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Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion.

© Mike Wolff

CDU-Politiker Peter Altmaier: "Die Griechen haben keine zehn Jahre Zeit"

Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, sprach mit dem Tagesspiegel über die Grenzen von Solidarität, einen Staatskommissar für Athen und die Zukunft der FDP.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Herr Altmaier, 25 Staaten der Europäischen Union haben in der vergangenen Woche einen Fiskalpakt vereinbart. Ist die Euro-Krise jetzt endlich gelöst?

Nein. Die Schuldenkrise ist in 40 Jahren entstanden. Sie kann nicht in zwei Jahren gelöst werden. Wir brauchen einen glaubwürdigen Paradigmenwechsel weg von einer Politik der Verschuldung und hin zu einer Politik der Konsolidierung. Wir haben das in Deutschland auch erst vor vier Jahren geschafft mit unserer nationalen Schuldenbremse. Den gleichen Wechsel müssen wir in Europa und letztlich weltweit erreichen. Dafür ist der Fiskalpakt ein wichtiger Schritt, aber keine Garantie. Es kommt jetzt vor allem darauf an, die Vereinbarungen umzusetzen.

Selbst im günstigsten Fall dauert das zwei Jahre. Hat Europa so lange Zeit?

Entscheidend ist, dass wir aus der Kurzatmigkeit herauskommen. Es ist gelungen, die Unruhe an den Märkten durch standhaftes und kluges Handeln auf europäischer Ebene zu durchbrechen. Die Zinsen für Länder wie Italien und Spanien sind erkennbar gesunken. Selbstverständlich müssen wir zugleich die unmittelbaren Probleme lösen. Die Beteiligten müssen dafür ihre Hausaufgaben machen. Aus Griechenland haben wir häufig Erklärungen des guten Willens gehört, es sind aber nach wie vor nur wenige Reformen unter Dach und Fach.

Haben Sie dafür noch Verständnis?

Solche Veränderungen sind schmerzhaft und lassen sich nicht leicht durchsetzen. Das war in Deutschland auch nicht anders. Wir haben zehn Jahre gebraucht, angefangen mit der Agendapolitik unter Gerhard Schröder. Die Griechen haben leider keine zehn Jahre Zeit. Deshalb muss es schneller gehen.

Aber wie wollen Sie das durchsetzen?

Wir befinden uns in einem schwierigen Spannungsfeld. Auf der einen Seite ist es nicht gut, wenn die Griechen alles, was geschieht, als „Diktat“ aus Brüssel empfinden. Auf der anderen Seite war die griechische Politik bislang außerstande, aus eigener Kraft das Nötige zu tun. Die Schuldenspirale, die vor allem durch eine künstliche Aufblähung des öffentlichen Sektors entstanden ist, kann man nur durch Reformen durchbrechen. Diese Reformen müssen auf Privatisierung, Deregulierung und eine effiziente Verwaltung abzielen.

Ist das nicht ein Teufelskreis: Die Griechen haben keine effiziente Verwaltung, deshalb kommen die Reformen nicht voran, und so weiter?

Die Griechen müssen das Rad nicht neu erfinden. Europa bedeutet auch Wettbewerb um die beste Lösung. Wir haben in Deutschland manches übernommen, was in den Niederlanden oder in Großbritannien erfolgreich „ausprobiert“ worden ist, umgekehrt haben andere Länder manches von Deutschland gelernt. Es wäre gut, wenn ein solcher Erfahrungsaustausch wieder stattfinden könnte.

… und wenn nicht, dann kommt doch noch Volker Kauders Staatskommissar?

Es ist wenig sinnvoll, wenn wir uns über die Wortwahl streiten. Ich unterstütze in der Sache voll und ganz das, was Volker Kauder fordert. Es muss möglich sein, Ländern zu helfen, die aus eigener Kraft nicht weiterkommen. Wie man das nennt und wie man es ausgestaltet, muss man in Ruhe besprechen. Ich setze da auch auf einen Lernprozess in Griechenland. Erste positive Signale empfangen wir bereits: Griechenland plant offenbar einen eigenen Sparkommissar mit weitgehenden Durchgriffsrechten und Berichtspflichten gegenüber Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank.

Aber die Gefahr ist doch unübersehbar, dass die Geber bald die Geduld verlieren, auch in Ihrer eigenen Fraktion!

Ja. Wir sind seit Sommer 2011 bereit, ein zweites Hilfspaket zu verabschieden, um kurzfristige Probleme zu lösen. Aber wir müssen erwarten, dass auch umgesetzt wird, wozu sich die Griechen schon mehrfach verbindlich verpflichtet haben. Bis der Bundestag über ein neues Griechenlandpaket abstimmt, sollte das Parlament in Athen die Chance nutzen, noch einige wichtige Beschlüsse zu fassen.

Peter Altmaier über "Patentrezepte, die ins Elend führen"

Spart sich das Land nicht längst kaputt?

Es geht nicht um das klassische Sparen – das ist in einer Rezession sowieso nur bedingt möglich. Es geht um die notwendigen Strukturreformen. An dieser Stelle werden wir Griechenland nicht aus der Verantwortung entlassen. Das zweite Hilfspaket wird es nur dann geben können, wenn von griechischer Seite der Nachweis der absoluten Ernsthaftigkeit geführt wird.

Politiker von FDP und CSU sagen, ein Staatsbankrott Griechenlands wäre zwar bitter, aber notfalls beherrschbar.

Die Erfahrungen mit der ersten Bankenkrise haben gezeigt, dass scheinbare Patentlösungen oft ins Elend führen. Griechenland steht vor erheblichen Einschnitten, ganz egal, ob das Land im Euro bleibt oder nicht. Die beste Lösung für alle Beteiligten besteht darin, dass wir die Euro-Zone mit allen Mitgliedern erhalten. Der Euro ist ein wirtschaftliches, aber auch ein politisches Projekt. Die wirtschaftlichen wie die politischen Kosten wären unübersehbar hoch, wenn Griechenland ausscheiden müsste.

Braucht Griechenland nicht umgekehrt sogar eine Art Marshallplan?

In der Bankenkrise hat man geglaubt, Wachstum durch Geld erkaufen zu können. Deshalb die großen Konjunkturprogramme – die dann aber den Ausbruch der jetzigen Schuldenkrise beschleunigt haben. Diesmal können wir Wachstum nicht durch Geld stimulieren, schon weil das Geld gar nicht mehr da ist. Wir müssen Wachstum durch Strukturreformen ermöglichen. Griechenland muss dafür sorgen, dass die Privatisierung von Staatsbetrieben möglich wird. Privates Geld holt man nicht mit öffentlichen Geldern ins Land, sondern mit glaubwürdiger Politik.

Konkret: Steht die Mehrheit der Koalition hinter einem nächsten Hilfsprogramm?

Zunächst erwarten wir den Bericht der Troika zur Schuldentragfähigkeit und die Vereinbarung Griechenlands mit den Banken zur Teilentschuldung. Auf dieser Grundlage werden wir beurteilen, wie das nächste Griechenlandpaket aussieht. Es hat in den letzten eineinhalb Jahren immer die Bereitschaft gegeben, Griechenland zu helfen. Aber die Griechen müssen wissen: Es gibt auch einen Moment, wo die Geduld knapp wird.

Großbritannien und auch Tschechien haben den Fiskalpakt nicht unterschrieben. Ist das der Anfang des Europas der zwei Geschwindigkeiten?

Wir wollen auch in Zukunft kein Europa der zwei Geschwindigkeiten hinnehmen, im Gegenteil. Wir wollen die Bestimmungen des Fiskalpaktes in den nächsten fünf Jahren in die allgemeinen EU-Bestimmungen überführen, so dass am Ende wieder alle 27 Länder vereint sind. Dazu gehört auch die Stärkung der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments.

Großbritannien ist auch bei der Finanztransaktionssteuer isoliert. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat ein Steuermodell vorgeschlagen, das der britischen Börsensteuer nahekommt. Ist das ein Weg, London ins Boot zu holen und den Koalitionspartner FDP gleich dazu?

Es ist gut, dass wir alle nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie der Transaktionssteuer diskutieren. Das Modell Sarkozy kann eine Brücke sein, um eine Lösung im Kreis der 27 EU-Staaten zu erreichen. Aus meiner Sicht muss man allerdings noch einen Punkt sehen: Das Modell würde wohl nicht den Hochfrequenzhandel an den Börsen einschließen. Mit Blick auf die Regulierung der Finanzmärkte wäre das aber sehr wichtig. Denn es geht bei der Transaktionssteuer nicht nur um Steuereinnahmen. Es geht vor allem auch um eine Regulierungswirkung.

Erwarten Sie von der FDP beim Treffen der Koalitionsspitzen Anfang März freie Hand für entsprechende Verhandlungen?

Wir sollten uns nicht unter Druck setzen. In den europäischen Gremien muss bis Ende März über eine Lösung im Kreis der 27 entschieden werden. Wenn das nicht gelingt, werden wir zügig über Ersatzlösungen entscheiden. Bei Treffen der Koalitionäre Anfang März werden wir über Pläne für die nächsten Monate sprechen.

Spötter sagen, angesichts des Zustands der Koalition wird das dann eine sehr kurze Runde …

Die Koalition hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Das wird sie auch in den nächsten Monaten zeigen, vor allem wenn es um die Entscheidungen zum Euro geht. Das Bündnis von Union und FDP mag in den zurückliegenden Monaten oft gescholten worden sein. Doch am Ende haben wir nie einen Zweifel daran gelassen, dass dieses bürgerliche Bündnis funktioniert. Und dieses Signal müssen und werden wir auch in Zukunft senden.

In Ihrem Heimatbundesland, dem Saarland, hat die Ministerpräsidentin von der CDU das Bündnis schon aufgekündigt, weil sie die FDP dort nicht für regierungsfähig hält.

Im Saarland gab es mit der FDP keine inhaltlichen Divergenzen, sondern eine personelle Malaise, die es vergleichbar weder in einem anderen Bundesland noch auf Bundesebene gibt. Die Entscheidung im Saarland war ein absoluter Einzelfall. Ich bin mir für den Bund sicher, dass die Koalition mit den Liberalen bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird. Und ich glaube, dass es im Interesse meiner Partei ist, dass wir eine bürgerliche Perspektive auch über den Herbst 2013 hinaus behalten.

Zur Person:

Strippenzieher

Als erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion von CDU und CSU im Bundestag vertritt Peter Altmaier (53) die Interessen der Union. Er bestimmt wesentlich darüber, wer im Plenum spricht, wie die Tagesordnung aussieht und wer in den Ausschüssen etwas zu sagen hat.

Seiltänzer

Je mehr Geld die Euro- Schuldenkrise verschlingt, umso schwieriger ist es, Mehrheiten in der Koalition für die Milliardenpakete zu finden. Damit das gelingt, muss Altmaier die Kritiker in der Union vom Regierungskurs überzeugen. Der PGF, wie Altmaier genannt wird, tut das gern mal mit Einladungen in seine heimische Küche.

Netzfischer

Vor einem halben Jahr ist Peter Altmaier intensiv in die sozialen Netzwerke eingestiegen. Neue Wählerschichten will er mit Facebook und Twitter für seine Partei gewinnen. Ein Mittfünfziger aus der CDU, der auf den Datenautobahnen gern die Überholspur nutzt. In der Gemeinde genießt Altmaier mittlerweile so etwas wie Kultstatus

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