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Kein klarer Favorit bei den Jungen: Grüne verlieren bei Jungwählern massiv – AfD gewinnt auch hier
Bei Wählerinnen und Wählern unter 30 Jahren haben die Grünen Hochrechnungen zufolge satte 18 Prozentpunkte verloren. Die AfD legt deutlich zu – genauso wie eine Splitterpartei. Eine Blitzanalyse.
Stand:
Mithilfe von Influencern auf Social Media oder Briefwahlstationen bei „Rock am Ring“ hat die EU so offensiv wie noch nie um jüngere Wählerinnen und Wähler geworben. Nach der Wahl ist klar: Keine Partei konnte sich in dieser Altersgruppe besonders profilieren. Doch zu verlieren gab es einiges – vor allem für eine Partei.
Bei den Europawahlen haben die Grünen bei den unter 30-Jährigen wohl massiv an Zustimmung eingebüßt. Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen zufolge kommen die Grünen in dieser Wählergruppe nur noch auf 12 Prozent – 2019 lag man mit 30 Prozent noch an erster Stelle. Einen so klaren Favoriten wie damals gibt es nach heutigem Stand bei dieser Wahl nicht.
CDU/CSU und AfD liegen bei den Jungwählerinnen und Jungwählern gleich auf und kommen aktuell auf jeweils 17 Prozent. Im Vergleich zur Wahl 2019 konnte die Union ihr Ergebnis damit um 4 Prozentpunkte verbessern, die AfD sogar um 10 Prozentpunkte. Die Europapartei Volt liegt mit 9 Prozent auf dem vierten Platz. Dahinter folgen abgeschlagen die SPD (8 Prozent), die Linke (7 Prozent) sowie FDP und BSW (mit jeweils 6 Prozent).
Als jung gelten Menschen nach der Definition der EU bis zum Alter von 29 Jahren. Trotzdem reicht die Altersspanne nicht, um in Regionen Europas eine relevante Mehrheit bilden zu können. In Wien oder der Region Groningen in den Niederlanden gibt es zwar viele junge Menschen. Vergleicht man sie aber mit den Einwohner:innen über 65 Jahre, wird deutlich, dass ihr Anteil eher klein ist.
Die beiden sogenannten Volksparteien liegen bei den unter 60-Jährigen mit 25 Prozent (CDU/CSU) und 10 Prozent (SPD) deutlich unter ihrem Gesamtergebnis. Für beide Parteien sind die älteren Wählerinnen und Wähler mit Abstand die wichtigste Stütze. Bei den ab 60-Jährigen holen CDU/CSU laut Hochrechnungen 39 Prozent. Die SPD kommt bei den über 60-Jährigen aktuell auf 21 Prozent, vor der AfD mit 11 Prozent.
Bundespolitik thematisch vor Europa
Gestützt auf viel Zuspruch aus der älteren Generation, basiert der Unionswahlsieg dabei nur bedingt auf eigener Stärke. Zwar punktet die CDU/CSU mit Parteiansehen und Sachkompetenz. In der politischen Mitte trifft sie allerdings auch auf schwache Ampel-Parteien: 66 Prozent sind mit der Bundesregierung unzufrieden.
Dass CDU/CSU – würde sie regieren – ihre Sache besser machen würde, meinen allerdings nur 30 Prozent. AfD und teilweise das BSW profitieren dabei neben viel Regierungskritik und wenig Vertrauen in CDU/CSU als Alternative vor allem von aktuellen Ereignissen, wie etwa der Messerattacke in Mannheim, sowie anti-europäischen Stimmungen.
Bundespolitische Themen waren dabei für fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) für ihre Wahlentscheidung ausschlaggebend. Für 46 Prozent war es die Politik in Europa. Die Unzufriedenheit der befragten Bürgerinnen und Bürger mit der Art und Weise, wie Politik auf europäischer Ebene gemacht, ist derweil weiter hoch: Wie auch 2019 sind mit 55 Prozent über die Hälfte der Befragten mit der Arbeit der EU unzufrieden.
EU für viele Menschen wichtig
Gerade im aktuellen Krisenumfeld gilt die EU allerdings weiter für die überwiegende Mehrheit als hochrelevante Institution. 71 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 15 und 24 sehen laut einer jüngsten Eurostat-Umfrage die Zukunft der EU positiv. Auch in der Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen gaben 85 Prozent der Befragten an, die EU sei von großer Bedeutung „für die deutsche Wirtschaft“. Für die eigene Sicherheit und Verteidigung hält ebenfalls der Großteil der Befragten die EU für wichtig, etwa „um uns gegenüber den USA, Russland oder China behaupten zu können“ (85 Prozent).
Gerade beim Thema Sicherheit trauen Wählerinnen und Wähler CDU und CSU mehr zu als der SPD. Auch im Politikfeld „Europa“ hat die SPD das Nachsehen. Weniger als ein Drittel meint, dass es Bundeskanzler Scholz gut gelingt, deutsche Interessen in der EU durchzusetzen. Beim Klima rechnen die Befragten den Grünen weiter die größte Kompetenz zu.
Beim Thema Migration bekommt dagegen die AfD viel Zuspruch. 65 Prozent der Befragten fordern eine schärfere EU-Migrationspolitik, darunter mit 88 und 86 Prozent besonders viele AfD- und BSW-Wähler:innen.
Als Gradmesser für den Bund taugen Wahlen in Europa allerdings nur bedingt: Auch wenn die Kritik an der Ampel-Regierung klar zum Ausdruck kommt, bleibt das Wahlverhalten bei den eigenen Regeln dieser Wahl oft spezifisch, zumal im Europaparlament echte Regierungsoptionen fehlen.
Sowohl die gestiegene Wahlbeteiligung als auch die Nachwahlbefragungen unterstreichen allerdings die Relevanz einer Gemeinschaft, die in einem krisengeplagten Umfeld von den meisten Menschen in Deutschland wertgeschätzt wird.
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