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Der selbst erklärte „Investitionsminister“ Lars Klingbeil bringt am Freitag das Gesetz für die Finanzierung der Infrastruktur von Ländern und Kommunen in den Bundestag ein.

© imago/Andreas Gora/IMAGO/Andreas Gora

Exklusiv

Geldsegen für die Länderinfrastruktur : Städtebund fordert mindestens 75 Milliarden für die Kommunen

Den Ländern stehen 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zu. Nun bringt Lars Klingbeil sein Gesetz in den Bundestag ein. Rechnungshof und kommunale Spitzenvertreter fordern Nachbesserungen.

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In den Landesregierungen wird schon seit Wochen darüber verhandelt, was man mit dem Geldsegen von 100 Milliarden Euro wohl alles anstellen können. Ob für Brücken, Theater, Sporthallen oder Schulen – zu groß ist der Investitionsstau, zu klamm die Haushalte. Dabei hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) das Gesetz für den Abfluss der Mittel noch nicht einmal in den Bundestag eingebracht.

Am Freitag soll im Plenum erstmalig über das Länder-und-Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz, kurz LuKIFG, diskutiert werden. Zusammen mit den Grünen haben sich Union und SPD im März darauf verständigt, per Kredit und über mehrere Jahre gestreckt 500 Milliarden Euro in die Modernisierung der Infrastruktur und Klimaschutz investieren zu wollen.

Ihre Zustimmung zu den dafür notwendigen Grundgesetzänderungen haben sich die Länder einiges kosten lassen. Schließlich geht ein Fünftel des Sondervermögens an sie, und das zinsfrei, denn auch die Zinszahlungen übernimmt der Bund.

Die Aufteilung der 100 Milliarden soll angelehnt an den Königsteiner Schlüssel erfolgen. Nordrhein-Westfalen erhält mit 21,1 Milliarden Euro am meisten, gefolgt von Bayern mit 15,7 Milliarden. Das bevölkerungsmäßig kleinste Bundesland Bremen erhält mit rund 941 Millionen am wenigsten.

Rechnungshof zerpflückt Gesetzesentwurf

Wofür sie die Mittel ausgeben können, ist dabei fast vollständig ihnen überlassen. Neun Bereiche werden im Gesetz genannt: von Bildungs- und Betreuungs- bis zu Verkehrs-, Wärme- und Wissenschaftsinfrastruktur. Der Bundesrechnungshof hat auch diesen Punkt scharf kritisiert. „Die Förderbereiche sind konturlos und Doppelförderung wird ermöglicht“, heißt es in einem Gutachten, das zu Wochenbeginn an den Haushaltsausschuss übermittelt wurde.

Im Moment haben wir die Befürchtung, dass Bund und Länder mit diesen Mitteln ein Geschäft zulasten Dritter, nämlich der Kommunen, auf den Weg bringen.

André Berghegger, Städte- und Gemeindebund

Darin fordert die Bonner Behörde erhebliche Nachbesserungen. So müsste im Gesetz sichergestellt werden, dass regelmäßig Erfolgskontrollen erfolgen und nur zusätzliche Investitionen gefördert würden. Zudem müssten die Mittel wirtschaftlich, nachhaltig und zielgenau eingesetzt werden.

Städte- und Gemeindebund fordert Quote

Das setzt aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände voraus, dass das Geld vor allem in den Städten und Kreisen ankommt. Schließlich werden über 60 Prozent der öffentlichen Investitionen von ihnen getätigt. Doch anders als noch der erste Gesetzesentwurf sieht der aktuelle keine verpflichtende Quote zur Weitergabe der Mittel vor. Es heißt lediglich, dass „die Länder die Bedürfnisse finanzschwacher Kommunen“ bei der Verteilung „besonders berücksichtigen“ sollen.

Der Städte- und Gemeindebund sieht dadurch Risiken. „Im Moment haben wir die Befürchtung, dass Bund und Länder mit diesen Mitteln ein Geschäft zulasten Dritter, nämlich der Kommunen, auf den Weg bringen“, sagte dessen Hauptgeschäftsführer André Berghegger dem Tagesspiegel. So würden die Länder erkennbar danach streben, „die Mittel für ihre Haushalte zu vereinnahmen“.

„Die Kommunen haben unverändert die klare Erwartung, dass der Löwenanteil der Investitionsmittel für Infrastruktur für dringend notwendige Maßnahmen vor Ort zur Verfügung steht“, sagt Berghegger. „Wir fordern einen Anteil von mindestens 75 Prozent.“ Zudem müssten die Gelder rasch, ohne bürokratische Vorgaben und mit größtmöglicher Flexibilität verfügbar gemacht werden.

Bagger reißen in Magdeburg eine einsturzgefährdete Brücke ein. Mit Milliarden-Investitionen will der Bund die öffentliche Infrastruktur wieder auf Vordermann bringen.

© dpa/Peter Gercke

Ein Vorbild könne das „Konjunkturpaket II“ aus dem Jahr 2009 sei. Mit Finanzhilfen für Länder und Kommunen wurde damals versucht, die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise zu dämpfen und Investitionen in Bildung und Infrastruktur trotz Wirtschaftseinbruch zu fördern. 

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages äußerte sich positiver. „Die Länder haben angekündigt, dass sie die 100 Milliarden Euro nicht nur für traditionelle Investitionen, sondern auch für die Renovierung von Turnhallen und Museen verwenden werden“, sagte Hans-Günter Henneke dem Tagesspiegel: „Das ist auch richtig so, denn vor Ort ist das dringend nötig.“

Zu beobachten ist, dass die Länder mit dieser Kritik unterschiedlich umgehen. In Schleswig-Holstein hatte man sich schon im Juni darauf geeinigt, dass die Kommunen 62,5 Prozent der Mittel erhalten sollen. In Rheinland-Pfalz sind es 60 Prozent, wobei das Land dazu noch Haushaltsmittel von 600 Millionen beisteuert, sodass die Quote auf 72 Prozent steigt. In Magdeburg hat das Kabinett von Reiner Haseloff Anfang September beschlossen, „insgesamt zwei Drittel der auf Sachsen-Anhalt entfallenden Mittel für die kommunale Infrastruktur“ zu verwenden.

Andere Bundesländer halten sich aktuell noch bedeckt. In Baden-Württemberg, Bayern und NRW – an sie fließt rund die Hälfte der 100 Milliarden – hat man sich noch nicht geäußert. Schließlich läuft das Gesetzgebungsverfahren in Berlin noch. Bis Ende Oktober soll es abgeschlossen werden. Spätestens dann müssen die Länder ihren Kommunen reinen Wein eingießen.

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