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Sie muss liefern: Lisa Paus ist federführende Ministerin für die Kindergrundsicherung.

© dpa/Photothek/Felix Zahn

Rätsel um die Kindergrundsicherung: Was hat Ministerin Paus mit 12 Milliarden Euro vor?

Im Kampf für die Kindergrundsicherung kommt Familienministerin Lisa Paus nicht voran. Ein Grund: Die Grünen-Politikerin bleibt selbst zentrale Antworten schuldig.

Zwei gegen einen in der Ampel, SPD und FDP gegen die Grünen, das war live zu erleben, als Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) jüngst im Bundestag zur Kindergrundsicherung befragt wurde. Wie hoch die ausfallen solle, wollte die Linken-Abgeordnete Jessica Tatti wissen.

„Es geht vor allen Dingen erst mal darum, dass vorhandene Leistungen tatsächlich bei den Kindern ankommen“, antwortete Heil. Links hinter ihm saß Jens Brandenburg, FDP-Staatssekretär im Bildungsministerium. Er nickte begeistert, rief stumm: „Ja!“ Denn Heil vertrat die Linie auch der FDP. Bestehende Leistungen besser zugänglich machen: ja. Noch einmal draufsatteln: nein.

Im Plenum des Bundestags: Hubertus Heil (SPD, vorne), Jens Brandenburg (FDP) und Sabine Hoffmann (Grüne).
Im Plenum des Bundestags: Hubertus Heil (SPD, vorne), Jens Brandenburg (FDP) und Sabine Hoffmann (Grüne).

© Geisler-Fotopress/Frederic Kern

Alles andere als enthusiastisch hingegen auf dem Platz rechts hinter Heil: Sabine Hoffmann, Grünen-Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium. Es ist ihre Partei, die in der koalitionsinternen Debatte, was zu tun sei gegen Kinderarmut, in der Defensive ist. Und zwar auch, weil die zuständige grüne Ministerin Lisa Paus keine Argumente liefert.

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Paus galt als Frau der Zahlen, als erfahrene Finanzpolitikerin, als sie 2022 überraschend in ihr neues Amt berufen wurde. Die Kindergrundsicherung ist ihr zentrales Projekt, es entscheidet über Erfolg oder Misserfolg ihrer Amtszeit. Doch ausgerechnet hier sind es die Zahlen, die Paus fehlen.

Die anderen Ressorts lassen sie sich im Kreis müde laufen.

Heinz Hilgers, Sprecher des Bündnisses Kindergrundsicherung, über Lisa Paus

Denn wofür braucht sie die zwölf Milliarden Euro pro Jahr, für die sie Bedarf angemeldet hat? Paus erklärt es der Öffentlichkeit nicht. Sie möchte, dass arme Kinder mehr Transferleistungen bekommen als bisher. Aber wie hoch sollen die Sätze sein? Darauf bleibt sie eine Antwort schuldig.

Konkrete Zahlen finden sich auch nicht in dem Elf-Seiten-Papier aus ihrem Ministerium, das seit einiger Zeit kursiert. Dennoch beruft sich Paus darauf, sie habe ein vollwertiges Konzept vorgelegt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) stehe auf der Bremse, es brauche nun erst einmal intern eine Einigung.

Die Debatte aktuell ist ein Schattenboxen, weil ein echtes Konzept nach wie vor fehlt.

Jens Teutrine, FDP-Sozialpolitiker im Bundestag

Paus’ Abtauchen verärgert mittlerweile auch jene, die inhaltlich auf ihrer Linie sind. „Die anderen Ressorts lassen sie sich im Kreis müde laufen“, sagt Heinz Hilgers. Er war bis vor wenigen Tagen Präsident des Kinderschutzbunds und ist Sprecher des Bündnisses Kindergrundsicherung. „Die Ministerin sollte dringend einen Gesetzentwurf und eine belastbare Kalkulation auf den Tisch legen, und dann sollen die anderen sich daran abarbeiten“, rät Hilgers.

Das sehen jene, die inhaltlich anderer Meinung sind, sogar genauso. „Die Debatte aktuell ist ein Schattenboxen, weil ein echtes Konzept nach wie vor fehlt“, sagt Jens Teutrine, FDP-Sozialpolitiker im Bundestag.

Stattdessen tritt die Ministerin kommunikativ den Rückzug an. „Die Zahl ist übrigens gar nicht von mir, die ist von anderer Seite öffentlich geworden“, sagte sie kürzlich im „Bericht aus Berlin“ über die zwölf Milliarden Euro, die sie selbst bis vor kurzem offensiv gefordert hat.

Paus organisiert öffentlichkeitswirksam Unterstützung

Zuletzt verlegte sie sich darauf, öffentlichkeitswirksam Unterstützung zu organisieren. Vergangene Woche berief sie eine Pressekonferenz ein, neben ihr auf dem Podium: die Soziologin Bettina Kohlrausch und der Ökonom Marcel Fratzscher. Wohlwollend legten die beiden dar, wie wichtig die Pläne seien. Inhaltlich Neues oder konkrete Zahlen hatte die Ministerin aber nicht mitgebracht.

Dabei gäbe es einiges zu diskutieren. Drei Milliarden Euro will Finanzminister Lindner ausgeben. Oder darf es viel mehr sein? Sogar 26 Milliarden Euro pro Jahr würde die Linkspartei gern investieren. „Für zwölf Milliarden Euro gibt es nur eine Sparvariante, aber keinen echten Schutz vor Armut“, sagt die kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heidi Reichinnek.

Ihre Partei würde gerne die Leistungen gemäß dem Existenzminimum erhöhen und außerdem in Infrastruktur für Kinder- und Familienhilfe investieren. Auch Heinz Hilgers sagt: „Zwölf Milliarden Euro sind eigentlich noch nicht mal genug, wir rechnen mit 20 Milliarden für eine echte Kindergrundsicherung, die Armut lindert.“

Das alles wäre zu diskutieren, doch der Prozess stockt. Nur zäh geht es voran in der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Thema. Nach der Sommerpause soll das Gesetzgebungsverfahren beginnen. Spätestens dann wird es ohne Zahlen nicht mehr gehen.

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