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Lange Schlangen am Grenzübergang von Russland nach Georgien.

© Foto: AFP

FDP und Grüne für Aufnahme russischer Deserteure: „Diese Menschen haben ein Recht, zu uns zu kommen“

Politiker von FDP und Grünen fordern eine großzügige Aufnahme von russischen Kriegsdienstverweigerern. Damit gehen sie in Konfrontation zum Innenministerium.

Innerhalb der Ampel-Koalition fordern Politiker von FDP und Grünen eine großzügige Aufnahme von russischen Kriegsdienstverweigerern. Damit gehen sie in Konfrontation zur restriktiven Linie des Bundesinnenministeriums. Seit der Teilmobilmachung in Russland in der vergangenen Woche versuchen zahlreiche Männer, sich ins Ausland zu retten, um nicht in die Ukraine geschickt zu werden.

„Das Bundesinnenministerium sollte seine Position überdenken und sie der aktuellen Lage anpassen“, sagte Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprach sich dafür aus, den Russen „ein Angebot zu machen“. Sich nicht an der Mobilmachung zu beteiligen sei eine Aussage gegen Putin. Die Betroffenen hätten „volle Unterstützung und Solidarität“ verdient.

Deutschland sollte aktiv werden und die Menschen erst einmal aufnehmen.

Anton Hofreiter (Grüne)

Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag, sprach sich für die großzügige Aufnahme geflüchteter Russen aus. „Als Deserteur vor der Beteiligung an einem Angriffskrieg zu fliehen, ist ein klarer Asylgrund. Diese Menschen haben ein Recht, zu uns zu kommen, und wir sollten sie aufnehmen.“ Hofreiter plädierte für Absprachen innerhalb der EU. „Die Länder des Baltikums machen sich große Sorgen angesichts der vielen ankommenden Russen. Deutschland sollte aktiv werden und die Menschen erst einmal aufnehmen.“

Das Innenministerium hatte vergangene Woche angekündigt, keine humanitären Visa für die Einreise in die EU an Russen auszustellen, die sich beispielsweise nach Georgien oder in die Türkei geflüchtet haben. Asyl in Deutschland kann aber nur auf deutschem Boden beantragt werden. Dazu zählen die deutschen Botschaften im Ausland nicht.

Strittig ist auch die Frage, wer alles Anspruch auf Schutz haben sollte. Dabei geht es um Russen, die noch keinen Einberufungsbescheid haben, aber fürchten, bald zum Kriegseinsatz verpflichtet zu werden. Einen Asylanspruch gäbe es nach deutschem Recht in diesem Fall nicht.

Hofreiter plädiert dafür, viele Menschen einreisen zu lassen. „Ich wäre großzügig – in dem Versuch, den Krieg zu beenden. Wenn tatsächlich Millionen Russen fliehen wollten, wäre das eine gute Sache, denn dann könnte das System Putin den Kriegskurs nicht aufrecht erhalten.“

Große Belastung vor Ort in den Kommunen

Peter Heidt, menschenrechtspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte, man werde das Vorliegen eines Einberufungsbescheids nicht zur Bedingung für die Aufnahme machen können, da schon jetzt in Russland Menschen mit einem Ausreiseverbot belegt würden, sobald sie einen Bescheid bekämen. Er fordert ebenfalls, das Innenministerium müsse seine Linie revidieren. Gleichzeitig verweist er auf die Belastung der Kommunen, die derzeit teilweise bei der Aufnahme Geflüchteter an ihre Kapazitätsgrenzen gerieten. Die Politik müsse die Lage vor Ort genau beobachten.

Es gibt in der Koalition aber auch Kräfte, die die Linie des Ministeriums stützen. Der Grünen-Parteichef Omid Nouripour sagte am Montag im Deutschlandfunk, man müsse bei der Aufnahme „sehr, sehr vorsichtig“ vorgehen, auch aus Sorge, der russische Geheimdienst könne auf diesem Weg Agenten nach Deutschland bringen. Er sehe die Priorität beim Schutz der vergleichsweise wenigen Dissidenten, also Menschen, die seit langem politisch gegen Putin aktiv sind.

Omid Nouripour, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Omid Nouripour, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.

© Kay Nietfeld/dpa

Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion, sagte, betroffene Russen hätten die Möglichkeit, in deutschen Botschaften ein humanitäres Visum zu beantragen. Darüber müsse wegen Sicherheitsbedenken im Einzelfall entschieden werden. Ähnlich äußerte sich Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Die Europäische Union solle als Ganzes ein Signal senden: „Wir sagen Ja zu jenen, die den Krieg nicht unterstützen.“ Es werde aber über jeden Antrag, sowohl bei Visa als auch beim politischen Asyl, einzeln entschieden. Diese Einzelfallprüfung solle schnell und unbürokratisch erfolgen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts und eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums bekräftigten am Montag in der Regierungspressekonferenz die bisherige Linie. Es müsse eine europäische Lösung geben, Gespräche dazu liefen. Am Montag tagten in Brüssel die 27 EU-Botschafter:innen zum Thema, am Dienstag gibt es voraussichtlich ein weiteres Treffen.

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