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Zivilgesellschaftliche Akteure beklagen eine feindselige Stimmung gegenüber queeren Menschen.

© AFP/Jens Schlueter

„Kein ausreichender Schutz vor Diskriminierung“: Queer-Beauftragter der Regierung drängt zu Reform des Grundgesetzes

Vor dem Christopher-Street-Day in der Hauptstadt fordert Lehmann, die von der Ampel beschlossene Änderung umzusetzen – wie der Berliner CSD-Verein. Der verweist auch auf die Rechtsextremen.

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Zivilgesellschaftliche Akteure beklagen eine feindselige Stimmung gegenüber queeren Menschen. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), macht sich dafür stark, in das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz auch die sexuelle Identität mitaufzunehmen. Auch der Berliner CSD-Verein fordert eine Erweiterung – vor allem vor dem Hintergrund des Erstarkens rechtsextremer Parteien.

„Unser Grundgesetz braucht ein Update, denn es schützt bisher queere Menschen nicht ausreichend vor Diskriminierung“, erklärte Lehmann am Freitag in Berlin. Lehmann äußerte sich mit Blick auf die Demonstration zum Christopher-Street-Day (CSD), der am Samstag in Berlin stattfindet. SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine solche Änderung verständigt.

Sobald es um Queerness geht, kippt die Stimmung.

Tugay Sarac, Projektleiter der Anlaufstelle Islam und Diversity an der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin

Aus dem Alltag kann Tugay Sarac berichten. Er ist Projektleiter der Anlaufstelle Islam und Diversity an der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Für Workshops arbeitet er mit Jugendlichen zusammen – und beklagt aggressive Reaktionen auf das Thema Queerness. Wenn es etwa um Frauenrechte, Rassismus, Antisemitismus und Salafismus gehe, seien gute Diskussionen möglich, sagte er der „Berliner Zeitung“: „Aber sobald es um Queerness geht, kippt die Stimmung.“

Mit der Arbeit in den Klassenstufen acht bis 13 an Schulen versuche die Anlaufstelle, zumindest eine gewisse Toleranz für dieses Thema zu schaffen, damit betroffene Personen nicht Mobbing, Ausgrenzung und Gewalt ausgesetzt werden.

Queerfeindlichkeit in Schulen

Hauptanliegen der Anlaufstelle sei es, Betroffenen zu helfen. „Viele queere Muslime denken, dass sie die einzigen sind“, erläuterte Sarac. Der Begriff „queer“ wird als Bezeichnung für Menschen verwendet, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intersexuell ansehen.

Innerhalb der Community herrscht bereits große Unruhe und Angst wegen des Erstarkens rechtsextremer Parteien.

Marcel Voges, Vorstandsmitglied des Berliner CSD e.V

Sarac erlebt demnach in den entsprechenden Workshops Schüler, die rot anlaufen und ihn anschreien: „Sie sagen, wir machen ihnen die Religion kaputt.“ Religion sei für viele muslimische Kinder in Deutschland das einzige, was Identität stifte. Dabei sei die Stimmung in Brandenburg und Norddeutschland weniger aggressiv als in Berlin.

Auch der Berliner CSD fordert die Aufnahme queerer Menschen in Artikel 3 des Grundgesetzes. Hierbei gehe es nicht um Sonderrechte für queere Menschen, sondern um elementare Grundrechte, erklärt Marcel Voges, Vorstandsmitglied des Berliner CSD, in einer Presseerklärung. „Innerhalb der Community herrscht bereits große Unruhe und Angst wegen des Erstarkens rechtsextremer Parteien. Es wird massiv gegen unsere Community gehetzt“.

Queers würden mit Straftäter:innen gleichgesetzt, der Schutz der queeren Community durch das Grundgesetz müsse deswegen noch vor der Bundestagswahl 2025 kommen. „Dafür werden wir auch nach dem CSD selbstbewusst auftreten und uns einsetzen“.

Im Berliner Senat wird derzeit über eine entsprechende Initiative diskutiert. Sollte sie vom Senat beschlossen werden, soll sie dann in den Bundesrat eingereicht werden.

Paraden zum Christopher Street Day finden alljährlich in vielen Ländern statt. Es handelt sich um Demonstrationen für die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung von queeren Menschen.

Die Organisatoren des 46. CSD in Berlin erwarten bis zu einer halben Million Menschen, die unter dem Motto „Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt“ durch Berlin bis zur Siegessäule ziehen. (KNA, epd, dpa, MoMa)

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