
© Michael Kappeler/dpa
„Deutsche Staatsräson ist leere Floskel geworden“: Jüdische Studierendenunion kritisiert Außenministerin Baerbock
Hamas-Massaker, Irans Raketen auf Israel und ein Terroranschlag in Tel Aviv – jüdische Studierende kritisieren Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und schwindende Solidarität mit Israel.
Stand:
Ein Jahr nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel und einen Tag nach Irans Raketenangriff sowie einem Terroranschlag in Tel Aviv hat die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) in einem offenen Brief an Annalena Baerbock (Grüne) abnehmende Solidarität mit Israel bemängelt. Zudem kritisiert die Gruppe das Agieren des Bundesaußenministeriums im Umgang mit Israel und dem Nahostkonflikt.
„Die Geduld der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ist am Ende“, heißt es in dem Brief. „Wir fühlen uns im Stich gelassen und wir können die Rede von der sogenannten Deutschen Staatsräson nicht mehr hören.“ Gerade die Entwicklungen im Wirkungsbereich der Außenministerin „lassen uns ernsthaft hinterfragen, für was diese Staatsräson noch stehen“ soll, schreibt die JSUD.
Wir blicken mit zunehmender Sorge und Ernüchterung auf die Entwicklungen im Auswärtigen Amt.
Jüdische Studentenunion
Die deutsche Staatsräson sei „zur leeren Floskel geworden, die bei Sonntagsreden zum Einsatz kommt“, heißt es weiter. „Doch wenn es darum geht, diese mit Leben zu füllen und im Kampf gegen den globalen antisemitischen und antiwestlichen Terror Rückgrat zu zeigen, stehen Jüdinnen und Juden in Deutschland alleine da.“
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Seit fast einem Jahr, seit dem größten Massaker an Juden seit der Shoah, kämpfe der einzige jüdische Staat um sein Überleben, heißt es im Brief. Juden weltweit lebten im Ausnahmezustand, in Sorge um ihre Liebsten in Israel und um ihre Sicherheit in Deutschland. Noch immer sind rund 100 Menschen in Gefangenschaft der Hamas.
Die Studierendenorganisation schätze zwar Baerbocks Einsatz für die Familien der von der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln. Auch Baerbocks wiederholte Besuche in Israel seien ein wichtiges Zeichen. „Jedoch blicken wir mit zunehmender Sorge und Ernüchterung auf die Entwicklungen im Auswärtigen Amt“, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben.
Die Bundespolitik stehe Terrorgruppen wie der Hamas, der Hisbollah im Libanon, den Huthi in Jemen und dem Iran „zunehmend apologetisch“ entgegen, während Israel sich und im Nahen Osten auch den Westen verteidige.
JSUD kritisiert Stimmverhalten bei den UN
Symptomatisch für die Entwicklung in Deutschland sei, dass die Bundesrepublik ein stilles Waffenembargo verhängt habe, das „von Ihrem Ministerium aufrecht gehalten wird“, heißt im Brief an Baerbock. Und: „Wie soll der Staat Israel sich in diesem ihm aufgezwungenen Mehrfronten-Krieg auf diese Weise verteidigen? Und wie ist es möglich, dass im gleichen Zeitraum Waffen im Wert von 100 Millionen Euro an Katar, einen der Unterstützer der Mörder des 7. Oktobers, verkauft werden?“
Auch Baerbocks Äußerungen zur Legitimität des israelischen Verteidigungskrieges zeige, „dass die Solidarität mit dem einzigen jüdischen Staat zunehmend abnimmt“. Als Israel Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet hat, habe Baerbock von einer Eskalation gesprochen, „statt die Operation als notwendigen Schritt der Selbstverteidigung zur Stabilisierung der Region zu bezeichnen“.
Nasrallah sei verantwortlich für das Leid der israelischen Zivilisten im Norden des Landes und habe gemeinsam mit Baschar al-Assad gemeinsam im syrischen Bürgerkrieg 500.000 Syrerinnen und Syrer umgebracht.
Ein trauriger Höhepunkt sei Baerbocks jüngstes Abendessen mit Personen, die Terror und Antisemitismus relativierten. Das Auswärtige Amt hatte das Treffen damit gerechtfertigt, dass es „dazugehöre, mit Andersdenkenden zu sprechen“.
Die Jüdische Studierendenunion kritisierte, mit sollen Treffen werde Antisemitismus-Verharmlosern und Terror-Apologeten eine Bühne geboten wird. Sie könnten keine geeigneten Gesprächspartner für das Auswärtige Amt sein. Antisemitismus sei auch keine Meinung, die man anhören müsse, sondern eine gefährliche Ideologie.
Kritisiert wird im Brief auch Deutschlands Stimmverhalten bei den Vereinten Nationen (UN). Das „mehrfache Enthalten Deutschlands bei antiisraelischen Abtimmungen“ sende ein deutliches Zeichen. Deutschland hätte bereits Konsequenzen daraus ziehen müssen, dass die UN die Immunität von UNRWA-Mitarbeitern, die in das Massaker vom 7. Oktobers aktiv verwickelt waren, nicht aufheben will.
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