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SPD-Chefin Andrea Nahles (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Parteiführung in der Kritik: Der Groko-Frust lässt die SPD nicht los

Die Sozialdemokraten streiten weiter über ihre Rolle in der Bundesregierung. Längst werden auch Alternativen zur eigenen Parteiführung diskutiert.

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Erst gab es viel Beifall, dann zunehmend lange Gesichter. Als "Bürgermeisterin im Gewand einer Bundesministerin" kündigte der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup am Freitag bei einer Kommunalkonferenz seiner Fraktion Familienministerin Franziska Giffey an – die war schließlich vorher Bezirksbürgermeisterin in Neukölln. Als eine von ihnen empfingen die SPD-Lokalpolitiker, die meisten davon Männer, Giffey dann auch mit kräftigem Applaus. Die betonte sogleich ihre Verbundenheit zur Basis: "Ich vergesse nicht, wo ich herkomme."

Die Ansprache der Berlinerin klang wie eine Bewerbungsrede für höhere Aufgaben, war aber auch eine Werbebotschaft für die Groko: Die Bundesregierung leiste gute Arbeit – und müsse unbedingt bis 2021 weitergeführt werden. "Ich habe nicht mein Rathaus in Neukölln verlassen, um gleich wieder aufzugeben", scherzte Giffey. Doch so fröhlich sie von ihrer Arbeit in der Bundesregierung berichtete, so wenig sprang die Begeisterung auf die Genossen im Saal über.

Überhaupt erntete die große Koalition von den angereisten SPD-Kommunalpolitikern viel Kritik. Als ein Genosse aus Nordrhein-Westfalen auf SPD-Finanzminister Olaf Scholz und dessen Festhalten an der "schwarzen Null" schimpfte, wurde er von Applaus und "Bravo"-Rufen unterbrochen. Seine Botschaft: "Wir kommen so als Kommunen nicht weiter!"

Groko-Vertreter wie Giffey oder der SPD-Fraktionsvize Sören Bartol erhielten nicht annähernd so viel akustische Zustimmung wie ihre Kritiker. Als Bartol die Arbeit der eigenen Regierung als „verdammt positiv“ lobte, blieb es still im Saal. Auch als Giffey die am Donnerstag beschlossene Abschaffung des "Kooperationsverbots" in Bildungsfragen als "ganz wesentlichen Schritt" lobte, bewegte sich keine Hand – obwohl die SPD mit der Grundgesetzänderung in der Groko gerade einen Erfolg erzielt. "Da müsste auch ein bisschen Freude aufkommen", rief Giffey den Lokalpolitikern zu. Doch nur ein paar Hände rührten sich, dann herrschte wieder Stille im Publikum.

Über mögliche Alternativen zu Nahles wird längst gesprochen

Die schlechten Umfragewerte drücken weiter auf die Stimmung in der Partei. Zwar errechnete das Allensbacher Institut für Demoskopie für die SPD am Freitag 17 Prozent und sieht sie damit bundesweit auf dem dritten Platz hinter Union und Grünen. Als schmerzhafter dürften viele Genossen empfinden, dass ihre Partei im Deutschlandtrend auf 14 Prozent kommt und wegen Zuwächsen der AfD nun auf den vierten Platz fällt.

Die Unzufriedenheit mit der eigenen Führung ist in der Partei jedenfalls ein bestimmendes Thema, was auch Parteichefin Andrea Nahles nicht entgangen sein kann. Die harte Kritik des Fürther Oberbürgermeisters Thomas Jung an der Parteichefin ("Die Bevölkerung hat kein positives Bild von ihr") im Tagesspiegel wurde auch in der Bundestagsfraktion von vielen als zutreffend bewertet.

Über mögliche Alternativen wird in der Partei längst gesprochen – manche verweisen dabei auf die früheren Parteichefs Sigmar Gabriel und Martin Schulz. "An der Basis sind Sigmar Gabriel und Martin Schulz sehr populär", sagt etwa der bayerische Abgeordnete Florian Post: "Viele verstehen überhaupt nicht, warum in dieser schwierigen Situation für die Partei beide nicht in der ersten Reihe arbeiten."

Es sei ein Fehler gewesen, diese beiden "politischen Schwergewichte abzuräumen". Auch die Familienministerin gilt manchen als Kandidatin für Führungsposten in der Partei. "Giffey hat es drauf", sagt ein erfahrener Abgeordneter: "Sie spricht die Menschen emotional an und ist gleichzeitig hoch intelligent – das ist eine Perspektive für die SPD."

Juso-Chef Kühnert: "Die Stimmung ist schlecht"

Nahles, die diese Woche eine schwere Erkältung auskurieren musste, wird am Samstag auf dem Juso-Bundeskongress in Düsseldorf erwartet. Gastgeber ist Kevin Kühnert, der als Chef des Jugendverbandes die Bewegung gegen die Neuauflage der große Koalition ("Nogroko") anführte und kaum eine Gelegenheit auslässt, das Regierungsbündnis mit der großen Koalition als unerträglich darzustellen. Mit ihrer Ankündigung einer radikalen Abkehr von Hartz IV ist die Parteichefin zwar dem linken Parteiflügel und den Jusos weit entgegengekommen. Doch die meisten Delegierten in Düsseldorf werden wohl erwarten, dass die angeschlagene Vorsitzende zur Union noch weiter auf Distanz geht.

Kein Freund der großen Koalition: Juso-Chef Kevin Kühnert, der am Samstag Andrea Nahles zu Gast hat.
Kein Freund der großen Koalition: Juso-Chef Kevin Kühnert, der am Samstag Andrea Nahles zu Gast hat.

© Gregor Fischer/dpa

Noch in einem anderen Punkt berücksichtigte Nahles Wünsche der Jusos: Auf Druck von Kühnert setzte sie sich über die Voten von SPD-Landesverbänden hinweg und bugsierte zwei junge Frauen auf vordere Plätze der Liste für die Europawahl, was bei vielen Genossen für Empörung sorgte. Die Jusos aber erwarten, dass sich Nahles am Sonnabend zur "Verjüngung" der Partei bekennt.

Zum Auftakt des Kongresses attackierte Kühnert am Freitagabend das Hartz IV-Modell scharf. Der "entscheidende Punkt" bei Hartz IV sei die Frage, "ob dieses System würdig mit Menschen umgeht", sagte Kühnert - und verneinte dies. Zum Zustand der SPD sagte der Juso-Chef: "Die Stimmung ist schlecht." Kühnert verwies dabei auf "historisch schlechte Wahlergebnisse" und "historische Tiefststände" in den Umfragen. Dass die Jusos von dieser Lage profitierten, sei allerdings "Blödsinn", betonte er: "Niemand in diesem Raum hat Interesse an einer schwachen SPD."

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