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Auf diesem vom ZDF zur Verfügung gestellten Bild spricht die Richterin Frauke Brosius-Gersdorf in der Talk-Sendung „Markus Lanz“ mit dem Moderator.

© dpa/MARKUS HERTRICH

Juristin Brosius-Gersdorf erklärt sich bei Markus Lanz: Morddrohungen, eine schlaflose Nacht und ein möglicher Rückzug

Die Rechtsprofessorin, deren Wahl zur Verfassungsrichterin am Freitag scheiterte, hat sich am Dienstag ausführlich bei Markus Lanz geäußert. Hier die wichtigsten Aussagen.

Stand:

Die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, deren Wahl zur Verfassungsrichterin am Freitag wegen eines Streits um ihre politischen Positionen scheiterte, ist nach eigenen Angaben bedroht worden. Die Frage, ob sie auch Morddrohungen bekommen habe, bejahte sie am Dienstag in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.

„Ja, wir haben Drohungen bekommen, ich vor allem, per E‑Mail, Poststücke mit verdächtigem Inhalt, die an meinen Lehrstuhl gesendet wurden“, sagte Brosius-Gersdorf.

Wegen der Drohungen habe sie ihre Mitarbeiter vorsorglich bitten müssen, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten, sagte die Juristin, die an der Universität Potsdam einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht innehat.

Zugleich wies Brosius-Gersdorf in der ZDF-Sendung erneut die Behauptungen zurück, sie sei linksradikal. „Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft“, sagte sie. Die Debatte um ihre Wahl halte sie für gefährlich.

Zuvor hatte Brosius-Gersdorf bereits in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, die Vorwürfe gegen sie seien „diffamierend“ und „falsch“. Vielmehr zeigten ihre wissenschaftlichen Positionen „ein Bild der demokratischen Mitte“. Auch die Berichterstattung über sie kritisierte die Juristin als „unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“.

Die Juristin antwortete sichtlich angefasst auf die Frage von Markus Lanz nach ihrem Befinden: „Es geht mir den Umständen entsprechend. Das ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen, nicht an mir, nicht an meinem Mann und nicht an meinem sozialen Umfeld.“ Zu Lanz in die Sendung sei sie gegangen, um sich zu erklären. Über sie sei „unsachlich“ und „falsch“ berichtet worden. Sie bezeichnete die Vorwürfe als „infam“.

Besonders habe sie die Aussage des Bamberger Erzbischofs Herwig Gössl betroffen gemacht. Er hatte am Sonntag in seiner Predigt gesagt: Er wolle sich nicht vorstellen, „in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet.“

Die Juristin kritisierte auch die Medien für einzelne Berichte, unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die als eine der ersten über die Kritik an Brosius-Gersdorf in der Union berichtet hatte. Ihre Positionen seien dort verkürzt und verzerrend wiedergegeben worden.

Anfang Juni habe sie die erste Anfrage der SPD bekommen, ob sie Richterin am Bundesverfassungsgericht werden wolle. Nach einem Tag Überlegung habe sie zugesagt und sich auch geehrt gefühlt. Danach habe sie sich auch im Ausschuss für die Richterwahl erklärt. Erst in der vergangenen Woche habe sie die zunehmende Kritik wahrgenommen.

Am vergangenen Freitagfrüh erfuhr sie dann aus dem „Tagesspiegel“ über die Plagiatsvorwürfe gegen sie. Diese nannte die Union offiziell als Grund, warum sie die Richterwahl verschieben lassen wollte. Brosius-Gersdorf sei damit nicht mehr über jeden fachlichen Zweifel erhaben gewesen, lautete das Argument. Für den Mittwoch kündigte die Juristin eine Erklärung einer Anwaltskanzlei an, die sie mit der Überprüfung der Plagiatsvorwürfe beauftragt hat.

Ihr Ziel sei am Freitag nach einer „schlechten Nacht“ nur noch gewesen, „den Tag zu überleben“. Auf die Frage von Lanz, wie es nun konkret weitergehe, antwortete sie, dass sie es nicht genau wisse. Einerseits sei die „letzte Zeit sehr belastend“ gewesen, sagte sie. Andererseits habe sie „tausende Zuschriften bekommen“, die sie aufgefordert hätten, nicht zurückzustecken, weil sich sonst eine politische Kampagne gegen sie durchgesetzt hätte.

Auch zu ihrer besonders viel diskutierten Position zum Schwangerschaftsabbruch äußerte sie sich. Sie habe „nie gesagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt möglich ist“, betonte sie. Sie argumentiere schlicht dafür, den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren. Bisher ist er straffrei, aber eben nicht legal.

Eine Legalisierung würde dazu führen, dass die Krankenkassen einen Schwangerschaftsabbruch bezahlen müssten. Ansonsten würde sich zur geltenden Praxis nichts ändern, sagte sie. Die Juristin sah sich damit sogar im Einklang mit dem Schwarz-Roten Koalitionsvertrag.

Markus Lanz fragte sie auch, ob ihre umstrittene Kandidatur das Bundesverfassungsgericht beschädige. „Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten“, sagte sie. „Das ist ein Schaden, den will ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich für eine Regierungskrise in diesem Land sein.“

Sie bleibt unsere Kandidatin.

Sonja Eichwede, Vize-Chefin der SPD-Fraktion

In den ARD-„Tagesthemen“ hatte der Professor für Öffentliches Recht an der BSP Business & Law School in Berlin, Alexander Thiele, seine Kollegin zuvor in Schutz genommen. Brosius-Gersdorf sei durch „haltlose Diffamierungen und Anfeindungen in der Öffentlichkeit schlecht gemacht worden“ und „vom politischen Rahmen nicht hinreichend geschützt worden“, kritisierte Thiele.

Die Einstufung der Juristin als linksaktivistisch sei „spiralförmig immer höher geschraubt“ worden, „bis sie als unwählbar, undemokratisch und als Angriff auf das Fundament unserer Verfassungsordnung“ gegolten habe. Dem müsse man „dezidiert widersprechen“, betonte Thiele.

Die SPD will derweil an der Kandidatur von Brosius-Gersdorf festhalten. Die Richterin und Vize-Chefin der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede, sagte dem Nachrichtenmagazin „Table.Briefings“ am Dienstag, Frauke Brosius-Gersdorf sei eine herausragende Staatsrechtslehrerin mit ausgezeichnetem wissenschaftlichen Renommee. „Sie bleibt unsere Kandidatin.“

Kanzler Friedrich Merz hatte im ARD-Sommerinterview am Sonntag betont, dass es bei der Wahl der Richter für Karlsruhe keinen Zeitdruck gebe. Zum Vorschlag aus der SPD, dass Brosius-Gersdorf sich den Fragen der Union stellen könnte, sagte Merz: „Ich werde das mit der SPD in Ruhe besprechen.“ Der Kanzler versicherte: „Wir werden versuchen, für die nächste Runde gute Mehrheiten zu bekommen.“

Bär verteidigt Kritik an der Richterin

Bundesforschungsministerin Dorothee Bär äußerte Verständnis für die Bedenken von Unionsabgeordneten gegen die Kandidatin und legte der Richterin nahe, ihre Kandidatur zu überdenken. „Wir haben lauter mündige Abgeordnete, und wenn die sagen, ich kann mit meinem Gewissen Frau Brosius-Gersdorf nicht wählen, dann akzeptiere ich das, dann respektiere ich es und dann erwarte ich aber auch von der Kandidatin, dass sie mal für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist“, sagte die CSU-Politikerin in der ARD-Talkshow „Maischberger“.

Die 54-Jährige Brosius-Gersdorf steht seit vergangener Woche im Mittelpunkt einer beispiellosen Auseinandersetzung um die Besetzung von Richterposten bei Deutschlands höchstem Gericht. Nachdem die Unionsführung zunächst grünes Licht für ihre Wahl zusammen mit zwei weiteren Bewerbern gegeben hatte, zogen CDU/CSU am Freitag die Notbremse und forderten den Koalitionspartner SPD auf, die Kandidatur von Brosius-Gersdorf zurückzuziehen.

Daraufhin musste im Bundestag die Neubesetzung aller drei Richterposten von der Tagesordnung genommen werden. Der Streit ist eine schwere Belastung für die erst seit Mai amtierende schwarz-rote Regierungskoalition. (mit Agenturen)

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