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Elon Musk auf dem Capitol Hill in der US-Hauptstadt Washington

© REUTERS/Benoit Tessier

Exklusiv

Einmischungen im Wahlkampf: „Die Angst vor Elon Musk ist mit Händen zu greifen“

Wie umgehen mit den Attacken des Tech-Multimilliardärs? Wolfgang Thierse sieht ein „Dilemma“ der deutschen Politik. Der CDU-Sozialflügel nennt Musk einen „politischen Brandstifter“.

Stand:

Wie unsicher Deutschlands Parteien jenseits der AfD im Umgang mit Elon Musk sind, bringt Wolfgang Thierse (SPD) auf den Punkt: „Herr Musk stürzt uns in ein Dilemma“, sagt der frühere Bundestagspräsident am zweiten Tag des neuen Jahres im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Thierse macht keinen Hehl daraus, wie schwierig es sei, auf die Attacken des US-Tech-Multimilliardärs, Besitzer der Plattform X und des Raketenunternehmens SpaceX, zu reagieren: „Wenn wir uns öffentlich über seine Einflussnahme auf den deutschen Wahlkampf aufregen, vergrößern wir die Aufmerksamkeit zu seinen Gunsten und zu Gunsten der AfD. Aber wir können zu Attacken auf die deutsche Demokratie auch nicht schweigen.“

Thierse: Parteien müssen Attacken zurückweisen

Er hoffe, dass alle demokratischen Parteien und alle demokratischen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland diese Attacken auf die Demokratie zurückwiesen, sagt Thierse. Sicher aber sei er sich da nicht. „Die politische Angst in Deutschland, offensichtlich auch von Medienunternehmen, vor der Macht von Elon Musk ist mit den Händen zu greifen.“

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Musk verkürzte zuletzt den Takt seiner Interventionen in den deutschen Wahlkampf. Am 20. Dezember 2024 warb er auf X für die Wahl der AfD („Nur die AfD kann Deutschland retten“), am Wochenende veröffentlichte die „Welt am Sonntag“ einen Wahlaufruf Musks zugunsten der AfD. Gemünzt auf die Amokfahrt von Magdeburg knöpfte sich Musk Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor: „Scholz sollte sofort zurücktreten!“ Der Bundeskanzler sei ein „unfähiger Idiot“.

Reaktion auf Steinmeiers Weihnachtsansprache

Musks Reaktion auf die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten, in der Frank-Walter Steinmeier die Einflussnahme auf den Wahlkampf beklagt und sie „offen und unverhohlen besonders intensiv auf der Plattform X“ verortet hatte, kam postwendend. Musk schrieb auf X: „Steinmeier ist ein antidemokratischer Tyrann. Schande über ihn.“

Das ist ein fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie, eine Infragestellung der deutschen Demokratie.

Wolfgang Thierse (SPD), Ex-Bundestagspräsident, über Elon Musks Attacke auf Frank-Walter Steinmeier

Mit der Attacke auf Steinmeier greife Musk „den demokratischen Repräsentanten des deutschen Volkes“, sagt Thierse: „Das ist ein fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie, eine Infragestellung der deutschen Demokratie.“ Der Angriff auf das Staatsoberhaupt sei „keine Kleinigkeit, die sich versendet“.

Musk sei keine Privatperson, so Thierse weiter. „Er besitzt als reichster Mann der Welt, als Medienunternehmer und als Mitglied des engsten Zirkels von Donald Trump eine enorme Macht. Er nutzt diese Macht, um die deutsche Demokratie zu zersetzen.“

Thierse sieht gar Parallelen zwischen Musk und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Wir haben es bei diesem Wahlkampf mit einer doppelten Einflussnahme zu tun“, sagt er, „auf geheime und verborgene Weise durch Putins Russland und öffentlich und offen durch Elon Musk.“

Der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels CDA, Dennis Radtke, sagte dem Tagesspiegel: „Elon Musk ist ein politischer Brandstifter, der auf immer mehr Ebenen versucht, Einfluss auf Entwicklungen zu nehmen. Ob die Plattform X oder finanzielle Zuwendungen.“

Dass er nun das Staatsoberhaupt eines der wichtigsten Verbündeten verunglimpfe, zeige leider, was man von der kommenden Trump-Administration zu erwarten habe. „Es wird noch breitbeiniger und unangenehmer als beim letzten Mal“, sagte Radtke: „Ich halte Steinmeier für einen schwachen Bundespräsidenten, aber ein undemokratischer Tyrann ist er gewiss nicht. Das trifft wohl eher auf die Trump-Freunde Putin und Kim zu.“

Etwas anders sieht es Brandenburgs früherer Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der zu Musk einen direkten Draht hat und mit ihm über die Ansiedlung der Tesla-Fabrik in Grünheide beraten hatte. Unabhängig davon, dass er die politischen Positionen von Elon Musk in keiner Weise teile, halte er die augenblickliche Reaktion in den Medien oder sonstigen Statements für falsch, teilte Steinbach auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Steinbach verweist auf andere Einflussnahmen

„Erst die große öffentliche Resonanz macht aus einer Stellungnahme eine Wahlkampfunterstützung. Ohne Bühne gäbe es weniger Wirkung“, heißt es in einem Statement Steinbachs. Zudem hätten viele Repräsentanten des öffentlichen Lebens „in der Vergangenheit zu Wahlen in anderen Ländern unseres Globus eindeutig Stellung bezogen“. Persönliche Diffamierungen seien „durch nichts zu rechtfertigen, schon gar nicht mit freier Meinungsäußerung“.

Vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 hatte der damalige Außenminister Steinmeier den republikanischen Kandidaten Trump als „Hassprediger“ bezeichnet.

Eine gewisse Ratlosigkeit lässt der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner erkennen. „Wir müssen rasch klären, wie wir damit umgehen, dass sich Musk massiv in den Bundestagswahlkampf einmischt“, sagte er dem Tagesspiegel.: „Demokraten dürfen nicht zulassen, dass ein Demokratie-Gegner wie Musk hier Wahlkampf macht. Das müssen wir verhindern.“

Kommt für Sie ein Auftrittsverbot Musks in Deutschland infrage, Herr Stegner? „Über ein Auftrittsverbot für Musk in Deutschland kann man diskutieren; es besteht aber die Gefahr, dass es einen gegenteiligen Effekt auslöst.“ 

Der SPD-Politiker zieht eine direkte Verbindung zwischen Musk und dem Mann, der am 20. Januar ins Weiße Haus ziehen wird. „Musk sagt, was Trump denkt. Wir müssen mit einem rauen, niveaulosen Wahlkampf rechnen, bei dem sich womöglich auch Trump direkt für die AfD einsetzen wird“, sagt Stegner. Deutschland könne keine ausländische Einflussnahme auf den Wahlkampf zulassen, „weder durch Putin noch durch Musk und Trump“.    

Stegner sieht die Demokratie bedroht, „wenn Fake News Milliardäre unreguliert Social-Media-Power gegen Demokraten in Stellung bringen können“. Dass der FDP-Vorsitzende Christian Lindner „derlei Disruptionen auch noch bejubelt, zeigt nicht nur die komplette Orientierungslosigkeit der Liberalen“, sagt Stegner, „sondern dass dieser gefährliche Virus auch ehedem seriöse demokratische Parteien wie Republikaner oder deutsche Freidemokraten befällt.“

Mitarbeit: Sabine Schicketanz

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