
© dpa/Kay Nietfeld
Grüne im Sinkflug: Schaffen sie es auch dieses Mal wieder nach oben?
Graichen-Affäre, Habecks Heizungsgesetz-Ärger: Die Grünen lässt das nicht gut dastehen, ihre Umfragewerte sinken. Ein vorübergehender Trend? Wie vier Experten das sehen.
Stand:
Der Ärger um das Heizungsgesetz und die Affäre um Staatssekretär Graichen setzen nicht nur Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck zu. Auch seine Grünen sinken in der Gunst der Wähler. Schafft die Partei die Trendwende? Vier Expert:innen geben ihre Einschätzung.
Sie können ihr altes Wahlergebnis halten
Die Grünen hatten ihr Umfragehoch im letzten Sommer. In den ersten Monaten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte das Auftreten von Robert Habeck und Annalena Baerbock für eine hohe Zustimmung zu den Grünen gesorgt. Als einzige der drei Ampelparteien konnten sie von ihrer Regierungsbeteiligung klar profitieren.
Mittlerweile belasten die immer stärker werdenden Auseinandersetzungen innerhalb der Ampelregierung aber auch die Grünen. Seit dem Streit um die Gasumlage bröckeln auch die Werte der Grünen in den Umfragen – langsam aber doch nahezu stetig. Trotzdem: Nach aktuellem Stand könnten die Grünen immer noch ihr altes Wahlergebnis halten, während die Regierungspartner SPD und FDP etwa ein Drittel ihrer Wählerschaft verlieren würden.
Dies liegt daran, dass Klimaschutz nach wie vor für viele zu den drängendsten Problemen im Land zählt und dass trotz aller Auseinandersetzungen den Grünen auf diesem Gebiet am meisten zugetraut wird. Gerade diejenigen, denen der Klimaschutz besonders am Herzen liegt, sehen nach wie vor wenig Alternativen zu den Grünen. Dies dürfte auch den momentanen Abwärtstrend der Grünen begrenzen.
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Wertegeleiteter Pragmatismus würde weiterbringen
Schlechte Umfragewerte sind für Regierungsparteien zur Halbzeit nichts Ungewöhnliches. Bei der Bundestagswahl 2021 holten die Grünen ihr bis dahin bestes Ergebnis im Bund: 14,8 Prozent. Derzeit liegen sie bei Umfragen zwischen 13 und 15 Prozent. Man könnte also sagen: stabil. Nur fühlt es sich nicht so an. Die Grünen sind geradezu achterbahnartige Umfrageverläufe gewöhnt. Vor einem Jahr lagen sie bei 20 Prozent. Dieses Hoch speiste sich wohl aus ihrem wertegeleiteten Pragmatismus zu Beginn des Ukrainekrieges.
Heute wirken ihre Umfragewerte bitter, gerade da die rechtsradikale AfD an ihnen vorbeizieht und ihre Koalition keine Mehrheit mehr bekäme. Sicherlich würde auch heute im Streit um das Gebäudeenergiegesetz etwas wertegeleiteter Pragmatismus helfen, wenn es zum Beispiel um eine einfach verständliche und umsetzbare soziale Abfederung der bevorstehenden Wärmewendekosten geht. Die Grünen haben die Reaktanzen unterschätzt, die entstehen, wenn die Transformation näher an den Alltag der Bürger:innen rückt.
Wird ihr Beitrag zum ökologischen Wandel nicht als Elitenprojekt, sondern als gesamtgesellschaftliches Angebot wahrgenommen, zeigt sich das auch in den Umfragen. Aber auch ein weiterer Dürre-Sommer könnte die Deutschen daran erinnern, dass eine Partei, die die Klimakrise prioritär bekämpfen will, sonntags ihre Stimme verdient.
Solche Phasen hat es schon früher gegeben
Dass Regierungsparteien während der Wahlperiode in den Umfragen und Wahlergebnissen absacken, ist normal. Vergleicht man die Zahlen der Sonntagsfrage mit ihrem Bundestagswahlresultat, sind die Grünen davon auch weniger betroffen als SPD und FDP. Vom „Sinkflug“ kann also nur mit Blick auf den Höhenflug die Rede sein, zu dem sie Mitte letzten Jahres ansetzten.
Solche Phasen hat es bei den Grünen schon früher gegeben. Wie nach der Fukushima-Katastrophe 2011 waren die Umfragewerte situativ bedingt und die Zustimmung daher „unnatürlich“ hoch. Auch jetzt könnte sich die Stimmung schnell wieder zu ihren Gunsten wenden – etwa durch ein extremes Wetterereignis.
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Die handwerklichen Fehler, die den Grünen gerade bei der Wärmewende unterlaufen, zeigen, dass auch sie auf die anstehenden Aufgaben nicht gut genug vorbereitet waren und sind. Dennoch genießen sie beim Thema Klimaschutz weiter eine größere Glaubwürdigkeit als ihre Konkurrenten. Dass sie bundesweit dauerhaft unter 15 Prozent fallen, ist deshalb unwahrscheinlich.
Noch immer schielt die Partei auf das Kanzleramt
Spricht man die Grünen in diesen Tagen auf ihre Umfragen an, scheinen sie gar nicht so unzufrieden. Man stecke im normalen Halbzeittief, heißt es. Veränderung verschrecke die Menschen eben zunächst und überhaupt gebe es ja harte Kampagnen. Da sei man mit 14 bis 16 Prozent doch stabil auf dem Niveau der Bundestagwahl 2021.
Doch dieses Denken schadet den Grünen. Anspruch sollten nicht 14,8 Prozent, sondern 32,6 Prozent sein. Das Wahlergebnis der Grünen in Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann hat gezeigt, wie groß das Potenzial der Partei ist, wenn sie nur genug Vertrauen schafft. Erst wer solche Mehrheiten erringt, kann umfassend gestalten.
Das gelingt jedoch nicht mit Dogmatismus, wie zuletzt bei der Atomkraft, der Reform des Wahlrechts oder dem Heizungsgesetz. Pragmatismus mit dem Ohr bei den Sorgen der Menschen und Politik für die Breite ist gefordert. Noch immer schielt die Partei auf das Kanzleramt, doch dafür muss sie den Kurs wechseln. Dann können auch die Umfragen wieder steigen.
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