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Politik: Hoffnung auf den eleganten Abgang

Wie kann der Kanzler das Misstrauen gegen sich organisieren, ohne das Gesicht zu verlieren?

Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sucht nach einem eleganten Weg, am 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, eine Niederlage einzustecken und so den Weg zu Neuwahlen freizumachen. Offenbar hat er ihn noch nicht gefunden. Denn so einfach, wie es sich Helmut Kohl (CDU) 1982 gemacht hat, ist der Weg nicht mehr.

Kohl hatte damals noch den Etat für das Jahr 1983 abstimmen lassen und konnte sich auf eine komfortable Mehrheit verlassen. Bei der Vertrauensfrage am Tag darauf enthielten sich dann die 248 Abgeordneten von Union und FDP. Bei acht Ja-Stimmen und 218 Nein-Stimmen scheiterte Kohl damals. Und wie er es sich gewünscht hatte, löste Bundespräsident Karl Carstens den Bundestag auf.

Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht aber Hürden gegen eine solche „unechte Vertrauensfrage“ aufgebaut. Wie Schröder diese überwinden kann, ohne das Gesicht zu verlieren, scheint in der SPD nach wie vor ungeklärt zu sein. Die „Berliner Zeitung“ berichtete unter Berufung auf „Parteikreise“, das Verfahren solle bis Ende dieser Woche geklärt sein. Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier suche nach einer Lösung, bei der weder eine einzelne Fraktion noch ein einzelner Block innerhalb einer Fraktion die Last des Misstrauensbekenntnisses zu tragen hätte. Keine einfache Aufgabe. Denn so unkompliziert, wie es sich der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Hugo Klein im „Handelsblatt“ vorstellt, ist das Problem politisch nicht zu lösen. Klein hatte vorgeschlagen, die Vertrauensabstimmung freizugeben. „Eine Hand voll SPD- Abgeordneter ist mit diesem Kanzler unzufrieden. Wenn man es denen überlässt, reinen Herzens abzustimmen, wird kein Verfassungsgericht daran Anstoß nehmen.“ Das mag für die Gerichte stimmen, aber nicht für die Wähler. Denn dann würde die Vertrauensfrage genau das, was sie eigentlich auch ist: ein Beweis, dass Schröder für seine Politik keine Mehrheit in der eigenen Partei mehr hat – und damit die denkbar schlechteste Ausgangslage für den Wahlkampf.

Kein Wunder, dass die SPD Ende vergangener Woche verzweifelt versucht hat, den Grünen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Würde der Kanzler die Vertrauensfrage mit der Zustimmung zur geplanten Senkung der Unternehmensteuern verbinden, der die Grünen nur zustimmen wollen, wenn sie solide gegenfinanziert ist, könnte er dem kleineren Koalitionspartner die Verantwortung für seinen Sturz anlasten. Für die SPD wäre das die einzig elegante Lösung. Für die Grünen wäre es eine politische Katastrophe, weshalb Spitzengrüne auch gleich klargestellt haben, dass sie sich darauf nicht einlassen werden. Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Wenn die SPD die Neuwahl will, muss die SPD sie organisieren.“ Aus Kreisen der Grünen-Fraktion heißt es, man werde zur Not „dem größten Blödsinn zustimmen“, um nicht am Kanzlersturz schuld zu sein.

Also bleiben noch zwei plausible Varianten. Entweder die vier treuesten der treuen Gefolgsleute Schröders aus beiden Koalitionsparteien enthalten sich und sprechen anschließend darüber. Mit dem Risiko, dass Bundespräsident Horst Köhler keine ausreichende Basis für die Auflösung des Parlaments sieht. Oder die Fraktionschefs der beiden Regierungsparteien gucken sich vier Abgeordnete der hinteren Reihen im Bundestag aus und verpflichten diese, sich zu enthalten, oder sogar gegen den Kanzler zu stimmen. Rot-Grün verfügt über eine Mehrheit von vier Stimmen. Um das echt aussehen zu lassen, dürften diese dann eher nicht über ihr Verhalten sprechen. Aber alle wichtigen Abgeordneten müssten ihre Kanzlertreue wohl auch öffentlich beschwören.

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