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Härtetest für den Kanzler: Merz zwischen Ukraine-Deal und Renten-Zoff
Am Mittwoch muss Bundeskanzler Friedrich Merz in der Generaldebatte zum Haushalt 2026 im Bundestag reden. Der Druck könnte größer nicht sein.
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Wenn Friedrich Merz an diesem Mittwoch gegen 9.30 Uhr, nach einer vermutlich schneidend scharfen Generalattacke von Oppositionsführerin Alice Weidel (AfD), ans Rednerpult des Bundestages treten wird, steht er vielleicht unter Druck wie zuletzt nach seinem ersten gescheiterten Kanzler-Wahlgang im Mai. Nicht nur die eigene Fraktion wird genau beobachten, wie sich Merz angesichts der vielen Kräfte zehrenden Konflikte in der Generaldebatte zum Haushalt 2026 schlagen wird.
Der Kanzler, am Dienstag aus Südafrika und Angola zurückgekehrt, befindet sich inmitten hoch komplizierter und für die Zukunft Europas womöglich entscheidenden Ukraine-Verhandlungen und einem innerparteilichen Kräftemessen, wie es die CDU lange nicht mehr erlebt hat.
Wie sich Europäer, Ukrainer und Amerikaner über ein mögliches Ende von Russlands Aggressionskrieg verständigen werden, ist dabei völlig offen. Und gleiches gilt für den Zoff um das schwarz-rote Rentenpaket, dem mindestens 18 Abgeordnete aus der CDU/CSU nicht zustimmen wollen. Genau deshalb steht die Kanzler-Mehrheit bisher nicht, und Merz muss eine eigene Mehrheit für die Rente finden. Derweil erhöht die SPD den Druck, indem Fraktionschef Matthias Miersch eine Abstimmung in der kommenden Woche ankündigt.
Dem Kanzler steht das Wasser bis zum Hals.
Ein Mitglied der CDU-Führung
„Dem Kanzler steht das Wasser bis zum Hals“, sagt einer aus der Führung der CDU, „die Nervosität in der CDU ist groß.“ Der Renten-Zoff nämlich ist nicht, wie üblich, ein Konflikt zwischen Schwarz und Rot, sondern eine interne Auseinandersetzung. Mit der Jungen Gruppe, den unter 35-jährigen Unionsabgeordneten, stellt sich ausgerechnet Merz’ einst treuester Fan-Club gegen den Kanzler, und nebenher gegen Fraktionschef Jens Spahn. „Alle in der Partei sind super angespannt“, heißt es in der CDU-Führung. Wie das Rentenproblem gelöst werden kann, wo die SPD stur nichts ändern will? Vollkommen offen.
Wenig Aussicht auf Friede, Freude, Eierkuchen
Am Donnerstagabend, im Koalitionsausschuss, soll das Rentenpakte abermals beraten werden. Die SPD spiele das Renten-Thema wie eine Art Rückspiel für ihr Scheitern mit der umstrittenen Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf – so sieht es mancher in der Union. Die Erwartung, dass nach einem möglichen Ja des Bundestages zu den Gesetzen von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) Friede, Freude, Eierkuchen bei Schwarz-Rot einkehrt, ist gering. „Selbst wenn der Bundestag nächste Woche das Rentenpaket verabschieden sollte, so wird das Spannungen in der Koalition hinterlassen“, heißt es vielmehr in der CDU.
Mit den Ukraine-Verhandlungen steht Merz erst recht unter Druck. Beim G-20-Gipfel in Südafrika und beim EU-Afrika-Gipfel in Angola in den vergangenen Tagen hat der Kanzler mit diversen Amtskollegen beraten, wie das Schlimmste rund um den 28-Punkte-Plan der USA verhindert werden kann.
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Kluger Staatsmann oder trauriger Kurzzeit-Kanzler?
Mit seinem außenpolitischen Berater Günter Sautter, der jüngst mit Europäern, Kiew und Washington in Genf zusammen saß, stand er in Dauer-Kontakt. Am Thema Ukraine könnte sich entscheiden, wie Merz einst in die Geschichtsbücher eingehen wird, als kluger Staatsmann oder trauriger Kurzzeit-Kanzler.
Zu allem Überfluss treiben den Kanzler noch weitere Themen an. Am Donnerstag, im Koalitionsausschuss, erwartet die Union eine Klärung zum Verbrennerverbot. „Entscheidungsreif“ sei das Thema, heißt es in der CDU/CSU. Auch das geplante Heizungsgesetz solle besprochen werden; laut Koalitionsvertrag soll das Heizungsgesetz der Ampel „abgeschafft“ werden.
Ja des Bundesrats zu mehr Geld für Pendler steht infrage
Doch selbst für den Fall, dass CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss einige gordische Knoten lösen, blieben Unsicherheiten. So ist etwa vollkommen offen, ob der Bundesrat dem Entlastungspaket von Schwarz-Rot zustimmen wird. Damit steht etwa die Senkung der Gastro-Steuer und die erhöhte Pendlerpauschale in den Sternen. Die Entscheidung fällt womöglich erst am 19. Dezember, wenn die Länderkammer das nächste Mal tagen wird.
Just an diesem Tag tagt nicht nur der Europäische Rat, sondern auch die Mitgliederversammlung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Was sich nach business as usual anhört, wird zu einer echten Machtprobe für den Kanzler. Merz nämlich will als Nachfolger des KAS-Vorsitzenden Norbert Lammert den mächtigen Chef der NRW-CDU, den Bundestagsabgeordneten Günter Krings, durchsetzen. Gegen ihn aber kandidiert eine Vorgängerin von Merz, Ex-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Gewählt wird bei der angesehenen Denkfabrik KAS in geheimer Wahl. Das Amt des Vorsitzenden der Stiftung mit ihren zahlreichen Büros im In- und Ausland und vielen Experten gilt als prestigeträchtig. Lammert hinterlässt große Fußspuren. Sollte sich „AKK“ am 19. Dezember gegen den Kandidaten des Kanzlers durchsetzen, wäre das ein Misstrauensvotum der eigenen Leute gegen Merz – in der Union bisher eher unüblich. Aber derlei Gewissheiten sind dahin in diesen Zeiten.
Das gilt wohl erst recht für 2026. Womöglich gehen dem Kanzler im kommenden Jahr, etwa nach den Ost-Wahlen im September, einige Parteifreunde von der Fahne. Die Debatte über eine Minderheitsregierung der Union, geduldet von der AfD, hält unter einzelnen CDU-Mitgliedern, etwa in den sogenannten sozialen Medien schon jetzt seit Wochen an.
Sie könnte erheblich an Fahrt gewinnen. Merz sprach dazu kürzlich ein Machtwort, was in Teilen der CDU sehr gut ankam. Beendet aber ist die Debatte mitnichten. In den CDU-Landtagsfraktionen im Osten sitzen einige Abgeordnete, die die „Brandmauer“ infrage stellen. Das wirft die Frage nach einer Minderheitsregierung auf. Je stärker die AfD 2026 wird, desto größer der Druck auf jenen Mann, der sie vor vielen, vielen Jahren „halbieren“ wollte.
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