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Bei Pflegekassen übersteigen die Ausgaben die Einnahmen weiter deutlich.

© dpa/Jens Büttner

„Der Pflege steht das Wasser bis zum Hals“: Pflegekassen erwarten trotz höherer Beiträge Milliardendefizit

Die Pflegekassen rechnen 2025 mit einem Defizit von rund 500 Millionen Euro. Auch der Notfallfonds schrumpft und mehr Kassen könnten in finanzielle Schieflage geraten.

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Die finanzielle Situation in der Pflege spitzt sich weiter zu. Nach einem Milliardendefizit im vergangenen Jahr und trotz Beitragserhöhung zum Jahreswechsel rechnet der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auch für 2025 mit einem Defizit von rund einer halben Milliarde Euro.

Darüber berichtet die ARD am Freitag unter Berufung auf bisher nicht veröffentlichte Zahlen. „Der Pflege steht das Wasser bis zum Hals“, sagte die GKV-Vorstandsvorsitzende, Doris Pfeiffer: „Und der Pegel steigt.“

Nahezu alle Systeme der gesetzlichen Sozialversicherung stehen aktuell unter massivem finanziellen Druck. Nicht nur Rente und Krankenversicherung, sondern eben auch die Pflege.

Notfallreserve auf eine Milliarde geschrumpft

Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben ging bei vielen Pflegekassen schon 2024 weit auseinander. Am Jahresende stand ein Defizit von 1,54 Milliarden Euro. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte darauf mit einer Erhöhung der Beitragssätze für die Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte reagiert: Seit Januar zahlen Versicherte mit Kindern 3,6 Prozent und Kinderlose 4,2 Prozent – der Arbeitgeber zahlt davon einen Beitragsanteil von 1,8 Prozent.

Trotzdem ist die finanzielle Lage bei den Pflegekassen weiter angespannt. Immer mehr könnten künftig auf Finanzhilfen angewiesen sein. Defizitäre Kassen können Zuschüsse aus einem Ausgleichsfonds des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) beantragen. Es ist dem Arbeits- sowie Gesundheitsministerium unterstellt. Langsam läuft der Notfallfonds allerdings leer: Seine Ausstattung ist im Laufe des vergangenen Jahres von 1,8 Milliarden auf rund eine Milliarde geschrumpft.

GKV fordert Sofortmaßnahmen und Pflegereform

Mit Hilfen des BAS musste im vergangenen Jahr erstmals eine Kasse vor der Pleite gerettet werden. Welche ist anonym. Wie Tagesspiegel Background berichtete, handelt es sich nach Bestätigung von Behördenchef Frank Plate nicht um eine kleinere. Er erwartete zudem, dass noch mehr Versicherer in Zahlungsnöte gerieten.

Davon geht auch GKV-Chefin Doris Pfeiffer aus. „Wir haben noch drei Viertel des Jahres vor uns und die Finanzentwicklung in der Pflege ist besorgniserregend“, sagte sie der ARD. Zudem warnt sie davor, dass die Mittel in der Notreserve knapp werden. „Ohne zusätzliche Finanzmittel wird der Pflege-Ausgleichfonds in wenigen Monaten ausgeschöpft sein“, so Pfeiffer.

Auch das BAS geht davon aus, dass die Mittel des Ausgleichsfonds schon bis Ende April auf rund 300 Millionen Euro zusammenschrumpfen könnten. Plate fordert daher kurzfristige Maßnahmen der Politik, um einen Dominoeffekt zu verhindern. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands braucht es sowohl stabilisierende Sofortmaßnahmen als auch eine umfangreiche Pflegereform.

Der mögliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Pflegevorsorge durch eine private Pflegezusatzversicherung verpflichtend machen. In ihrem Sondierungspapier kündigten Union und SPD an, „eine große Pflegereform auf den Weg bringen“ zu wollen. In den Koalitionsverhandlungen dürfte es ein zentrales Thema sein. Die Arbeitsgruppe 6 unter der Leitung von Karl-Josef Laumann (CDU) und Katja Pähle (SPD) könnte um eine erneute Beitragserhöhung herumkommen, wenn Schwarz-Rot genug Mittel für die Kassen aus dem regulären Haushalt mobilisiert bekommt.

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