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Zahlreiche Kerzen und Blumen liegen zum Gedenken an die Opfer des tödlichen Messerangriffs im Park Schöntal in Aschaffenburg am Boden.

© dpa/Daniel Vogl

Debatte um Migrationspolitik: Jetzt zeigt sich, wer Volkspartei ist

Der gesellschaftliche Zusammenhalt steht auf dem Spiel. Das stimmt. Aber Verweigerung hilft nicht. SPD und Grüne sind jetzt gefordert. Aber auch die Union ist weiter am Zug.

Christian Tretbar
Ein Kommentar von Christian Tretbar

Stand:

In dieser Woche steht einiges auf dem Spiel. Für die Parteien, für das ganze Land. Es geht um nichts weniger als um den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Sind jene, die sich Volkspartei nennen, noch in der Lage, diesen Zusammenhalt zu garantieren? Zweifel sind erlaubt, wenn nicht gar angebracht.

Die hitzigen Debatten um die Migrationspolitik haben das Zeug dazu, nicht nur den Ausgang der Bundestagswahl zu entscheiden. Dagegen wäre nichts zu sagen. Es besteht aber die Gefahr, dass der Parteienstreit die Gräben in der Gesellschaft noch weiter vertieft. Alle stehen in der Verantwortung, Union und SPD zuerst. Aber auch die Grünen.

Friedrich Merz hat den Ball mit seinen Bundestagsanträgen für eine härtere Migrations- und Sicherheitspolitik ins Feld von SPD und Grünen gespielt. Lehnen sie die Vorschläge der Union weiter ab, winkt ihnen vielleicht ein kleiner Sieg.

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Sie können sich dann möglicherweise freuen, dass Merz seine Anträge entweder gar nicht durchbekommt oder nur mit den Stimmen von AfD und BSW. Doch ein solcher Sieg könnte in eine große Niederlage münden.

Denn es sind vor allem SPD-Wählerinnen und -Wähler, die von ihrer Partei erwarten, dass sie sich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt; dass sie das Sicherheitsversprechen des Staates auch durchsetzt; dass Gesetze geachtet werden. Dafür muss notfalls auch die Migrationspolitik verschärft werden. Es sind eben nicht nur Konservative oder Rechte, die sich um die Sicherheit in Deutschland sorgen.

Sicherheit in allen Lebensbereichen – das war einmal das Kernversprechen der Sozialdemokratie. Wenn es aber um Innere Sicherheit geht, haben die SPD und Olaf Scholz so gut wie nichts anzubieten. Allein die Verweise auf die Zuständigkeit der Länder, mögliche Verfassungsbedenken und eine Blockade des Bundesrates greifen zu kurz. Rote und Grüne stehen in der Verantwortung, sie stellen immer noch die Regierung, auch wenn es eine Minderheitsregierung ist.

Wenn sich alle gegenseitig blockieren, man nicht zusammenkommt und die Menschen weiter das Gefühl haben, dass nichts passiert, profitiert nur eine Partei: die AfD.

Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar

Es mag sein, dass die Grünen und ihre Stammklientel beim Thema Migration anders denken als eine doch recht große Mehrheit der Menschen in Deutschland. Wer aber wie Robert Habeck den Anspruch hat, Kanzler zu werden und die Grünen als Volkspartei zu etablieren, muss aus dieser Nische herauskommen.

Da reicht es eben nicht, Merz nur zu kritisieren. Das mag die Grünen-Seele erfreuen, reicht aber nicht, um das Vertrauen breiterer Wählerschichten zu gewinnen. Die Grünen, wollen sie wirklich nochmal relevant in den Wahlkampf eingreifen, müssen zeigen, dass es ihnen ernst ist. Lächelnde Selfies auf Demos werden dem Ernst der Lage nicht gerecht.

Und die Union? Steht natürlich auch in der Pflicht. Denn sie weiß genau, dass in einer parlamentarischen Demokratie Kompromisse erforderlich sind. Merz wird sich also an einigen Punkten bewegen müssen, wenn es ihm wirklich nur um die Sache geht. Denn natürlich hat auch die Union Initiativen in den vergangenen Monaten blockiert. Und niemandem ist geholfen, wenn Gerichte am Ende alles wieder kassieren.

Wenn sich alle gegenseitig blockieren, man nicht zusammenkommt und die Menschen weiter das Gefühl haben, dass nichts passiert, profitiert nur eine Partei: die AfD.

Die Schärfe, mit der die Debatte in diesen Wahlkampftagen geführt wird, muss einen fürchten lassen, dass die Demokratie Schaden nehmen kann. Die Sorge vor einem Klima der Vorverurteilung und Ausgrenzung von Migranten ist ja keinesfalls unberechtigt.

Auf der anderen Seite fühlen sich viele zu Unrecht in die Rechts-Außen-Ecke geschoben, wenn sie mehr Sicherheit verlangen. Genau deshalb muss jetzt konkret handeln, wer den demokratischen und gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht gefährden will. Dazu sind die Volksparteien verpflichtet. Und auch diejenigen, die gerne Volkspartei sein wollen.

Denn das ist die gute Nachricht: So sehr die AfD vom Nichtstun der demokratischen Parteien profitieren kann, so sehr geht ihr die Wahlkampfgrundlage verloren, wenn sich Union, SPD und Grüne jetzt zusammenreißen. Und schnell, entschlossen, aber auch mit Augenmaß vorgehen. Das wäre das Beste für die Demokratie.

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