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Präsentation der Drohnenabwehr in Hamburg am 25. September 2025.

© imago/Breuel-Bild

Dobrindts Drohnenpläne: Die Bundeswehr könnte in unserem Alltag bald viel präsenter sein

Bundesinnenminister Dobrindt will der Bundeswehr per Gesetz den Kampf gegen Drohnen im Inland ermöglichen. Was ist geplant und wie könnten die Folgen aussehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Als am Münchner Flughafen im Oktober zahlreiche Urlauber ihre Flüge verpassten, weil über dem Gelände Drohnen gesichtet wurden, war die Wut groß: „Runter vom Himmel mit den Dingern“, schimpften Reisende. Nun hat das Bundeskabinett eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) beschlossen. Darin wird die Drohnenabwehr im deutschen Luftraum neu geregelt.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Mittwoch, nicht jede Drohnensichtung sei automatisch eine Bedrohung, aber aus jeder Drohnensichtung könne eine Bedrohung erwachsen. „Wir versetzen deshalb die Bundeswehr in die Lage, die Drohnen zu bekämpfen, abzufangen und abzuschießen“, so der CSU-Politiker. In Abstimmung mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe man die Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, um gemeinsam eine Antwort auf die neue hybride Bedrohung durch Drohnen in Deutschland zu liefern.

Was geplant ist und welche Folgen das haben könnte: Die wichtigsten Fragen und Antworten.


Warum braucht es überhaupt ein neues Gesetz?

Deutschland verzeichnet beinahe täglich Drohnenflüge über kritischer Infrastruktur wie Kraftwerken oder Rohstoffterminals. „Ein Teil dieser Drohnen wird durch fremde Mächte gesteuert“, sagte Dobrindt am Mittwoch, Russland spiele hier eine Rolle. Das Luftsicherheitsgesetz ist 2005 in Kraft getreten und wurde zuletzt 2020 geändert – kein einziges Mal tauchte jeweils das Wort „Drohne“ auf.

Bislang dürfen die Streitkräfte in Ausnahmefällen „Luftfahrzeuge“ abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs streng limitiert. Das heißt, die Bundeswehr hätte die Mittel, aber nicht die rechtlichen Kompetenzen, gegen die Bedrohung aus der Luft vorzugehen.

Ein Teil dieser Drohnen wird durch fremde Mächte gesteuert.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister

Die Landes- und Bundespolizeien haben hingegen häufig nicht die Mittel zur Drohnenabwehr oder zur Störung, sie sind außerhalb von militärischem Gebiet aber rechtlich zuständig. Das neue Gesetz soll dieses Zuständigkeitswirrwarr und Ausrüstungsdefizit schließen, mit dem sich vor Kurzem auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschäftigt hat.


Darf die Bundeswehr jetzt Drohnen abschießen?

Ja, aber weiterhin unter engen Voraussetzungen. Die Bundeswehr darf im Rahmen der Amtshilfe für die Länder künftig auch Störmittel (also Jammer) oder sogar Waffengewalt gegen Drohnen einsetzen. Das gilt, wenn eine akute Gefahr für Menschenleben oder kritische Anlagen besteht und der Einsatz militärischer Mittel das einzige effektive Mittel zur Gefahrenabwehr ist.


In welchen Situationen kommt die Bundeswehr im Inland zum Zug?

Es geht ausschließlich um die Abwendung besonders schwerer Unglücksfälle. Darunter versteht das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel Flugzeug- oder Eisenbahnunglücke oder Unfälle in Kernkraftwerken – also Ausnahmesituationen, die eine Vielzahl von Personen betreffen. Dazu gehören laut dem Gesetzentwurf der schwarz-roten Bundesregierung Drohnenangriffe auf Menschenmengen, Drohnen, die mit Explosivstoffen, chemischen oder biologischen Stoffen ausgerüstet sind, Angriffe auf kritische Infrastruktur wie LNG-Terminals oder Energieanlagen und koordinierte Mehrfachangriffe.

Ein Bundeswehrsoldat hält einen Drohnen-Jammer bei einer Großübung auf der Schulter.

© dpa/Marcus Golejewski


Was verändert sich im Alltagsleben für die Bürger?

Bei Großveranstaltungen wie Musikfestivals und Fußballspielen gehören Bundeswehrsoldaten künftig womöglich zum Alltagsbild dazu. Sie werden im Veranstaltungsumfeld mit Drohnenabwehreinheiten vor Ort die Lage beobachten, wenn die Länder zuvor um Amtshilfe gebeten haben. Wird eine gefährliche Drohne gesichtet, können die Soldaten vor Ort laut Bundesinnenminister über einen Abschuss und den weiteren Umgang entscheiden.


Wer entscheidet über einen Bundeswehreinsatz?

Wenn ein Bundesland Hilfe anfordert, entscheidet künftig allein das Verteidigungsministerium (BMVg). Das heißt, das Innenministerium (BMI) muss nicht mehr beteiligt, sondern nur informiert werden. Das BMVg kann die Entscheidungsbefugnis intern delegieren. Sogar der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Holger Neumann, kann nach der Gesetzesänderung entscheiden, dass die Bundeswehr im Inland am Zug ist. Dobrindt erhofft sich dadurch eine „raschere Entscheidungsfindung“ bei der Drohnenabwehr im Ernstfall.


Was sagen die Parteien zum Drohnengesetz?

Als die Ex-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihren Vorschlag zur Änderung des LuftSiG präsentierte, kam Kritik aus der Opposition im Bundestag – damals war das die heutige Regierungsfraktion der Union. Deren rechtspolitischer Sprecher, Günter Krings (CDU), forderte eine Grundgesetzänderung, weil er die reine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes für unzureichend hielt. CSU-Innenminister Dobrindt folgt nun der Linie seiner Vorgängerin, auch weil die Union Grundgesetzänderungen unter den aktuellen Mehrheitsverhältnissen vermeiden möchte.

Die Bundesregierung betritt verfassungsrechtlich heikles Terrain.

Konstantin von Notz, Sicherheitspolitiker der Grünen

Bei den Grünen und Linken prüft man, ob Dobrindts Vorgehen mit der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist. Für den Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz betritt die Bundesregierung damit „verfassungsrechtlich hochgradig heikles Terrain“. Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen wirft Dobrindt vor, die Bundeswehr als „Lückenbüßer“ für eigene Versäumnisse bei der polizeilichen Gefahrenabwehr einzusetzen: „Es mag Fälle geben, in denen auch die Bundeswehr handeln könnte. Diese sind aber selten“, sagt von Notz.

Die Linken wollen dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren  „entschieden entgegentreten“, sagt ihr Abgeordneter Jan Köstering. Das Innenministerium wisse nicht einmal, wer die Drohnen steuere. Aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion gehe hervor, dass die allermeisten Sichtungen keinem Akteur zugeordnet werden können. Private Piloten, Wirtschaftsspionage, organisierte Kriminalität – für all das solle die Polizei der Länder und des Bundes angemessen ausgestattet werden.


Wie beurteilen Verfassungsrechtler die Lage?

Die Rechtswissenschaftlerin Josina Mey von der Universität der Bundeswehr Hamburg hält die Änderungen zum Einsatz der Bundeswehr für „verfassungsrechtlich problematisch“. Die Doktorandin forscht zur unbemannten Luftfahrt und hält es für fragwürdig, ob der Gesetzgeber Drohnenflüge mit Unglücksfällen gleichsetzen kann.

„Der Ausfall einzelner Flüge an deutschen Flughäfen reicht nicht, um als besonders schwerer Unglücksfall zu gelten“, stimmt ihr Alexander Thiele zu. „Insofern dürften die bisherigen Drohnenvorfälle weiterhin nicht durch die Streitkräfte bekämpft werden“, sagt der Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Management und Recht in Berlin.

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