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Das Leben vor sich: Zwei junge Frauen in Deutschland.

© Getty Images/Cavan Images RF/Cavan Images / Sigrid Gombert

Die neue Shell-Jugendstudie: Im Osten sind nur 60 Prozent mit der Demokratie zufrieden 

Kein Rechtsruck, vorsichtiger Optimismus – das zeigt die neue Shell-Jugendstudie. Dennoch steht die heutige Generation vor großen Herausforderungen und Sorgen.

Stand:

Zwar haben junge Menschen in Deutschland Sorgen, doch blicken sie trotzdem mit Zuversicht in die Zukunft: Dieses Bild der jungen Generation zeichnet die aktuelle Shell-Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird.

„Junge Menschen sind sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt“: So fasst Studienleiter Mathias Albert die Erkenntnisse zusammen. „Obwohl junge Menschen aktuell in sehr krisenhaften und kriegerischen Zeiten aufwachsen, bleibt die Mehrheit zuversichtlich“, sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Was die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie verraten: Ein Blick in die Zahlen.


Wie politisch interessiert ist die Jugend?

Mehr Jugendliche als in früheren Jahren bezeichnen sich selbst als politisch interessiert. Derzeit tun das 55 Prozent. Im Jahr 2002 lag dieser Wert noch bei 34 Prozent.


Wovor haben junge Menschen Angst?

Auf der Liste der angstbesetzten Themen ganz oben stehen ein Krieg in Europa, der von 81 Prozent der Befragten genannt wird, sowie steigende Armut, die von 67 Prozent genannt wird. Dagegen haben immer weniger junge Menschen Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden. Diese Sorge nennen nur noch 35 Prozent – ein historischer Tiefstand in der Befragungsreihe.

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Wie viel Zuversicht haben junge Menschen?

Wenn es um die Frage geht, wie es um die Zukunft der Gesellschaft als Ganzes steht, sind junge Menschen derzeit zuversichtlich: 56 Prozent haben einen positiven Blick in die Zukunft, so viele wie noch nie seit 2002.

Anders sieht es aus, wenn nach den persönlichen Aussichten gefragt wird. 2019 schauten noch 58 Prozent der Befragten optimistisch in die eigene Zukunft, nun sind es nur noch 52 Prozent. Seit 2006 gab es einen Trend einer immer größeren persönlichen Zuversicht, dieser ist jetzt gebrochen. Der aktuell gemessene Wert ist sogar nur knapp höher als der tiefste bisher gemessene, der im Jahr 2006 bei 50 Prozent lag.

Es gibt Schichtunterschiede: Jugendliche der unteren sozialen Schichten blicken weniger häufig optimistisch nach vorn, doch der Trend zeigt nach oben. Bei Jugendlichen aus oberen Schichten ist der Wert absolut noch höher, es gibt jedoch einen sehr klaren Abwärtstrend: von 76 Prozent im Jahr 2015 auf aktuell nur noch 55 Prozent.


Wie blicken junge Menschen auf Krieg und Frieden?

Abgefragt wurden die Einstellungen insbesondere zum Ukraine-Krieg und zur Lage in Nahost, in diesem Fall nur in der Altersgruppe 15 bis 25 Jahre, also nicht bei den noch Jüngeren. Dies sind die Ergebnisse:

  • „Russland hat die Ukraine angegriffen und muss dafür bestraft werden“: Diesem Satz stimmen 60 Prozent der Befragten zu. 13 Prozent sehen es explizit anders, in Ostdeutschland liegt dieser Wert allerdings bei 21 Prozent.
  • 50 Prozent der Befragten wollen, dass Deutschland die Ukraine militärisch unterstützt. In Ostdeutschland ist der Wert etwas niedriger.
  • 30 Prozent der jungen Menschen finden es gut, dass sich Deutschland klar auf die Seite Israels gestellt hat. Aber ein ebenso hoher Prozentsatz lehnt dies ab. Gut ein Viertel ist unentschieden.
  • Gut die Hälfte der Jugendlichen plädiert dafür, dass Deutschland das mit dem Gaza-Krieg verbundene Leid der palästinensischen Bevölkerung deutlicher anerkennen sollte. Nur 11 Prozent sehen das anders, gut ein Viertel ist unentschieden.
  • Zum Themenkomplex Nahost heißt es in der Zusammenfassung der Shell-Jugendstudie: „Soziodemografisch betrachtet ist nicht zu übersehen, dass zugewanderte Menschen aus dem muslimischen Kulturraum zum Teil deutlich andere Ansichten vertreten als die nicht-muslimischen Menschen.“

Wie steht es um Vorurteile und Ressentiments?

Abgefragt wurde, wer bestimmte Menschen nicht gern als Nachbarn hätte. Dabei stößt eine fiktive Flüchtlingsfamilie aus Syrien auf größere Vorbehalte (18 Prozent) als eine Familie, die aus der Ukraine geflohen ist. Die Vorbehalte sind im Osten größer.

Dort möchten 14 Prozent der Befragten kein homosexuelles Paar neben sich wohnen haben, im Westen sind es aber auch 9 Prozent. Abgefragt wurde auch die Einstellung zu einer jüdischen Familie als Nachbarn. 8 Prozent der Befragten äußern offen Ablehnung. Allerdings: Bei Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund aus arabischen Ländern, der Türkei oder aus sonstigen muslimisch geprägten Regionen sind es 16 Prozent.


Wie wichtig ist der Klimawandel als Thema?

Vier von fünf Befragten teilen die Ansicht, dass vor allem die Menschheit für den Klimawandel verantwortlich sei. Aber immerhin 28 Prozent der Jugendlichen sind der Auffassung, der Klimawandel werde in der Öffentlichkeit übertrieben dargestellt.

57 Prozent der Befragten finden, alle Menschen sollten ihren Lebensstandard einschränken, um das Klima und die Umwelt zu schonen. Bei Befragten mit Abitur oder Fachhochschulreife ist der Anteil höher.

Gefragt wurde auch nach den Klimaprotesten etwa der „Letzten Generation“. Konkret ging es um den Satz: „Es ärgert mich, dass Umweltschützerinnen und -schützer mir vorschreiben wollen, wie ich zu leben habe.“ Dem stimmen 43 Prozent der Jugendlichen zu, 39 Prozent lehnen den Satz ab.


Wo stehen junge Menschen auf der Skala von links bis rechts?

In der Shell-Jugendstudie wird mit einem Zahlenwert gemessen, wo sich Jugendliche auf der Skala von rechts bis links einordnen. Sechs entspricht dem Mittelwert, 11 wäre am weitesten rechts, 1 wäre am weitesten links. Derzeit ergibt sich ein Mittelwert von 5,3.

Das ist recht stabil: Bei der Vorgängerbefragung aus dem Jahr 2019 lag der Wert bei 5,1. „Auch in 2024 haben wir keine Veränderungen feststellen können, die auf einen ,Rechtsruck’ hindeuten“, heißt es in der Zusammenfassung der Shell-Jugendstudie. Vier Prozent der Befragten bezeichnen sich explizit als rechts, 14 Prozent als „eher rechts“.

Allerdings ist ein Unterschied zwischen den Geschlechtern zu bemerken: 2019 ordnete sich bei den männlichen Befragten weniger als jeder fünfte als eher rechts oder rechts ein. Mittlerweile ist es jeder vierte. Bei den weiblichen Befragten gibt es keinen Anstieg.


Identifizieren sich die Jugendlichen mit Staat und Gesellschaft?

Gut drei Viertel der Befragten findet, dass Deutschland ihnen „alle Möglichkeiten bietet, ihre Lebensziele zu verwirklichen“. 71 Prozent vertrauen darauf, „dass alle gemeinsam als Gesellschaft eine lebenswerte Zukunft schaffen können“.

Gleichzeitig gibt es aber auch spürbare Kritik: 57 Prozent der Jugendlichen finden, „dass vieles, was woanders selbstverständlich ist, bei uns nicht funktioniert“. Und auch das Vertrauen in das Agieren der Politik scheint begrenzt. Abgefragt wurde die Zustimmung zu folgendem Satz: „Die meisten Maßnahmen, die vom Staat getroffen werden, bringen mir persönlich keine Vorteile.“ Dem stimmen 55 Prozent der jungen Menschen zu.

18
Prozent der Befragten denken, es gebe in jeder Gesellschaft Konflikte, die nur mit Gewalt ausgetragen werden können.

57 Prozent der Befragten sind dafür, Geflüchtete aufzunehmen. Aber der Behauptung, der Staat kümmere sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche, stimmt fast die Hälfte zu.

Gefragt wurde auch nach dem Satz: „Eine starke Hand müsste mal wieder Ordnung in unseren Staat bringen“. Ein Viertel sagt, dies treffe zu oder sogar voll und ganz zu. Weitere 19 Prozent finden, dies treffe eher zu.

Gut ein Fünftel glaubt, „Deutschland wäre ohne die Europäische Union besser dran“. 18 Prozent denken, es gebe in jeder Gesellschaft Konflikte, „die nur mit Gewalt ausgetragen werden können“.


Wie steht es um die Zufriedenheit mit der Demokratie?

Drei Viertel der jungen Menschen sind mit der Demokratie eher oder sogar sehr zufrieden. Im Westen ist dieser Wert stabil, im Osten geht er hingegen zurück und liegt derzeit bei 60 Prozent.

„Wir sehen einen beachtlichen Anteil an verdrossenen Jugendlichen, insgesamt rund 12 Prozent der jungen Leute. Daneben gibt es einen erheblichen Anteil kritischer und unzufriedener Jugendlicher“, sagt Studienleiter Albert.

Diese seien leicht durch Populismus erreichbar, kritisch gegenüber Staat und Gesellschaft eingestellt und würden sich als benachteiligte Modernisierungsverlierer sehen. Jugendliche mit eher niedriger Bildung, aber auch aus den neuen Bundesländern und auffallend viele junge Männer würden zu dieser Gruppe gehören, heißt es. „Nichtsdestotrotz: Die verdrossenen und unzufriedenen Jugendlichen prägen keinesfalls die ganze Generation“, sagt Albert.


Welche Erkenntnisse gibt es zu Alltag und Lebensstil?

Viele weitere Themen rund um Alltag und Lebensstil der jungen Menschen wurden abgefragt. Einige Erkenntnisse im Überblick:

  • Junge Männer wünschen sich zunehmend, in Teilzeit zu arbeiten, wenn sie Kinder haben.
  • Vor allem bei jungen Menschen katholischen Glaubens verliert die Religion an Bedeutung. 2002 sagte noch gut die Hälfte, dass der Glaube ihnen wichtig sei. Jetzt sind es nur noch 38 Prozent. Bei muslimischen Jugendlichen spielt die Religion stabil auf hohem Niveau eine wichtige Rolle.
  • Gut die Hälfte der Befragten sagt, sie würde keine Langzeitfolgen der Corona-Pandemie spüren. Aber zum Beispiel haben 14 Prozent Freundschaften oder Bekannte verloren, 15 Prozent sagen, ihre Bildungs- und Berufsplanung habe gelitten. Sechs Prozent leider darunter, dass eine nahestehende Person in der Pandemie gestorben ist.
  • Das umstrittene Gendern befürworten 22 Prozent der Befragten, 42 Prozent lehnen es ab. Gut einem Drittel der jungen Menschen ist das Thema egal.

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