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Das Zahlenwerk kommt in den Bundestag: Warum der neue Haushalt noch längst nicht fertig ist
Nach dem Abschluss des Etatentwurf für 2025 ist nun das Parlament an der Reihe. Aber was passiert dort eigentlich – geht der Streit nun einfach weiter?
Stand:
Nun hat es endgültig begonnen, das große Gewusel um den Bundeshaushalt für 2025. Die Koalitionsspitzen haben letzte Hand angelegt und sich am vergangenen Freitag darauf geeinigt, wie sie die Restlücke von 17 Milliarden Euro schließen. Der gegenüber dem Kabinettsbeschluss vom 17. Juli noch veränderte Regierungsentwurf ist jetzt dem Bundestag zugeleitet. Und auch dem Bundesrat, der den Entwurf ausführlich kommentieren darf und am 27. September seine Stellungnahme abgeben wird.
Das große Etatpalaver geht somit in seine zweite Runde. Die Exekutive hat geliefert, nun ist die Legislative an der Reihe. Dass schon am Sonntag aus den Reihen der Verteidigungspolitiker im Bundestag eine erste Großoffensive wegen der militärischen Ukraine-Hilfen gestartet worden ist, hat klargemacht, dass diese Runde im Bundestag nicht weniger turbulent verlaufen dürfte als die erste im Kabinett.
Die gut 1400 Seiten des Etatentwurfs (die Kabinettssache mit der Datenblattnummer 20/018162) samt den gut 250 Seiten Nachklapp (Datenblattnummer 20/08165), in denen sich auch der Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) befindet sowie Begleitmaßnahmen wie das Jahressteuergesetz oder das Haushaltsbegleitgesetz, liegen dem Parlament nun vor.
Parallel geht es in den nächsten Wochen auch um den Nachtragsetat für 2024. Die Regierung hat nämlich ein Loch im KTF, weil die Subventionierung der erneuerbaren Energien teurer ausfällt als gedacht. Gut zehn Milliarden Euro fehlen, aber weil die Konjunktur schlechter ist als gedacht, darf Finanzminister Christian Lindner das Geld am Kreditmarkt besorgen, ohne dass die Schuldenbremse eingreift.
Und warum Gewusel? Weil nun alle – wirklich alle – Abgeordneten sich in das große Zahlenwerk vertiefen werden. Das hat natürlich schon im Juli angefangen, als das Kabinett die erste Vorlage beschloss. Aber mit dem nachgelieferten zweiten Aufschlag ist das Paket jetzt erst komplett.
In der Breite nehmen sich den Etatentwurf nur die Generalisten vor – die führenden Köpfe in den Fraktionen und vor allem die Mitglieder im Haushaltsausschuss. Deren große Zeit beginnt nun. Sie haben die Federführung, sind die Herrinnen und Herren des Verfahrens.
Fachpolitisch – und ich-politisch
Der deutlich größere Rest der Abgeordneten geht einerseits fachpolitisch an die Sache heran, andererseits aber auch ich-politisch. Denn jedes Mitglied des Bundestags trägt haushaltspolitisch drei Seelen in der Brust. Zum einen als Mitglied eines Fachausschusses, ob nun Verteidigung, Inneres, Äußeres, Soziales, Umwelt oder Wohnungsbau. Zum anderen als Vertreter eines Wahlkreises, einer Region, eines Bundeslandes. Und zum Dritten als Mitglied einer Partei und deren Fraktion.
Was bedeutet, dass die Gemengelage der Interessen schon allein in jedem Abgeordneten recht kompliziert werden kann. In den Gesprächen im Parlament versuchen nun also alle 733 Abgeordneten, diesen dreifachen Anspruch umzusetzen. Es geht darum, den Etat des „eigenen“ Ressorts zu verändern – und eventuell auch einen geldwerten Vorteil herauszuholen, der daheim an der Basis (Wähler wie Parteifreunde) als individueller Erfolg verkauft werden kann.
Da im kommenden Jahr der Bundestag neu gewählt wird, ist das noch wichtiger als in den vergangenen Haushaltskämpfen dieser Wahlperiode. Da bilden sich dann vielfältige Allianzen und Grüppchen. Auch die Opposition macht mit, manchmal gelingt ja ein kleiner Coup. Aber deutlich im Vorteil sind die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, in denen das Gewusel dann auch deutlich heftiger ist.
Manche gehen in den Untergrund
Manche agieren laut und gehen an die Öffentlichkeit, andere suchen den Erfolg eher im parlamentarischen Untergrund und hinter verschlossenen Türen. Letzteres verspricht mehr Erfolge, Ersteres ist oft schon das Eingeständnis, ein Anliegen nicht ganz oder gar nicht durchzubringen. Dann hat man aber zumindest wahrnehmbar gekämpft.
Im Hintergrund ist das Heer der Lobbyisten unterwegs, das nun versucht, Eigeninteressen in den Etat zu lotsen, die bei den Ministerien nicht unterzubringen waren. Aber auch da gilt, dass die großen Kämpfe zuvor verloren oder gewonnen wurden, also in der Phase der Etataufstellung in der Exekutive. Was man einem zugewandten Beamten oder auch Minister nicht abringen konnte, ist auf dem Weg über die Parlamentarier kaum noch zu leisten.

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Und worum geht es? Nicht um große Summen oder die zentralen Etatpositionen. Das Gefüge des Haushalts ist mit dem Regierungsentwurf weitgehend festgelegt. Zwischen den Einzeletats der Ministerien wird jetzt nicht mehr viel hin- und hergeschoben. Aber innerhalb der Ressorts (oder bei Nebenetats wie dem Klima- und Transformationsfonds) wird schon noch einiges verändert. Nicht zuletzt bei den vielen Förderprogrammen können Gewichte verschoben werden.
Im Haushaltsausschuss muss das alles zusammengebunden werden. Weshalb die Haushälter in den kommenden Wochen begehrte Gesprächspartner sind. Sie haben nun viel Macht – die sich im Dezember allerdings schnell wieder verflüchtigt, wenn das Spektakel vorbei ist. Und es ist keine Allmacht. Denn der Haushaltsausschuss ist nicht die parlamentarische Ersatzregierung, sondern eine Art Sammelstelle, in der sich das Chaos ordnen soll.
Parlamentarischer Wunschzettelkasten
Praktisch geschieht das so, dass jedes Mitglied im Haushaltsausschuss als Berichterstatter oder Berichterstatterin für einen Einzeletat zuständig ist. Sie sammeln die Wünsche aus ihren Fraktionen zu diesem und jenem, sie stimmen sich mit den Ministerien ab (wenn sie Regierungsfraktionen angehören) – und am Ende geben sie dem gesamten Ausschuss ihre Empfehlungen, wie der Etat verändert werden soll und kann.
Den Vorsitz im Haushaltsausschuss führt stets ein Mitglied der größten Oppositionsfraktion. Derzeit ist das der frühere Kanzleramtsminister Helge Braun von der CDU, davor war es Peter Boehringer von der AfD. Am wichtigsten aber sind die Chefhaushälter der Regierungsfraktionen. Derzeit sind das Dennis Rohde von der SPD, Sven-Christian Kindler von den Grünen und Otto Fricke von der FDP. Der Sozialdemokrat Rohde macht das noch nicht so lange, Kindler und Fricke dagegen sind Altmeister der Etatpolitik. Am Ende sind sie es, die den Etatbeschluss im Ausschuss der Presse präsentieren dürfen.

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Davor hat es die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gegeben, in die alle Fäden münden. Sie ist für den 14. November terminiert. Gegen Mittag beginnt im Sitzungssaal 2.400 im Paul-Löbe-Haus (dort residiert der Ausschuss), was manche ein routiniertes Ritual nennen, andere den Höhepunkt jedes Haushaltsjahres. Alle Kabinettsmitglieder mit Ausnahme des Kanzlers werden in der Regel vorgeladen, um ihren Etat nochmals zu verteidigen – ein Zugeständnis vor allem an die Opposition.
Die Regierungsfraktionen bringen nun – oft im Minutentakt – die vorbereiteten Änderungsvorlagen ein, welche die anderen Fraktionen oft erst kurz zuvor zu sehen bekommen haben. Nun erst wird endgültig deutlich, wie stark der Etatentwurf der Regierung in den parlamentarischen Beratungen seit der ersten Lesung (dieses Jahr vom 10. bis 13. September) verändert worden ist.
Die Exekutive lenkt im Hintergrund
Nun erst weiß man, wie sich zum Beispiel die Personalkegel verändern wird, ein heikler Punkt, der gern ganz nach hinten geschoben wird. Jetzt erst wird klar, wohin die Etat-Reise im kommenden Jahr gehen wird. Und dann erst wissen alle Abgeordneten, was sie in ihren Wahlkreisen gegebenenfalls feiern lassen können.
Dass die Exekutive in diesem legislativen Verfahren im Hintergrund immer lenkend und steuernd dabei ist, deutet schon die Bereinigungsvorlage an. Sie kommt aus dem Bundesfinanzministerium und ist formal eine Zuarbeit an das Parlament, tatsächlich aber so etwas wie ein zweiter Regierungsentwurf.
Deren Kern ist stets die Aktualisierung der Einnahmenbasis. Die wird nach der Steuerschätzung vorgenommen, die Ende Oktober stattfinden wird. Fällt sie gut aus, kann der Bundestag etwas mehr Geld verteilen, im anderen Fall wird es hektisch, denn es muss sozusagen wegradiert werden. Natürlich hoffen die Abgeordneten, dass die Steuerschätzung gut ausfällt. Den größeren Teil der Mehreinnahmen können die Regierungsfraktionen dann nach ihren Vorstellungen verwenden. Allerdings haben die Kabinettsmitglieder auch ihre Ideen, aber sie müssen nun über den Bundestag gehen, um sie in den Etat einfließen lassen zu können.
In diesem Jahr hat das Kabinett mit einer recht üppigen Globalen Minderausgabe (GMA) in Höhe von zwölf Milliarden Euro die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben gedeckt. Sollte die Steuerschätzung tatsächlich Mehreinnahmen ergeben (was nach den aktuellen Konjunkturprognosen nicht sicher ist), dürfte zumindest Finanzminister Christian Lindner darauf dringen, damit die Finanzierungslücke zu schließen, also die GMA zu verringern.
Nach drei turbulenten Monaten beschließt der Bundestag den Etat des nächsten Jahres dann in der Regel zwei Wochen nach der Bereinigungssitzung. In diesem Jahr soll diese Haushaltswoche vom 26. bis 29. November stattfinden. Es sei denn, die Ampelkoalition geht wieder in die Verlängerung, wie schon bei der Aufstellung des Haushalts im Kabinett.
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