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Landwirtschaftsminister Özdemir lädt zum Treffen der Agrarminister ein.

© Nassim Rad für den Tagesspiegel

Globales Agrar-Treffen in Berlin: „Wir haben keine kolonialen Absichten“

Bei einem globalen Agrarforum in Berlin geht es um die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln. Agrarminister Özdemir will afrikanische Staaten von den Vorteilen der Zusammenarbeit mit der EU überzeugen.

Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, wie verletzlich die Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln sind. Länder wie Äthiopien, die auch schon vor dem Krieg stark vom Klimawandel betroffen waren, haben seit Kriegsbeginn noch größere Probleme angesichts der Engpässe bei der Lebensmittelversorgung.

Seit Mittwoch veranstaltet das Agrarministerium in Berlin ein viertägiges „Global Forum for Food and Agriculture“ (GFFA), bei dem rund 2000 internationale Vertreter nach Lösungen im Kampf gegen den Hunger suchen wollen. Die Tagung findet zeitgleich zur Internationalen Grünen Woche statt. „Der Welt droht die größte Nahrungsmittelkrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, warnte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).

Eigentlich hat sich die Weltgemeinschaft das Ziel gesetzt, bis 2030 den globalen Hunger zu beenden. Die Vereinten Nationen (UN) haben sich in ihren so genannten Nachhaltigkeitszielen darauf verständigt, alle Formen von Unterernährung zu beenden. Viel Zeit bleibt bis dahin nicht mehr. „Das sind gerade einmal noch acht Ernten“, sagte Özdemir.

Trotz des Ziels der UN steigt die Zahl der Menschen, die weltweit vom Hunger betroffen sind, weiter an. „Seit dem 24. Februar dreht sich die Abwärtsspirale noch schneller“, sagte der Agrarminister mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Zudem nehme die Klimakrise „massiv an Fahrt“ auf.

Die Folgen zeigen sich nicht nur in Regionen wie dem Horn von Afrika, sondern inzwischen auch in Europa. In Frankreich führte beispielsweise die Dürre im vergangenen Sommer dazu, dass die Felder in einigen Regionen nicht mehr bewässert werden durften.

Nach den Worten von Özdemir soll in der Abschlusserklärung der Tagung, bei der rund 80 Agrarminister erwartet werden, insbesondere auf die Rolle der kleinbäuerlichen Landwirtschaft eingegangen werden.

Kleinbäuerliche Betriebe ernährten die Hälfte der Menschheit, erläuterte der Minister. Zudem soll vor allem die Rolle der Frauen in der Agrarwirtschaft gewürdigt werden.

Russland ist als Aggressor zu dem Treffen nicht eingeladen, während China die Einladung abgelehnt hat. Zu den spannendsten Fragen des GFFA-Treffens gehört, ob sich die Teilnehmer am Ende auf eine klare Formulierung zum russischen Angriffskrieg einigen.

Brasilien, Südafrika und Sudan wollten zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Verurteilung des Krieges nicht mittragen, sagte Özdemir vor Beginn der Konferenz.

Wir haben keine kolonialen Absichten.

Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister

Vor seiner Wahl zum brasilianischen Präsidenten hatte Luiz Inácio Lula da Silva erklärt, dass der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj für den Krieg genauso verantwortlich sei wie Kremlchef Wladimir Putin.

Im vergangenen Mai hatte Lula gesagt, es sei unverantwortlich von westlichen führenden Politikern, Selenskyj zu feiern, statt sich auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu konzentrieren. Russland und Brasilien gehören zur Gruppe der BRICS-Staaten, der ansonsten noch China, Indien und Südafrika angehören.

Länder wie Äthiopien, wo nach Angaben der Welthungerhilfe mehr als 22 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben, zeigen das Dilemma vieler afrikanischer Staaten. Äthiopien ist dringend auf Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine angewiesen.

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In der vergangenen Woche hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Besuch in Addis Abeba an der Seite ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna erklärt, dass beide Länder eine ukrainische Getreidespende an Äthiopien mit der Finanzierung und der Organisation des Transports unterstützten. Es war nicht zuletzt der Versuch, schwankende Länder wie Äthiopien von den Vorteilen einer Hinwendung zur EU zu überzeugen.

Özdemir kritisierte, dass die EU und der Westen insgesamt die afrikanischen Länder, Teile Asiens und den westlichen Balkan allzu lang der Einflussnahme durch andere Staaten überlassen hätten. Zwar seien die Europäer dort mit Finanzhilfen präsent – die häufig über dem lägen, was von Russland und China angeboten werde.

„Aber die politische Präsenz hat in der Vergangenheit gefehlt“, sagte er. Dies sei der „wesentliche Hebel“. Inzwischen verändere sich der Blick in den afrikanischen Staaten auf die EU, das passiere aber nicht über Nacht. „Unsere Hilfe ist eine Hilfe auf Augenhöhe, wir haben keine kolonialen Absichten“, so Özdemir.

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