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Europa muss dem Nahen Osten näher rücken: Milliarden an Aufbauhilfe sind nicht genug
Geschlossen, entschlossen – die Europäer können dem Gaza-Frieden nur so helfen. Sonst werden sie auf ewig ohne Einfluss bleiben.

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Europa, wo bleibst du? Das Europa, von dem wir träumen: geeint, geschlossen. Die Entwicklung in Nahost hat schmerzlich gezeigt, dass Europa, auch EU-Europa, keine Rolle spielt. Nicht die Franzosen, die Italiener, die Briten, nicht einmal Deutschland.
Schmerzlich ist vielleicht sogar als Wort zur Einordnung nicht genug. Peinlich, das trifft es besser. Es war eine Pein, mit anzusehen, wie sich beim „Friedensgipfel“ in Ägypten die Europäer in die zweite Reihe verfügten. Wo sie auch hingehören. Nur Emmanuel Macron drängte sich nach vorn, aber das ist sein Ego, seine Selbstwahrnehmung.
Da musste erst ein Proto-Autokrat wie Donald Trump aus den USA kommen, zusammen mit einem anderen dieses Schlages, Benjamin Netanjahu, um das Feld für Frieden zu bereiten. Politiker, die demokratische Institutionen wie Justiz, freie Medien, Parlamente schwächen; die Gesetze oder Verfassungsregeln manipulieren, um die eigene Macht zu sichern; die ihre Opposition delegitimieren.
Ischinger spricht von „Ground-Zero-Moment“
Geht es noch schlimmer? Diplomatie-Altmeister Wolfgang Ischinger spricht von einem „Ground-Zero-Moment“. Es ist die Zerstörung auch einer Illusion von Einfluss, von Macht gar nicht erst zu reden.
Und nun? Was bleibt Europa, was Deutschland? Aufkehren, was ist, Zusammenkehren, was sein soll. Das erfordert einiges, immer verbunden mit Anstrengung.
Europa kann – im Willen geeint – zeigen, dass es einen moralischen Kompass hat, zu strategischer und politischer Klarheit fähig ist und allen Gutwilligen unter den Palästinensern gegen radikale, islamistische, terroristische Kräfte zur Seite steht.
Stephan-Andreas Casdorff, Editor-at-Large
Also erstens Hilfe beim Wiederaufbau in Gaza, aber so richtig, mit THW und anderen die Trümmer wegschaffen, Wasserversorgung neu bauen – „hands on“, wie die Amerikaner sagen. Die auch hier das Sagen haben werden. Und dann das Zusammenkehren: Alles tun, was nötig ist, um den Frieden zu sichern.
Die EU kann sich um die Details kümmern
Trump mag keine Details – die EU bekanntlich umso lieber. Sie kann in schriftliche Vereinbarungen fassen, wozu es noch keine gibt. Wie sagt der deutsche Sekretär für Außenpolitisches, Johann Wadephul: „Diplomatische Handwerksarbeit.“
Die großen Fragen jetzt sind ja tatsächlich auch ziemlich praktisch. Wer was und wann nach Gaza liefert, wer die Gesundheitsversorgung wie neu aufbaut, wer die Palästinenser aufnimmt, die den zerstörten Gazastreifen verlassen wollen; wer sich wie mit dem Westjordanland auseinandersetzt – alles das muss geregelt werden.
Berlin wird auf arabischer Seite akzeptiert, einigermaßen
So gesehen kann es nur besser werden. Die Bundesregierung hat bessere Kontakte zur israelischen als etliche andere in Europa, denen Israel ja die Anerkennung von „Palästina“ verübelt; Berlin wird aber auch auf der arabischen Seite akzeptiert. Einigermaßen jedenfalls. Wadephul war zuletzt viel bei ihnen unterwegs.
Immerhin geht es jetzt darum, den ersten Teil des Gaza-Deals anzureichern, die arabischen Staaten mitzunehmen, mit Einfluss und auch mit Geschäftsbeziehungen. Denn Gaza braucht Geld, viel Geld. Die Summe für den Wiederaufbau des zu 80 Prozent – mindestens – zerstörten Gazastreifens sind 50 Milliarden Dollar. Sofern das mal reicht.
Europa kann den gutwilligen Palästinensern zur Seite stehen
Hier kann sich Deutschland, besser aber noch: Europa, verdient machen. Das ist ein Teil der Chance. Europa kann – im Willen geeint – zeigen, dass es einen moralischen Kompass hat, zu strategischer und politischer Klarheit fähig ist und allen Gutwilligen unter den Palästinensern gegen radikale, islamistische, terroristische Kräfte zur Seite steht. Denn es darf nicht geschehen, dass die Hamas noch als Sieger vom Feld geht. Wie sie gefeiert hat! Sie rekrutiert ja auch schon wieder.
Der Nahe Osten heute: Die libanesische Hisbollah enthauptet, so wie die Huthi-Rebellen im Jemen. Das Assad-Regime in Syrien gestürzt, das iranische Atomprogramm aufgehalten, die Hamas in Gaza gestellt.
Dann: Indonesien, das größte muslimische Land der Erde, und Pakistan, das mit der zweitgrößten muslimischen Bevölkerung, sind eingebunden. Die Abraham-Abkommen mit muslimisch-arabischen Staaten können ausgebaut werden.
Darauf lässt sich aufbauen. Europa muss den Friedensprozess wollen. Jeder qualifiziert sich dafür, so gut er kann. Daran hängt die Zukunft des Nahen Ostens – und die von Europa.
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