zum Hauptinhalt
Was haben sich Lars Klingbeil (l.) und Friedrich Merz nach 120 Tagen Koalition noch zu sagen?

© dpa/Niklas Treppner

Exklusiv

„Dem Land Ampel-Vibes ersparen“: CDU-Sozialflügel ruft Union und SPD in Debatte um Sozialreformen zur Mäßigung auf 

Seit Wochen streiten Union und SPD um Reformen am Sozialstaat. Kurz vor dem Koalitionsausschuss warnt Dennis Radtke vor Dauerstreit. Die Vorsitzende der Mittelstandsunion macht dagegen Druck.

Stand:

In der Debatte um Sozialreformen ruft der CDU-Sozialflügel Union und SPD zur Mäßigung auf. „Die Koalitionsparteien sollten aufhören, sich gegenseitig mit Forderungen und Erwartungen zu überschütten und Bullshit-Bingo zu spielen“, sagte Dennis Radtke, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), dem Tagesspiegel.

Vor dem Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD an diesem Mittwoch, warnte der Europaabgeordnete die Koalitionäre. Es bringe nichts zu behaupten, der Sozialstaat sei ein unfinanzierbares schwarzes Loch oder so zu tun, als sei jede Reform eine Abschaffung des Sozialstaates.

„Jeder in CDU, CSU und SPD weiß doch genau: Um unseren Sozialstaat zu bewahren, müssen wir ihn modernisieren“, sagte Radtke. Er sei sicher, dass die von der Koalition eingesetzten Kommissionen „gute Vorschläge zuliefern und die Koalition dann auch entscheiden wird“.

CDA-Chef Radtke wirbt für ein besseres Koalitionsklima.

© Fabian Strauch/dpa

Radtke rief die SPD zur Mitarbeit bei Sozialreformen auf. „Wenn SPD-Politiker jede Reform des Sozialstaates ablehnen, ist das verantwortungsloses Oppositions-Gehabe“, sagte er und ergänzte: „Die SPD muss die Notwendigkeit erkennen, das Bürgergeld grundlegend zu reformieren.“

Kommunikativ sei die große Koalition „leider hinter den Koalitionsverhandlungen zurückgefallen“, sagte Radtke: „Wir waren schon mal weiter. Union und SPD sollten sich selbst und dem Land Ampel-Vibes ersparen. Wenn man redet, wie die Opposition, landet man dort schneller, als einem lieb ist.“

Das derzeitige Bürgergeld gibt vielen Beschäftigten, die jeden Morgen pünktlich zur Arbeit fahren, das Gefühl, der Dumme zu sein.

Die CDU-Politikerin Gitta Connemann fordert Reformen.

Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, erhöhte hingegen den Druck auf die Sozialdemokraten. „Ohne Sanierung der Sozialkassen werden Beiträge und damit die Kosten der Arbeit ungebremst steigen. Das bedroht Arbeitsplätze, Wachstum und damit am Ende der Sozialstaat sich selbst“, sagte die CDU-Abgeordnete dem Tagesspiegel.

Es gehe nicht nur um die Finanzierbarkeit der Systeme, sondern auch um Gerechtigkeit. „Das derzeitige Bürgergeld gibt vielen Beschäftigten, die jeden Morgen pünktlich zur Arbeit fahren, das Gefühl, der Dumme zu sein“, sagte Connemann. Leistung würde sich scheinbar nicht mehr lohnen, so der Eindruck.

Gitta Connemann gilt als Vertraute von Bundeskanzler Friedrich Merz.

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

Connemann forderte eine Rückkehr zum Prinzip des Förderns und Forderns. „Das müssen wir jetzt schnell und klar korrigieren, indem wir die dringend notwendigen Reformen mit aller Entschlossenheit angehen.“

In den vergangenen Tagen haben sich Bundeskanzler Friedrich Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas immer wieder öffentlich über mögliche Kürzungen des Sozialstaats gestritten. Der Kanzler hatte mehrfach erklärt, der Sozialstaat in jetziger Form sei nicht mehr finanzierbar. Darauf reagierte Bas mit einer „Bullshit“-Aussage.

Sie verteidigte sie zuletzt erneut, Kürzungen am Sozialstaat seien nicht notwendig. „Zu sagen, wir müssen die soziale Sicherung streichen, ist falsch“, sagte Bas dem „Stern“ und ergänzte: „Wir müssen gemeinsam für mehr Wachstum arbeiten, das ist der richtige Weg.“

Merz und Bas kommen aus Nordrhein-Westfalen, wo am 14. September Kommunalwahlen stattfinden. Es sind die ersten Wahlen nach der Bundestagswahl vom Februar und könnten so auch einen Stimmungstest für die Bundesregierung darstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })