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Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil, Saskia Esken sprechen über ihre Beratungen vor dem Willy-Brandt-Haus.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Gute Vorsätze reichen nicht: Schwarz-Rot fehlt beim Klimaschutz der Plan

Union und SPD wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken und uns Bürgern möglichst keine höheren Ausgaben zumuten. Durch ihre aktuellen Pläne bei der Klimapolitik droht aber das Gegenteil.

Ruth Ciesinger
Ein Kommentar von Ruth Ciesinger

Stand:

Was Union und SPD gerade machen, ist durchaus sympathisch, weil weit verbreitet: Zum Geburtstag oder Neujahr, im konkreten Fall zur Koalitionsbildung, fasst man ordentlich gute Vorsätze. Das fühlt sich tatkräftig an und beruhigt das schlechte Gewissen beziehungsweise beunruhigte Bürgerinnen und Bürger.

Doch wenn das Marathontraining dann unterm Jahr nie in den Terminkalender passt, kommt irgendwann der Punkt, an dem der gute Vorsatz an der Realität gescheitert ist. Das droht nun in der Klimapolitik.

Die Verhandler in diesem Bereich haben vor ihre Pläne das Bekenntnis zur Klimaneutralität im Jahr 2045 gesetzt – so, wie es die schwarz-roten Vorgänger unter Angela Merkel beschlossen hatten. Das ist gut. Was fehlt, ist der Plan, wie die neue Koalition dieses Ziel erreichen will.

Dabei gibt es positive Ansätze. Union und SPD wollen zum Beispiel einen Fehler der Ampel vermeiden und künftig stärker auf soziale Gerechtigkeit schauen, Förderprogramme sollen sozial gestaffelt werden. Die Energiewende wird im Kern nicht infrage gestellt.

Falsche Signale bei Wärmewende und Verkehr

Insgesamt aber zeichnet sich ein unambitioniertes Verwalten des Status quo inklusive potenzieller großer Schlupflöcher für noch weniger Klima-Ambitionen ab. Dabei hat der Expertenrat erst im Februar festgestellt, dass schon mit der bisherigen Politik die CO₂-Einsparziele bis zum Jahr 2030 eher nicht zu schaffen sein werden, geschweige denn darüber hinaus.

Fahrzeuge stehen auf der Berliner Friedrichstraße im Stau.

© dpa/Soeren Stache

Gerade bei der Mammutaufgabe Wärmewende und beim Verkehr, wo die Emissionen zuletzt wieder gestiegen sind, senden die wahrscheinlichen Koalitionäre die falschen Signale an Verbraucherinnen und Verbraucher und damit an die Wirtschaft.

Die Union will unbedingt das Heizungsgesetz abschaffen, die SPD schwankt noch. Weil aber Konsens ist, dass Heizen emissionsfrei werden muss, wird ein neues Gesetz vor allem anders heißen – inhaltlich kann sich nicht viel ändern. Vor allem aber kann die Scheindebatte viele Menschen neu verunsichern, wie es jetzt im eigenen Heizungskeller weitergeht.

Gerade weil sich die künftige Koalition die Stärkung der deutschen Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel gesetzt hat, müsste sie jetzt deren CO₂-neutralen Umbau vorantreiben, statt rückwärtsgewandte Signale zu senden.

Ruth Ciesinger, Redakteurin

Beim Verkehr will die Union mit der Pendlerpauschale die Subvention für weite Autofahrten noch erhöhen. Und sie will durchsetzen, dass auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrennermotor zugelassen werden dürfen. Tatsächlich ginge das schon jetzt, nur müssten diese Verbrenner emissionsfrei unterwegs sein und zum Beispiel mit E-Fuels betankt werden.

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Die Autoindustrie strauchelt nicht wegen überambitionierter Klimapolitik, sondern weil sie die Elektrifizierung verschlafen hat und deshalb den chinesischen Markt verliert. Gerade weil sich die künftige Koalition die Stärkung der deutschen Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel gesetzt hat, müsste sie jetzt deren CO₂-neutralen Umbau vorantreiben, statt rückwärtsgewandte Signale zu senden.

Den Bürgern wiederum wollen Union und SPD keine Vorschriften machen und möglichst keine weiteren Kosten zumuten. Das ist verständlich, wird aber in der Praxis schwierig.

Allein schon, wenn SPD und CDU es ernst meinen mit ihrem Ziel, den europäischen Emissionshandel zu stärken. Der würde durch einen CO₂-Preis Heizen und Fahren mit Öl oder Gas in Europa ab dem Jahr 2027 deutlich teurer machen.

Wolfgang Schäuble war 2019 weiter als die CDU heute

Höhere Ausgaben will die künftige Koalition den Wählern und Wählerinnen also nicht zumuten. Die höheren Preise wegzusubventionieren, wäre aber viel zu teuer. Eine Möglichkeit wäre, sehr ernsthaft emissionsarme Alternativen zu priorisieren. Nur liest sich dazu nichts in den Plänen von Schwarz-Rot.

Dagegen liebäugeln CDU und CSU damit, das Treibhausgas-Reduzieren in Teilen ins Ausland zu verlagern, um so die Klimaziele zu erreichen. Abgesehen davon, dass solche Kompensationsprojekte hochumstritten sind: Kein Staat der Welt schafft es aktuell, seine CO₂-Emissionen so massiv zu reduzieren, dass er anderen Ländern etwas „abgeben“ könnte. Und wie sinnvoll ist es, andernorts grüne Infrastrukturen aufzubauen und selbst im fossilen Zeitalter stecken zu bleiben?

Es ist erst sechs Jahre her, dass Wolfgang Schäuble gesagt hat: „Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif“. Noch fallen die aktuellen Pläne der Kanzlerpartei hinter diese Erkenntnis zurück. Aber vielleicht erinnert sich die CDU ja doch noch an die Worte des langjährigen Unterstützers von Friedrich Merz. Denn klar ist: Wer Marathon laufen will, muss runter vom Sofa.

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