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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will das Verbrenner-Aus auch beim EU-Gipfel in Kopenhagen nächste Woche thematisieren. 

© dpa/Rolf Vennenbernd

Kanzler will Verbrenner-Aus kippen: SPD und Grüne kritisieren Merz – „verunsichert die Wirtschaft“

Erstmals hat sich der Bundeskanzler klar für die Rücknahme des für 2035 geplanten Verbrenner-Aus ausgesprochen. Bei SPD und Grünen wirft man ihm vor, damit die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Stand:

SPD und Grüne haben mit scharfer Kritik auf die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reagiert, das für 2035 von der EU geplante Verbrenner-Aus kippen zu wollen. „Wer den Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner infrage stellt, gefährdet die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und verunsichert die Wirtschaft“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, dem Tagesspiegel.

Eine Politik, die die Zukunft unserer Industrie im Blick hat, muss den Blick nach vorne richten und pragmatisch handeln, anstatt eine kurzsichtige Rolle rückwärts zu machen.

Cem Özdemir, Grünen-Politiker und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026

Das Datum 2035 füge sich in das System der deutschen und europäischen Klimaziele ein. „Was wir nicht gebrauchen können, ist Planungsunsicherheit“, sagte Roloff. „Unsere Autoindustrie braucht Rückenwind für die klimaneutrale Zukunft, keinen Anker in der Vergangenheit.“ Die Zukunft des Autos sei in nahezu allen Anwendungsbereichen elektrisch. Darauf müsse man sich konsequent ausrichten, mit Maßnahmen wie gezielten Kaufanreizen, Steuervorteilen sowie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Özdemir: „Müssen ehrgeizig bleiben und dürfen nicht nachlassen“

Ähnliche Forderungen äußerte der Grünen-Politiker Cem Özdemir. „Der Weltmarkt wartet nicht auf uns“, sagte Özdemir dem Tagesspiegel. „Wenn wir international wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir ehrgeizig bleiben und dürfen nicht nachlassen.“ Özdemir tritt bei den baden-württembergischen Landtagswahlen im März als Spitzenkandidat an und will Winfried Kretschmann als Ministerpräsident im Ländle beerben.

Der Amtsinhaber und sein Nachfolger? In aktuellen Umfragen sieht es nicht danach aus, dass Cem Özdemir im Ländle die Geschäfte von Winfried Kretschmann übernehmen wird.

© picture alliance/dpa/Stefan Puchner

Aus seiner Sicht greift die Debatte um das Datum zu kurz. „Eine Politik, die die Zukunft unserer Industrie im Blick hat, muss den Blick nach vorne richten und pragmatisch handeln, anstatt eine kurzsichtige Rolle rückwärts zu machen“, sagte Özdemir. „Das heißt: Flexibilität beim ,Wann’ ermöglichen, aber beim ,Wohin’ klar Kurs halten.“

Von Berlin und Brüssel forderte er, die Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie insgesamt zu verbessern und langfristig auszurichten. „Denn nur wenn wir wettbewerbsfähig sind, können wir unseren Wohlstand bewahren und Arbeitsplätze sichern“, sagte Özdemir.

Merz will Verbrenner-Aus bei EU-Gipfel ansprechen

Der Bundeskanzler hatte sich am Freitag erstmals offen für eine Rücknahme des Verbrenner-Aus ab 2035 geäußert. „Es ist grundsätzlich falsch, wenn der Staat einseitig Technologien vorgibt, die für einen bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen oder verboten werden müssen“, sagte Merz.

„Ich werbe gegenüber der EU-Kommission dafür, dass wir dieses Verbrenner-Verbot aufheben“, sagte er auf einer Veranstaltung in Berlin. Thematisieren wolle er es zum Beispiel auf dem EU-Gipfel nächste Woche in Kopenhagen.

In dieser Deutlichkeit hatte sich der Kanzler bisher nicht für die Abkehr vom Verbrenner-Aus ausgesprochen. Selbst auf der Automesse IAA vor wenigen Wochen vermied er eine klare Festlegung. Stattdessen warb er vor allem für mehr Flexibilität und Technologieoffenheit. So müsse man zum Beispiel bei E-Autos auch kleine Verbrennungsmotoren zulassen, wenn dadurch die Reichweiten vergrößert werden können.

Bundeskanzler Friedrich Merz begutachtet Anfang September in München ein E-Auto von Mercedes.

© IMAGO/Bihlmayerfotografie/IMAGO/Michael Bihlmayer

Unterstützung erhielt Merz aus seiner eigenen Fraktion. „Das Auto der Zukunft muss klimafreundlich fahren“, sagte CDU-Vize Andreas Jung dem Tagesspiegel. „Die E-Mobilität wird eine sehr wichtige Rolle spielen, es gibt aber nicht nur einen Weg.“ Man müsse unterschiedliche Ansätze ermöglichen, über die Technologie entscheide dann der Markt. „Dafür ist die Debatte in der EU notwendig“, sagte Jung. Entscheidend sei die klare Rahmensetzung, die das Erreichen der Klimaziele sicherstelle.

Eigentlich war schon im Jahr 2022 beschlossen worden, dass in der EU ab 2035 keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden dürfen. Auf Drängen der deutschen Bundesregierung – beziehungsweise der FDP – wurden einige Wochen später mit der EU-Kommission Ausnahmen für E-Fuels vereinbart. Dadurch dürfen auch nach 2035 weiter Verbrennerautos zugelassen werden, sofern sie mit synthetischen, klimafreundlichen Kraftstoffen betankt werden.

Die Union ist gegen das Verbrenner-Aus, in der SPD gibt es Bedenken dagegen. Allerdings gibt es inzwischen auch bei den Sozialdemokraten vermehrt Stimmen für eine Aufhebung.

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