher Jets geschult sind.

Selenskyj wirbt im US-Kongress für ein Dreiecksgeschäft

In einer Videokonferenz mit Mitgliedern des US-Kongresses hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag für das Dreiecksgeschäft geworben. Wenn die Nato schon nicht seine Bitte erfülle, eine Flugverbotszone für russische Jets über der Ukraine auszurufen und durchzusetzen, brauche die Ukraine mehr Kampfflugzeuge, damit sie ihren Luftraum besser verteidigen kann.

[Alle aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Das Weiße Haus ist zu dem Dreiecksgeschäft bereit. Aber Polen zögert. „Polen gibt seine Kampfflugzeuge nicht an die Ukraine ab“, twitterte Regierungschef Morawiecki am Sonntagmorgen. „Wir helfen der Ukraine auf vielen anderen Wegen“.

Er lässt es im Unklaren, ob er ein striktes Nein meint oder es ihm um die Bedingungen für das Dreiecksgeschäft geht. Das Weiße Haus sagt hingegen, man sei in guten Gesprächen mit Polen.

Warschau möchte keine Lücke in der eigenen Verteidigungsbereitschaft

Zwei wichtige Faktoren sind die zeitlichen Abläufe und eine Verstärkung der US-Truppen an der Ostflanke der Nato, falls Putin nun auch Polen mit Krieg droht. Seit 2006 stellt Warschau die Luftwaffe auf amerikanische F-16 um. 2020 hat es 32 F-35 für 4,6 Milliarden Dollar bestellt. Die ersten Exemplare sollen 2024 geliefert werden.

Wenn Polen schon jetzt seine MiGs abgebe, entstehe eine „Lücke“ bei der Zahl der Kampfflugzeuge; die müsse gefüllt werden. Das ist eine Argumentationslinie.

Diese Einwände lassen sich vermutlich überwinden. Die Weitergabe der MiGs sei „kein großer militärischer Verlust“, hört man in Polen.

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Wegen der angespannten Lage haben die USA und Großbritannien zahlreiche Kampfjets samt Bewaffnung nach Polen verlegt. Wenn die USA Polen nun vorzeitig weitere F-16 liefert oder die Ausbildung polnischer Piloten auf F-35 früher als vereinbart intensiviert, wäre „die Lücke“ geschlossen.

Größer ist wohl die Sorge in Polen, sich zu exponieren und in Putins Fadenkreuz zu geraten.

Um dieser Furcht der Polen - aber auch anderer Nato-Mitglieder an der Ostflanke - vor einer Konfrontation mit Russland zu begegnen, haben die USA 12.000 Soldaten zusätzlich dorthin verlegt. Ein Großteil davon ging nach Polen. Dort waren zuvor bereits 4000 US-Soldaten stationiert.

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