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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) hat den Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), widersprochen. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, über die Zeit nach einem Waffenstillstand zu spekulieren.

© dpa/Christophe Gateau

Deutsche Bodentruppen für die Ukraine? : Die klaren Kanzlerworte waren nötig

Erst muss es Annäherung und Verhandlung bis hin zu Waffenruhe und Waffenstillstand geben. Dann kommt die Antwort darauf, wie das Erreichte gesichert wird.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Wie weiter mit der Ukraine – darüber scheinen sich die verbliebenen Koalitionspartner in Berlin nicht (mehr) ausreichend zu verständigen. Ein Riss? Das muss nicht sein, darf es auch nicht.

Immerhin geht es gerade offenkundig darum, einen Weg zur Waffenruhe, mindestens der, zwischen Russland und der Ukraine zu finden. Ihn zu beschreiten, wird schwierig genug. Da braucht es nicht noch Streit unter Partnern.

Nach Berichten über den möglichen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen einer Friedensmission in der Ukraine hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz klar gegen Spekulationen darüber gestellt. Sein Ärger ist deutlich. Zu Recht.

Sozialdemokrat Scholz widerspricht entschlossen dem Eindruck, den Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen erweckt hat, und zwar, als spräche sie für die gesamte Bundesregierung. Das ist aber nicht so, und es dient auch nicht der Sache.

Das Beste, was sich zur Sache sagen lässt, ist, dass der Kanzler der Logik folgt. Logisch ist nicht, jetzt schon – wohlgemerkt öffentlich – darüber zu reden oder „zu spekulieren“, wie Scholz schilt, was nach einem verhandelten Waffenstillstand „und bei einer friedlichen Situation“ geschieht.

Gesellschaft ist zunehmend gespalten

Aus A folgt B: Erst Annäherung und Verhandlung bis hin zu Waffenruhe und Waffenstillstand, dann die Antwort darauf, wie das Erreichte gesichert wird. Alles andere bringt nur weitere Verunsicherung in die ohnedies in der Ukrainepolitik zunehmend gespaltene Gesellschaft. Eine Verunsicherung, die vor allem denen an den Rändern nutzt.

Eins nach dem anderen, schon auch deshalb, weil erst einmal hierzulande – in der Regierung, wie wir sehen, aber auch weit darüber hinaus – ein Konsens erzielt werden muss, wie es weitergehen soll. Oder kann. Dafür ist ein gemeinsames Verständnis der Lage und ein Einverständnis mit den Konsequenzen nötig.

Eine enorme Herausforderung ist das. Denn eine sinkende Anzahl in der Bevölkerung hält Waffenlieferungen weiter für nötig, damit die Ukraine den russischen Angriffen überhaupt weiter einigermaßen standhalten kann.

Die Nato wird bei der Friedenssicherung helfen

Dafür spricht aber auch wieder zumindest eine gewisse, nämlich die Verhandlungslogik. Wenn die russische Offensive weiterrollt, und sei es unter enormen Opfern, warum soll Kriegsherr Wladimir Putin mit sich reden lassen? Mindestens eine relative Stärke muss die Ukraine aufweisen. Was dann ist – das ergibt sich. Bis heute ist der Wunsch der Ukraine nach schneller Aufnahme in die Nato nicht in Erfüllung gegangen. Wird er auch nicht. Aber die Allianz wird nicht beiseite stehen, wenn es um Friedenssicherung gehen sollte.

Auch, vielleicht sogar gerade Deutschland nicht. Die Ukraine würde gleichsam zum vorderen Rand der Verteidigung.

Sage niemand, die Bundeswehr wäre im Fall dieses Falles nicht dazu imstande. Im Umgruppieren von Kräften hat sie es inzwischen zu einer ziemlichen Meisterschaft gebracht.

Soldaten aus der Landesverteidigung, welche aus multinationalen Verbänden – daraus lässt sich eine Truppe bauen, die gemeinsam mit anderen westlichen Partnern eine Pufferzone aufzieht, bewacht, verteidigt. Das nötige Gerät gibt es dann auch, weil die Waffenlieferungen abebben.

Die politische Arbeit ist noch längst nicht bewältigt

Solche Arbeit, Generalstabsarbeit, praktisch, vorausschauend, nötig, findet nicht auf dem offenen Markt statt. Und sie wird auch nicht von der Außenministerin vorgenommen. Das wäre ein Missverständnis.

Dem vorangehen muss vielmehr die politische Arbeit, und die ist noch längst nicht bewältigt. Im Gegenteil, sie scheint gerade neu zu beginnen.

Womöglich war es doch keine ganz so schlechte Idee von Scholz, einen neuen Gesprächskontakt zu Putin zu suchen. Es geht ja nicht um den Austausch von Freundlichkeiten, sondern um die gegenwärtige Haltung des Gegenübers.

Und gerade im Hinblick auf Verhandlungen gehört dazu, keinen Zweifel an Ge- und Entschlossenheit aufkommen zu lassen – der des Westens, der in der Koalition. Da mussten die klaren Kanzlerworte sein.

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