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Panikkäufe und Preisexplosionen: Der Kauf von Gasvorräten soll in diesem Jahr anders laufen
Im Sommer machte sich Deutschland bei den EU-Partnern unbeliebt, weil hiesige Unternehmen den Gasmarkt leerkauften. Das soll sich nicht wiederholen.
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Nach dem Winter ist vor dem Winter. Deutschland ist mit gut gefüllten Gasspeichern über die Heizperiode gekommen. Aber nun richtet sich der Blick schon wieder auf die bevorstehende Einkaufssaison für Flüssiggas. Eines scheint bereits sicher: Eine erneute Preisexplosion wie vor einem Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Krieges ist unwahrscheinlich.
Vor Jahresfrist machte sich Deutschland bei den EU-Partnern unbeliebt. Schon bevor Russland die Pipeline-Lieferungen über die Gasröhre Nord Stream 1 im vergangenen August ganz stoppte, hatte sich der Gasfluss verringert. Vor allem deutsche Unternehmen kauften den Gasmarkt im Sommer faktisch leer, um die hiesigen Speicher rechtzeitig zu füllen.
Es gab damals eine nie gekannte Preisrallye in der EU. Im August erreichte Flüssiggas am TTF-Handelspunkt im niederländischen Gasnetz das Niveau von mehr als 340 Euro pro Megawattstunde. Kleinere EU-Länder mit einer geringeren Marktmacht wie Griechenland hatten das Nachsehen.
Die Marktlage spricht dafür, dass in diesem Frühjahr und Sommer Gas zu weitgehend auskömmlichen Preisen beschafft werden kann.
Gregor Pett, Chef-Analyst bei Uniper
Nun beginnt erneut die Speichersaison. Seit 1. April wird in den Speichern wieder mehr eingespeichert als entnommen. Die EU hat aber inzwischen eine Lehre aus dem Verdrängungswettbewerb vom vergangenen Sommer gezogen.
Ende 2022 einigten sich die EU-Staaten auf eine sogenannte Gasnotfallverordnung. Sie sieht vor, dass Unternehmen mindestens 15 Prozent des Speicherbedarfs über eine gemeinsame EU-Einkaufsplattform erwerben müssen. Damit sollen günstigere Preise für alle EU-Staaten ausgehandelt werden.
Auch wenn die Bundesregierung bei den politischen Beratungen in Brüssel einem gemeinsamen Gaseinkauf anfangs skeptisch gegenüberstand, gibt es inzwischen einen festen Willen zur Solidarität. „Ich bin zuversichtlich, dass die gemeinsame Beschaffung von Gas der EU-Mitgliedstaaten gelingen wird“, sagte Bernd Westphal, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, dem Tagesspiegel.
„Einen Überbietungswettbewerb untereinander wird es nicht geben“, prognostizierte er. Zudem sei die gemeinsame Gasbeschaffung ein „wichtiges Signal der Geschlossenheit und Solidarität innerhalb der Europäischen Union“.
Neben der Verpflichtung zur Zusammenarbeit in der EU gibt es aber noch einen anderen Grund, warum Fachpolitiker in Deutschland relativ entspannt dem nächsten Winter entgegensehen: Die Speicher blieben – entgegen den Schreckensszenarien –über den Winter gut gefüllt. Zuletzt betrug der Füllstand in Deutschland nach Angaben des europäischen Gasspeicherverbandes GIE bei 64,1 Prozent. Zudem sind die Gaspreise weit von den Höchstmarken im vergangenen Sommer entfernt.
Dass dies auf absehbare Zeit so bleibt, glaubt zumindest Gregor Pett, Chef-Analyst bei Deutschlands größtem Gasgroßhändler Uniper. Seiner Ansicht nach sprechen die aktuelle Marktlage und die Fundamentaldaten dafür, „dass in diesem Frühjahr und Sommer Gas zu weitgehend auskömmlichen Preisen beschafft werden kann und dass sich aus heutiger Sicht die extreme Preisrallye des vergangenen Jahres nicht wiederholen wird“.
Dies dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, „dass bei Ausfall kritischer Infrastrukturen und bei unerwartet stark ansteigender Nachfrage die Preise im Jahresverlauf auch wieder deutlich steigen können“, sagte Pett.
Wir befinden uns in einer guten Lage.
Energiepolitik-Experte Simone Tagliapietra
Ähnlich sieht es auch Simone Tagliapietra, Energiepolitik-Experte von der Denkfabrik Bruegel in Brüssel. „Wir befinden uns in einer guten Lage“, sagte er. Die gegenwärtige Gasversorgung der EU sei nicht mit der „dramatischen Notfallsituation vor einem Jahr” zu vergleichen.
Unterdessen konzentriert man sich bei der EU-Kommission darauf, den gemeinsamen Gaseinkauf von Unternehmen aus der gesamten EU vorzubereiten. Die Leipziger Plattform Prisma wird derzeit zu diesem Zweck aufgesetzt. Über die Plattform sollen die Unternehmen Verträge mit Gasexportunternehmen – etwa in den USA oder Norwegen – schließen.

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In der gegenwärtigen Phase können Firmen EU-weit ihren Speicherbedarf anmelden. „Unsere Erwartung ist, dass die ersten Verträge zwischen den Unternehmen und den Gasexporteuren wohl vor dem Sommer zustande kommen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission.
Marktkenner warnen allerdings davor, dass die gemeinsame Einkaufsplattform möglicherweise nur geringe Wirkung entfalten könnte – nämlich dann, wenn nicht genug Firmen EU-weit ihren Energiebedarf anmelden.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, der für das Projekt zuständig ist, setzt hingegen auf eine rege Beteiligung von Unternehmen aus besonders energieintensiven Branchen wie dem Zement- oder Stahlsektor. Noch im Verlauf dieses Monats, so die Hoffnung des slowakischen Politikers, soll es eine erste Aufstellung für den gemeinsamen Gasbedarf großer europäischer Unternehmen geben.
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