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Ein Soldat hält auf dem Truppenübungsplatz im Rahmen der Informationslehrübung „Landoperationen 2016“ eine Panzerfaust 3 in der Hand (Symbolbild).

© dpa

Deutsche Waffen für die Ukraine: „Niemand liefert in ähnlich großem Umfang“ – die Scholz-Ansage im Faktencheck

Der Bundeskanzler hat Vorwürfen widersprochen, Deutschland würde die Ukraine nur unzureichend mit Waffen versorgen. Aber: Angekommen ist bisher wenig.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei einem Besuch in Litauen die deutsche Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt. Deutschland sei einer der „wichtigsten militärischen Unterstützer“ des Landes, sagte der SPD-Politiker bei dem Besuch des Nato-Partners im Baltikum am Dienstag.

Auf die Nachfrage eines Journalisten, dass der Eindruck bestehe, die Bundesrepublik agiere eher zögerlich bei den Waffenlieferungen an Kiew, antwortete Scholz: „Niemand liefert in ähnlich großem Umfang wie Deutschland das tut.“

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Stimmt das wirklich? Der Faktencheck.

Eine Auswertung des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) sieht Deutschland bei der militärischen Hilfe für die Ukraine im Krieg gegen Russland auf dem fünften Platz. Abgeschlagen auf Platz eins liegen die USA – gefolgt von Großbritannien, Polen und der Europäischen Union. Allerdings ist die Auswertung fast einen Monat alt.

Seitdem hat Deutschland weitere Hilfe zugesagt: Doch welche militärische Ausrüstung und Waffensysteme liefert Deutschland an die Ukraine und in welchem Ausmaß? Und was ist bisher wirklich angekommen?

Die Bundesregierung hält sich mit klaren Aussagen zu Liefermengen und -terminen zurück, daher ist es schwer, genaue Angaben zu machen. Erst kürzlich bezifferte das Wirtschaftsministerium die Militärhilfen für die Ukraine auf mindestens 191,9 Millionen Euro. Die Auflistung kann daher nur zur Orientierung dienen:

Tragbare Panzer- und Flugabwehrwaffen

Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges erhielten die ukrainischen Streitkräfte aus Bundeswehrbeständen 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“. Die Bundesregierung kündigte Anfang März auch die Lieferung von 2700 Flugabwehrraketen des Typs „Strela“ aus den Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR an.

Anfang Mai habe die Bundesregierung 2450 Panzerabwehrwaffen vom Typ „RGW 90 Matador“ sowie insgesamt 4600 Panzerabwehrminen der Typen „DM22“ und „DM31“ an die Ukraine geliefert, berichtet der „Spiegel“. Weitere 5100 Panzerabwehrwaffen kaufte die Ukraine direkt bei einem deutschen Waffenhersteller, heißt es in Berichten der „Welt“ und der „Bild“.

Munition und Schusswaffen

Neben tragbaren Raketen hat Deutschland der Ukraine auch Zehntausende Handgranaten, Hunderte Sprengladungen und Dutzende Maschinengewehre geliefert. Für Schusswaffen erhielt das ukrainische Militär mehr als 16 Millionen Schuss Munition. Die Lieferung von 5000 Helmen wurde erst belächelt, mittlerweile kamen mehr als 20.000 Helme an sowie weitere Schutzausrüstung.

Ein in einer Sonderfarbe lackierter Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard fährt auf einem Schießplatz eine Ehrenrunde (Symbolbild).
Ein in einer Sonderfarbe lackierter Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard fährt auf einem Schießplatz eine Ehrenrunde (Symbolbild).

© dpa

Flugabwehrpanzer vom Typ „Gepard“

Am 26. April hat die Bundesregierung der Ukraine die Lieferung von 50 Flugabwehrpanzern des Typs „Gepard“ zugesagt. Bis die ausgemusterten Flakpanzer im Kriegsgebiet eintreffen, dauert es aber noch.

Vor der Lieferung der ersten 15 Stück ab Mitte Juni müssen die Panzer noch instand gesetzt werden und ukrainische Soldat:innen im Umgang mit den „Geparden“ ausgebildet werden. Kritiker bemängeln, dass die zugesagten 59.000 Schuss Munition nicht ausreichen und das System zu kompliziert sei, berichtet die „Tagesschau“.

Eine Panzerhaubitze 2000 vom deutschen Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann fährt auf einen Tieflader (Symbolbild).
Eine Panzerhaubitze 2000 vom deutschen Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann fährt auf einen Tieflader (Symbolbild).

© dpa/Peter Endig

Artillerie vom Typ „Panzerhaubitze 2000“

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte Anfang Mai die Abgabe von sieben „Panzerhaubitzen 2000“ aus den Beständen der Bundeswehr an die ukrainischen Streitkräfte an.

Die Systeme müssen zuvor ebenfalls instand gesetzt werden. Das Training von ukrainischen Einheiten in der Bedienung der Haubitzen habe aber bereits Mitte Mai begonnen, berichtete der „Deutschlandfunk“.

Ein Raketenwerfer vom Typ „Mars II“ steht in der Alb-Kaserne (Symbolbild).
Ein Raketenwerfer vom Typ „Mars II“ steht in der Alb-Kaserne (Symbolbild).

© dpa/Sebastian Gollnow

Deutschland will Mehrfachraketenwerfer und Flugabwehrsysteme liefern

Deutschland will der Ukraine vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ „Mars II“ des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann schicken. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Regierungskreisen. Das System kann innerhalb von 55 Sekunden bis zu zwölf Raketen abfeuern, berichtet die „Tagesschau“. Die Reichweite betrage bis zu 84 Kilometer. Zusätzlich soll das ukrainische Militär ein modernes Ortungsradar erhalten, um Ziele zu erfassen.

Um die Lufthoheit wiederzuerlangen, könnten die ukrainischen Streitkräfte zudem mit dem Flugabwehrsystem „Iris-T“ ausgestattet werden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche im Bundestag. Es gehört zu den modernsten Systemen seiner Art.

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Doch wie das Nachrichtenportal „Business Insider“ berichtet, gibt es bereits jetzt Probleme: Das Flugabwehrsystem könnte erst im November oder Dezember einsatzbereit sein, heißt es in einem Bericht. Für den Einsatz der „Mars II“-Raketenwerfer in der Ukraine müsse das System erst umprogrammiert werden. Auch sei offen, ob die Bundeswehr überhaupt auf die Fahrzeuge verzichten kann.

Indirekte Panzerlieferungen mittels Nato-Partnern

Die Bundesregierung ist dazu mit Slowenien und Tschechien im Gespräch. Die Nato-Partner sollen T-72-Kampfpanzer an die ukrainischen Streitkräfte liefern.

Der Vorteil: Die Panzer wurden in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt und die Soldat:innen benötigen keine erneute Ausbildung. In einem sogenannten Ringtausch sollen Slowenien und Tschechien im Gegenzug Marder-, Fuchs- bzw. Leopard-Panzer erhalten. Weitere Gespräche soll die Bundesregierung mit Polen führen, weitere Details sind noch offen.

Scholz' Ankündigung auch Gespräche mit Griechenland für einen Panzer-Ringtausch zu führen, hat in Athen für Überraschung gesorgt, berichtet „Business Insider“. Sowjet-Panzer vom TYP „BPM“ sind in dem Mittelmeerland vor allem auf Inseln in direkter Nachbarschaft zur Türkei stationiert.

Ein Ringtausch gegen Marder-Panzer könnte zu weiteren Spannungen zwischen den Nachbarländern führen, befürchtet die griechische Regierung.

In der Auswertung des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) sind die neuesten Absichten für Ringtausche sowie die Lieferabsichten für Mehrfachraketenwerfer des Typs „Mars II“ und die Flugabwehrsysteme „Iris-T“ noch nicht einbezogen.

Bisher keine weiteren deutschen Waffenlieferungen

Üblicherweise hinterlegt die Bundesregierung wöchentlich eine aktualisierte Liste über die erfolgten Waffenlieferungen in der Geheimschutzstelle des Bundestags.

Laut Informationen des Spiegels informierte die Bundesregierung am Mittwoch ausgewählte Sicherheitspolitiker in einer Mail, dass es seit dieser Woche trotz zahlreicher Ankündigungen aber „keine Ergänzungen“ bei den bisher ausgelieferten Waffen gegeben habe. Die Papiere dürfen nur von wenigen Abgeordneten eingesehen werden. Begründet wird dies von der Regierung mit Sicherheitserwägungen, da Russland bei freizügigen Ankündigen von Lieferungen entsprechende Transporte in die Ukraine angreifen könnte.

Das Fazit: Selbst wenn man die angekündigten Lieferungen schwerer Waffen einbezieht: Die versprochene Militärhilfe der Vereinigten Staaten von etwa 24 Milliarden Euro (Stand 10. Mai) liegt in weiter Ferne. Und auch Großbritannien liefert aktuell mehr Gerät, vor allem schwere Waffen, in die Ukraine als Deutschland. Erst am Montag bestätigte London die Lieferungen von fünf Mehrfachraketenwerfern. Auch Antischiffsraketen kamen in der Vergangenheit aus London. (mit Agenturen)

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