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Israel zieht an der libanesischen Grenze Panzer zusammen, um einen angedrohten Angriff der islamistischen Hisbollah-Miliz abwehren zu können.

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Update

Israel gegen die Hisbollah: So hoch ist die Kriegsgefahr tatsächlich

Die Schiitenmiliz Hisbollah droht Israel - und feuert jetzt mit Raketen auf den jüdischen Staat. Gerät der Konflikt außer Kontrolle?

Israels Armee ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Berichten zufolge dürfen Soldaten in Kampfeinheiten vorerst keinen Urlaub machen. Der Grund: Israel befürchtet einen Angriff der libanesischen Hisbollah - vor allem auf militärische Ziele.

Deren Anführer Hassan Nasrallah hatte in den vergangenen Wochen mehrfach dem jüdischen Staat gedroht. Und am vergangenen Sonntag legte er dann nach: „Netanjahu, du und deine Armee wissen, dass wir keinen Spaß machen. Ich sage den Soldaten an Israels Grenze, steht bereit und wartet auf uns.“

Am Sonntag spitzte sich die Lage zu. Aus dem Libanon seien mehrere Panzerabwehrraketen in Richtung eines Militärstützpunkts gefeuert worden, teilte die israelische Armee mit. Diese antwortete nach eigenen Angaben mit Angriffen auf Ziele im Süden Libanons.

Nasrallahs Poltern hatte einen konkreten Anlass. Kurz zuvor war eine Drohne auf das Dach eines Medien-Zentrums der Hisbollah in einem südlichen Vorort der Hauptstadt Beirut gefallen, explodierte und richtete erheblichen Schaden an. Die Schiitenmiliz wirft Jerusalem vor, hinter dem Angriff zu stecken – es wäre der erste auf libanesischem Boden seit Jahren. Libanons Präsident Michel Aoun sprach umgehend von einer „Kriegserklärung“.

Das dürfte Israel aber kaum irritieren. Der britischen Tageszeitung „The Times“ zufolge sollten nämlich mit den Drohnen bestimmte Container attackiert werden, in denen sich Maschinen zum Mischen von hochwertigem Treibstoff für zielgenaue Lenkflugkörper befunden haben.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah schwört Israel Rache für den Drohnenangriff.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah schwört Israel Rache für den Drohnenangriff.

© AFP

Die israelischen Streitkräfte äußerten sich nicht zu dem Vorfall, warfen aber dem Iran vor, zusammen mit der Hisbollah in den vergangenen Monaten verstärkt Raketen zu Präzisionswaffen umzubauen. Damit würde die Gefahr für die Bürger des jüdischen Staates nochmals steigen.

Die Hisbollah – erklärter Feind Israels - verfügt nach Einschätzung von Beobachtern bereits über mehr als 120.000 Raketen mit unterschiedlicher Reichweite. Zudem setzen die Islamisten auf „Terrortunnel“, also unterirdische Gänge, die weit in israelisches Gebiet reichen.

Die Hisbollah gilt als hochgerüsteter verlängerter Arm des Mullah-Regimes in Teheran. Seit Jahren versucht der Iran, seine Macht ihm Nahen Osten auszuweiten und nutzt dafür verbündete Stellvertreter. Dazu gehört nicht nur die Hisbollah, sondern auch die Hamas in Gaza und Schiiten-Gruppen im Irak. Israel befürchtet außerdem, dass sich pro-iranische Kampfeinheiten auf syrischem Boden festsetzen, um von dort aus den jüdischen Staat anzugreifen.

Teherans Schattenkrieger

Erst vor wenigen Tagen hat Israels Armee nach eigenen Angaben durch einen Militärschlag in Syrien einen Angriff verhindert. Schiiten-Einheiten sollen geplant haben, mit Sprengstoff beladene Drohnen nach Israel zu fliegen. Bei dem Präventivschlag wurden auch zwei libanesische Kämpfer getötet. Sie sollen enge Verbindungen zu den iranischen Al-Quds-Brigaden gehabt haben. Genau das alarmiert die Verantwortlichen in Jerusalem.

Denn Teherans Eliteverbände sind für Operationen im Ausland zuständig und werden vom Qassem Soleimani befehligt. Er ist so etwas wie Irans graue Eminenz und taucht auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens immer dann auf, wenn es aus Teherans Sicht militärisch geboten ist.

Qassem Soleimani kommandiert die iranischen Al-Quds-Brigaden. Sie gelten als Eliteeinheit der Revolutionsgarden.
Qassem Soleimani kommandiert die iranischen Al-Quds-Brigaden. Sie gelten als Eliteeinheit der Revolutionsgarden.

© picture alliance / dpa

Der Kommandeur ist auch derjenige, der den Auftrag hat, den Einflussbereich der Islamischen Republik auszuweiten. Das Ziel: ein „schiitischer Halbmond“. Gemeint ist damit eine Landverbindung von Teheran über Bagdad und Damaskus bis nach Beirut.

Und Soleimani hat Israel schon mehrfach den Krieg erklärt. Nach dem Drohnenangriff twitterte der General: Diese verrückten Aktionen sind die letzten Schritte des zionistischen Regimes. Israel Premier Benjamin Netanjahu warnte prompt, Soleimani und der Iran sollten sich in Acht nehmen. Sie genössen nirgendwo Immunität.

Netanjahu steckt derzeit mitten im Wahlkampf. Am 17. September stimmen die Israelis über ein neues Parlament ab. Beobachter verweisen darauf, dass die derzeitige Lage dem Chef des rechtsgerichteten Likuds zugutekommen könnte, weil er sich als Beschützer seines Landes präsentieren könne.

Eskaliert die Konfrontation zum Krieg?

Doch wie hoch ist die Kriegsgefahr tatsächlich? „Hisbollah-Chef Nasrallah hat sich selbst fast keine andere Chance gelassen, als zu handeln, nach seiner aggressiven Rede“, analysiert Assaf Orion, ehemaliger Brigadegeneral und Sicherheitsexperte am Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv.

An einer Eskalation der Lage dürften aber weder Israel noch die Schiitenmiliz Interesse haben. „Beide wissen, dass sie im Falle eines Kriegs noch nicht da gewesene Verluste hinnehmen müssten. Israel würde massive Schläge auf Zivilisten und Infrastruktur erleiden“, sagt Orion. „Und der Libanon könnte in wenigen Wochen schlimmer aussehen als Syrien nach Jahren des Krieges.“

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