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Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew.

© Kay Nietfeld/dpa

Bundeskanzler Scholz in der Ukraine: „Deutschland steht ganz eng an Ihrer Seite“

Bei seinem Besuch in Kiew sichert Kanzler Scholz dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj die deutsche Solidarität zu - doch Differenzen bleiben.

Die meisten Denkmäler in Europa erinnern an lange zurückliegende Ereignisse. Doch der Gedenkort in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, den Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag besuchte, ist den Menschen gewidmet, die vor acht Jahren bei der Revolution auf dem Maidan getötet wurden. Sie seien „für die Freiheit und die Würde der Ukrainer“ gestorben, heißt es in der Inschrift des Denkmals für die „Himmlische Hundertschaft“.

Nach dieser Revolution begann mit der russischen Intervention auf der Krim und in der Ostukraine ein Krieg, der bis heute andauert – und der in diesen Tagen dramatisch eskalieren könnte. Russland könnte seine Truppen noch in dieser Woche einmarschieren lassen, so die Warnung aus Washington. Scholz ist nach Kiew gekommen, um der Ukraine die deutsche Solidarität zuzusichern. Der Kanzler zeigte sich aber auch „beeindruckt von der Demokratiebewegung in der Ukraine“.

Fast zwei Stunden, deutlich länger als geplant, sprach Scholz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Deutschland steht ganz eng an Ihrer Seite“, sagte der Kanzler nach dem Gespräch im Marienpalast in Kiew.

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In den vergangenen Wochen hatte es im bilateralen Verhältnis durchaus Verstimmungen gegeben. Selenskyj hatte in der vergangenen Woche ein Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kurzfristig abgesagt, von terminlichen Gründen war offiziell die Rede.

Dass Scholz vor seinem Besuch in Moskau an diesem Dienstag zunächst nach Kiew reiste, wertete Selenskyj als „Zeichen der Solidarität“. Der Kanzler habe ihm gesagt, dass Deutschland die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unterstütze.

Noch keine Antwort zu „nichtletalen“ Rüstungsgütern

Doch was sich die Ukraine seit Wochen von Deutschland wünscht, damit konnte der Kanzler auch am Montag nicht dienen. Die ukrainische Botschaft in Berlin hat der Bundesregierung kürzlich detailliert aufgelistet, welche Rüstungsgüter benötigt werden. Der Lieferung von Waffen hat die Ampel-Koalition allerdings eine deutliche Absage erteilt. Auf der Wunschliste stehen aber nicht nur Flugabwehr-Systeme oder Munition, sondern auch Nachtsicht- und Funkgeräte und elektronische Ortungssysteme.

Eine Lieferung solcher „nichtletalen“ Rüstungsgüter in die Ukraine schließt die Bundesregierung nicht aus. Scholz konnte in Kiew in dieser Frage keine Zusagen machen. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, sagte er. Dies sei auch eine Frage der logistischen Verfügbarkeit des Materials, hieß es zuvor in deutschen Regierungskreisen. „Generell ist bei der Bundeswehr im Moment nichts übrig. Dort liegen nicht tausend Nachtsichtgeräte herum, die nicht gebraucht werden.“ Auch die Bundeswehr benötige diese Dinge dringend, und auf dem freien Markt seien diese Rüstungsgüter nicht leicht erhältlich.

Kurz vor der Ukraine-Reise des Bundeskanzlers wurde zudem bekannt, dass deutsche Unternehmen auch nach der russischen Intervention im Donbass in großem Umfang sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland geliefert haben, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden können. Im Jahr 2020 wurden vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist, 673 Genehmigungen für solche Exporte im Wert von fast 366 Millionen Euro erteilt, wie die „Welt am Sonntag“ berichtete. Wegen dieser Lieferungen an Russland sprach der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, von „deutscher Heuchelei“.

Scholz verspricht weitere Finanzhilfen

In Kiew sagte Scholz der Ukraine nun weitere finanzielle Hilfen zu. 150 Millionen Euro aus einem laufenden Kredit sollen vorgezogen werden, hinzu kommt ein weiterer 150-Millionen-Kredit.  Deutschland unterstützte das Land seit 2014 mit bilaterale Hilfsgelder in Höhe von 1,83 Milliarden Euro– darauf weist die Bundesregierung in diesen Tagen immer wieder hin, um dem Eindruck entgegenzutreten, Deutschland würde dem Land nicht ausreichend helfen.

Selenskyj bezeichnete die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 als „geopolitische Waffe“ Russlands und betonte, bei diesem Thema gebe es zwischen ihm und Scholz „einige Unterschiede“ in der Bewertung. Wie in Washington erwähnte der Kanzler die Pipeline mit keinem Wort. Doch Richtung Moskau richtet er eine Warnung: „Wenn Russland die territoriale Integrität der Ukraine erneut verletzen sollte, wissen wir, was zu tun ist.“  

Selenskyj trat zugleich Berichten entgegen, wonach sein Land auf einen künftigen Beitritt zur Nato verzichten würde. „Von uns gibt es keine Signale, dass eine Nato-Mitgliedschaft nicht unser Ziel ist“, sagte er nach dem Gespräch mit Scholz. Zu den Forderungen des Kremls gehört der Verzicht auf einen zukünftigen Beitritt der Ukraine zum transatlantischen Bündnis.

Der Präsident betonte am Montag, er rechne mit deutscher Unterstützung für die Nato-Ambitionen seines Landes. So weit wollte der Kanzler bei dem Treffen allerdings nicht gehen. Zwar sagte er, die freie Bündniswahl stehe nicht zur Disposition – aber zugleich wies er darauf hin, die Frage der Mitgliedschaft in Bündnissen sei derzeit nicht auf der Tagesordnung.

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