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„Dazu braucht es Grundgesetzänderung“: Merz spricht sich bei „Caren Miosga“ für Pflichtjahr in Wehrdienstdebatte aus
Der Kanzler geht nicht davon aus, dass es beim geplanten freiwilligen Wehrdienstmodell bleiben wird. Merz will ein Pflichtjahr für alle, doch dafür müsste das Grundgesetz geändert werden.
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Mit Blick auf die aktuelle Debatte um den Wehrdienst erwartet Friedrich Merz auf die Dauer auch eine Pflicht. „Ich bin dafür, dass wir das machen, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben, nämlich vorläufig freiwillig. Aber ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben“, sagte der CDU-Chef in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.
Es gebe derzeit etwa 350.000 junge Männer pro Jahrgang, sagte Merz. Man werde aber nicht alle davon mustern und einziehen. Es gebe ungefähr genauso viele junge Frauen pro Jahrgang, die aber nicht gemustert und eingezogen werden dürften, weil das Grundgesetz dagegen stehe.
Merz will Pflichtjahr etablieren
„Ich bin dafür, dass wir ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland etablieren, aber auch dazu braucht es eine Grundgesetzänderung“, sagte Merz.

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Die Bundeswehr benötigt etwa 80.000 zusätzliche aktive Soldaten. Denn die Nato hält für die Truppe eine Größenordnung von 260.000 für erforderlich, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten. Der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt auf Freiwilligkeit, um mehr junge Leute für die Bundeswehr zu gewinnen, und einen auch finanziell attraktiveren Dienst.
„Unser Zusammenhalt bröckelt“
Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach sich am Montag für ein gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland aus. „Unser Zusammenhalt bröckelt. Ein Teil der Lösung könnte die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres sein“, sagte Linnemann am Montag der „Rheinischen Post“. Eine Gesellschaft, in der die Bindekräfte schwinden würden, „weil sich bestimmte Milieus immer seltener begegnen, kann nicht resilient sein“, betonte Linnemann.
Mit einem Gesellschaftsjahr „bei der Bundeswehr, bei der Feuerwehr, beim THW oder im sozialen Bereich“ ließe sich laut Linnemann etwas gegen diese Entwicklung tun. „Demokratie lebt davon, dass sich Menschen treffen und miteinander austauschen.“
Die SPD zeigte sich skeptisch zu dem Vorstoß des Kanzlers. „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese der „Rheinischen Post“. „Und bei aller Präferenz setzt die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag voraus.“ Diese sei jedoch „absehbar nicht erkennbar, sodass wir uns auf das jetzt Machbare für mehr Sicherheit fokussieren sollten“.
Söder fordert Rückkehr zur Wehrpflicht
Aus der Union wird schon seit längerem kritisiert, dass in dem Gesetzentwurf nicht genau definiert wird, unter welchen Bedingungen die bisher geplante Freiwilligkeit in eine neue Pflicht umgewandelt werden könnte.
Das neue Wehrdienstgesetz sollte eigentlich am kommenden Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Am Samstag erklärten dann Sprecher beider Koalitionsfraktionen, die Bundestagsberatungen sollten in der übernächsten Woche beginnen.
Eine Wischiwaschi-Wehrpflicht hilft niemandem.
Markus Söder
Bayers Ministerpräsident Söder hatte in der „Bild am Sonntag“ eine schnelle Rückkehr zur Wehrpflicht verlangt. „An der Wehrpflicht führt kein Weg vorbei. Halbe Sachen reichen nicht mehr. Eine Wischiwaschi-Wehrpflicht hilft niemandem“, sagte der CSU-Chef.
Im ARD-„Bericht aus Berlin“ bekräftigte er die Forderung. Wenn man nicht definiere, wie viele Soldaten wann gebraucht werden, beginne man in zwei, drei oder vier Jahren von Neuem. Dann sei es angesichts der Bedrohungen durch Russland möglicherweise zu spät, meinte Söder.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte, schlägt in dieselbe Kerbe. „Es mag zwar grundsätzlich löblich sein, auf Freiwilligkeit zu setzen, allerdings gibt es erhebliche Zweifel daran, ob dies wirklich gelingen kann und auch der Lage angemessen ist“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“.
SPD pocht auf Freiwilligkeit
SPD-Generalsekretär Klüssendorf zeigte sich verärgert über die neu aufkommende Diskussion. „Wir haben uns in der Koalition gemeinsam auf einen klaren Weg verständigt: Der neue Wehrdienst wird freiwillig sein. Punkt“, sagte Klüssendorf dem Magazin „Stern“.
Er warnte: „Wer wieder und wieder Debatten aufwärmt, schwächt die Glaubwürdigkeit der Politik und verunsichert junge Menschen.“ Er fügte hinzu: „Wir werben bei jungen Menschen, sich in der Bundeswehr für unser Land zu engagieren – ohne Pflicht, aber mit Perspektiven: mit guter Ausbildung, attraktiven Chancen und hoher Anerkennung.“
Gelassener äußerte sich SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller. Verschiebungen bei Tagesordnungen seien keine Besonderheit, sagte die Verteidigungsexpertin der „Rheinischen Post“. Möller betonte: „Wir gehen davon aus, dass allen Beteiligten die Dringlichkeit einer Verabschiedung sehr bewusst ist und wir deswegen zügig zu einer ersten Lesung und dann auch zu einer Verabschiedung des Gesetzes vor Jahresende kommen.“
Merz äußert sich bei „Caren Miosga“ zu Drohnen-Flügen
Hinter den Drohnensichtungen, die zuletzt in Deutschland und Dänemark für Aufsehen gesorgt haben, vermutet der Kanzler Russland. Außer dem Flughafen München seien in den vergangenen Tagen auch Frankfurt und Kopenhagen betroffen gewesen, sagte Merz in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.
„Unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnen-Flüge steckt“, sagte er. Allerdings gebe es wohl auch Trittbrettfahrer, die privat Drohnen steigen lassen würden. Dies sei in der Nähe von Flughäfen strafbar, warnte der Kanzler. „Aber wir gehen der Sache nach und unabhängig davon, wo es herkommt. Es ist eine ernsthafte Bedrohung unserer Sicherheit.“
Er bemühte sich aber auch zu beruhigen: „Wir haben bis jetzt nicht einen einzigen Vorfall oder Vorgang mit einer bewaffneten Drohne gehabt. Es sind Ausspähversuche. Es sind auch Versuche, die Bevölkerung zu verunsichern.“ Die Regierung werde etwas dagegen tun. (dpa)
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