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Habeck und Merz bei „Maybrit Illner“: Die Attacken gibt es erst am Ende
Eine Stunde debattieren Vizekanzler Habeck und CDU-Chef Merz im ZDF über Atomkraftwerke, Abschiebungen und Außenpolitik. Doch erst bei der Wirtschaft wird es hitzig.
Stand:
Ganz am Ende tun Robert Habeck und Friedrich Merz das, wofür sie eingeladen wurden. Sie streiten wie die Kesselflicker. Mit erhobenen Zeigefinger und lauter Stimme fallen sich der Wirtschaftsminister und der CDU-Vorsitzende so leidenschaftlich ins Wort, dass sie nicht mehr zu verstehen sind. ZDF-Moderatorin Maybrit Illner hat sichtlich Mühe, ihre eigene Sendung ordentlich zu beenden.
Dabei hatte sich Illner zur Hälfte der Sendezeit offenbar noch Sorgen um ihre Quote gemacht. „Wir müssen aufpassen, dass es jetzt nicht zu freundlich wird“, sagt sie, nachdem Habeck und Merz bei den Themen Außen- und Innenpolitik maximal harmonisch aufgetreten waren.
Habeck versus Merz. Grüne gegen CDU. Ein Duell der Alphamänner wenige Tage vor der Europawahl. So hatte sich das die Redaktion von Illner wohl vorgestellt.
Habeck und Merz duellieren sich seit Wochen
Denn tatsächlich hatten beide in den vergangenen Monaten kaum eine Chance ausgelassen, sich gegenseitig zu kritisieren. In seinen vielen Wahlkampfreden hatte Habeck den CDU-Chef wiederholt persönlich angesprochen. In Hannover etwa kritisierte er die Merz’ Aussage zum Klimaschutz, die Welt werde morgen nicht untergehen.
„Ja sag das mal den Leuten im Saarland, die buchstäblich abgesoffen sind. Was für ein Hohn“, ärgerte sich der Vizekanzler. Bei dem Parteitag der Grünen in Potsdam sprach er Merz erneut direkt an und machte seine Partei wegen ihrer Energiepolitik für die „schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten“ verantwortlich.

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Und auch Merz lässt wenig Chancen aus, sich an Habeck abzuarbeiten. In dieser Woche brachte er einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf den Weg, der herausfinden soll, ob man in Habecks Wirtschaftsministerium 2022 ernsthaft prüfte, ob eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke machbar sei. Der Untersuchungsausschuss zielt voll auf Habecks Integrität, das zeigt schon der Name: Habeck-Akten.
Lange also war die Stimmung zwischen Konservativen und Grünen nicht mehr so unterkühlt. Und doch könnte ausgerechnet nach der kommenden Bundestagswahl das passieren, was unter Angela Merkel 16 Jahre gescheitert ist: Schwarz-Grün. Bei den Grünen, die sich eine Fortsetzung der Ampel nicht einmal vorstellen können, allein schon aus Mangel an Machtoptionen. Und auch Friedrich Merz hat sich die Option bewusst offengelassen. Wer weiß, wie sich die gesellschaftliche Stimmung bis Herbst 2025 verändert.

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Vor allem in der Ukrainepolitik passt schon jetzt kaum ein Blatt zwischen Habeck und Merz. „Es ist in unserem eigenen nationalen Interesse, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verliert“, verteidigt der Vizekanzler die Waffenlieferungen, die ihm nicht leicht fallen würden. Aber Russlands Präsident Wladimir Putin werde nicht aufhören, wenn er in der Ukraine siege.
Auch Merz betont die Notwendigkeit der Waffenlieferungen: „Putin zerstört die europäische Nachkriegsordnung“, sagt der CDU-Chef. Landkarten dürften nicht mit Waffengewalt neu gestaltet werden.
Jeder, der auf diese bestialische Weise die Gesetze dieses Landes verletzt, muss das Land verlassen.
Vizekanzler Robert Habeck will Abschiebungen auch nach Afghanistan.
Überraschende Einigkeit auch beim Umgang mit islamistischen Straftätern, wie dem Attentäter von Mannheim, der am vergangenen Freitag einen Polizisten getötet hatte. „Jeder, der auf diese bestialische Weise die Gesetze dieses Landes verletzt, muss das Land verlassen“, stellt Habeck klar.
Dass er Abschiebungen nach Afghanistan befürwortet, dürfte vielen bei den Grünen bitter aufstoßen. Doch Habeck lässt daran keinen Zweifel. Das „Kleingedruckte“, sagt er über juristische Bedenken, dürfte zu keiner Relativierung führen. Zudem spricht sich Habeck für mehr Befugnisse für die Geheimdienste, mehr Mittel für die Sicherheit und die Schließung des muslimischen Zentrums in Hamburg aus.
Merz stellt humanitäre Hilfe für Afghanistan in Frage
Forderungen, die auch aus dem Mund von Merz zu hören waren. „Hier steht die Sicherheit unseres Landes im Vordergrund“, sagt er über die Abschiebdebatte. Er kritisiert Bedenken von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), dass es ja keine Beziehungen zu den Taliban gebe.
Es gebe sehr wohl Kontakte, etwa für die humanitäre Hilfe, die Deutschland in Höhe von 400 Millionen Euro leiste. „Wieso leisten wir dieses Geld immer noch, obwohl dieses Land nicht bereit ist, die Straftäter zurückzunehmen“, fragt Merz.

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Seinen Frontalangriff auf den Wirtschaftsminister hält sich Merz bis fast zum Schluss auf. Als Illner endlich das Thema Wirtschaft aufruft, geht der CDU-Vorsitzende in die Offensive.
Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen, ist ein einziges Desaster.
CDU-Chef Friedrich Merz hält nichts vom Kurs des Wirtschaftsministers.
„Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen, ist ein einziges Desaster“, sagt Merz und zählt Habecks Versäumnisse auf. Die Ampel-Regierung habe in den zentralen wirtschaftspolitischen Fragen keinen Konsens, das Heizungsgesetz sei verkorkst gewesen, die Kapitalabflüsse aus Deutschland auf Rekordniveau, die Industrie wandere ab.
Und Habeck? Der Wirtschaftsminister würde noch nicht mal mit den Partnern auf EU-Ebene zusammenarbeiten, wirft ihm Merz vor. „Sie sind in den zweieinhalb Jahren ihrer Amtszeit nicht ein einziges Mal im Binnenmarktministerat gewesen. Sie sind nicht ein einziges Mal im Ministerrat für Handelsminister gewesen“, sagt Merz und verweist auf eine parlamentarische Anfrage seiner Fraktion.
Das lässt Habeck wiederum nicht auf sich sitzen. „Ich bin permanent in Brüssel“, sagt Habeck und bietet Merz an, ihm die exekutive Arbeit zu erklären. „Sie waren ja noch nie in einer Regierung“, sagt er säuerlich.
Auch inhaltlich zeichnet er ein anderes Bild. Die wirtschaftliche Lage sei schlecht, aber für die meisten Probleme könne die Ampel nichts. Die Bürokratie, den Fachkräftemangel, die marode Infrastruktur - alles habe man von den Vorgängerregierungen geerbt. „Diese Regierung hat begonnen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, sagt Habeck.
Doch tatsächlich bringt Merz ihn an dieser Stelle in die Defensive. Denn Habecks Plan, die Wirtschaft klimaneutral umzubauen und gleichzeitig Schlüsselbereiche, wie die Chip- und Halbleiterindustrie anzusiedeln, droht am Geldmangel zu scheitern. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will partout nicht an die Schuldenbremse.
Auch Merz hält - anders als zahlreiche CDU-Ministerpräsidenten - an der Schuldenbremse fest. Doch als die Diskussion endlich zu diesem zentralen Punkt kommt, ist die Zeit der Sendung abgelaufen. Warum Illner nicht früher auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik kommt, bleibt wohl ihr Geheimnis. Über zu wenig Streit kann sie sich am Ende jedenfalls nicht beschweren.
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