zum Hauptinhalt
Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Treffen mit Donald Trump 2017 in Washington

© Jonathan Ernst/REUTERS

Impf-Politik für Deutschland: Was Merkel von Trump hätte lernen können

In Deutschland und der EU wurden in puncto Impfstoff zu viele Fehler gemacht: zu wenig Geld stand zu spät zur Verfügung. Aber das ist noch nicht alles.

Ach herrje, wenn es in der Corona-Krise doch nur mehr politische Führung gegeben hätte. Leadership, wie die Amerikaner und Briten sagen. Und zwar in der EU wie in Deutschland. Denn, apropos Leadership: Man kann von Donald Trump und Boris Johnson aus vielerlei Gründen wenig bis nichts halten – aber in Sachen Impfen haben sie es wohl richtig gemacht, an ihrem Willen keinen Zweifel zu lassen. Was die Sache umso schmerzlicher macht.

[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräteherunterladen können.]

Also, nur mal so, zur Vergegenwärtigung: Am 29. April vergangenen Jahres – wohlgemerkt – berichtet „Bloomberg“ von der „Operation Warp Speed“, mit der der damalige Präsident Trump schnellstmöglich für einen Impfstoff sorgen will. 8,3 Milliarden Dollar werden investiert, um den Vereinigten Staaten einen funktionierenden Impfstoff zu beschaffen.

Am 17. Mai 2020 bestellt Premier Johnson 100 Millionen Dosen für Großbritannien bei Astrazeneca, die USA ziehen nach und sichern sich 300 Millionen. Im Gegenzug unterstützen sie das Unternehmen mit umgerechnet einer Milliarde Euro.

Und Deutschland? Die EU? Gesundheitsminister Jens Spahn trommelt früh, im Mai, Amtskollegen der EU für eine Impfunion zusammen – wird aber von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgepfiffen. Die will, dass die Impfstoffbestellung EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überantwortet wird.

Gesagt, getan, mit dem Ergebnis, dass – nur beispielsweise – Biontech/Pfizer der EU zwar im Juli 2020 ein Angebot zum Kauf von 500 Millionen Impfdosen macht. Die aber antwortet nicht mit einer Bestellung, sondern kommt damit erst vier Monate später, im November, und will nur gut 300 Millionen Dosen. Die Briten dagegen bestellen sofort 30 Millionen, die USA sogar 600 Millionen Dosen.

Und wenn Spahn keinen unterwürfigen Brief hätte schreiben müssen?

Da hat Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident, vollkommen recht, jetzt Forderungen auch der FDP zu unterstützen, dass der Bundestag sich schon bald mit einer Fehleranalyse befasst. Denn inländisch wie europäisch sind etliche gemacht worden, wie sich inzwischen – leider – herausgestellt hat. Viel zu wenig Geld, im Vergleich, wurde viel zu spät zur Verfügung gestellt; und dann hat es gefühlt ewig gedauert, bis die EU tatkräftig wurde.

Was wäre möglich gewesen, wenn Kanzlerin Merkel, statt von Minister Spahn einen unterwürfigen Brief an von der Leyen zu verlangen, sich hinter dessen Initiative gestellt hätte? Oder wenn sie der Kommissionspräsidentin persönlich unmissverständlich klar gemacht hätte, was sie für ihr Entgegenkommen erwartet: Aktion, sofort.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wäre das Argument gewesen, das Geld sei zu knapp, 2,7 Milliarden reichten nicht, hätte sich Merkel auch für sechs weitere aus dem deutschen Haushalt in die Bresche werfen können. Um selber Tempo zu machen, Stichwort Warp.

Eine Art Zwischenfinanzierung, nach dem Motto: Das Geld hole ich mir schon noch in den Beratungen zurück. Oder es als Schenkung zu deklarieren, weil Deutschland doch sowieso immer vorgeworfen wird, am meisten von Europa zu profitieren und dafür dann zu wenig (zurück) zu geben.

Gute Europäerin sein und zugleich zupackende Regierungschefin, das schließt sich nicht gegenseitig aus. Und Führung nach Art von, sagen wir, Helmut Schmidt, auch nicht. Oder von Helmut Kohl. Oder Leadership, wenn man nach Amerika blickt und nicht mehr auf Donald Trump, sondern auf Joe Biden. Der verspricht 150 Millionen Impfungen in seinen ersten 100 Tagen; das ist mal eine geschwinde Ansage. Jetzt ist es, wie es ist. Angela Merkel auf der Zielgeraden ihrer Kanzlerschaft ändert sich nicht mehr; es ändert auch an der Lage nichts mehr.

Zur Startseite