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Keine Ersatz-Pässe für wehrfähige Ukrainer in Hessen: Auch Bayern zeigt Verständnis für strikte Regelung
Ohne deutsche Dokumente müssen ukrainische Geflüchtete mit der Einberufung zum Wehrdienst rechnen. SPD und Union begrüßen den Schritt aus Hessen.
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Ukrainische Männer im wehrfähigen Alter, die keinen gültigen Reisepass besitzen, können in Hessen ein Problem bekommen. Der Grund: Die hessischen Ausländerbehörden stellen den betroffenen Männern keine deutschen Ersatzreiseausweise aus. Sie müssen dann mit der Einberufung zum Wehrdienst in der Heimat rechnen.
„Es ist ihnen zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen“, antwortete das hessische Arbeits- und Sozialministerium auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Wiesbadener Landtag. Die Landesregierung in Wiesbaden geht laut ihrer Antwort auf die Anfrage von knapp 20.000 ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren in Hessen aus.
Nicht nur Ukrainerinnen, sondern auch wehrfähige Ukrainer genießen nach der EU-Massenzustrom-Richtlinie bis zum 4. März 2025 ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Insgesamt leben in Deutschland mehr als 250.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter. Eine Rückkehr in die Ukraine bedeutet für sie in der Regel eine Einberufung.

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Der SPD-Verteidigungspolitiker Joe Weingarten begrüßte das Vorgehen der hessischen Behörden. „Ich habe Verständnis für diese Regelung und halte sie auch für vernünftig“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Tagesspiegel. „Es kann nicht sein, dass die einen Ukrainer in einem schweren Abwehrkampf den Kopf hinhalten und die anderen sich hier in Deutschland dieser Pflicht entziehen.“
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), äußerte Zustimmung zu der Regelung in Hessen. „Ukrainischen Männern zwischen 18 und 60 Jahren ist es seit Kriegsbeginn nicht gestattet, ihr Land zu verlassen“, sagte Frei dem Tagesspiegel. „Wenn die Ukraine sich erfolgreich gegen Russland verteidigen will, braucht sie diese Männer im wehrfähigen Alter“, sagte der CDU-Politiker weiter. Konsequenterweise stelle die Ukraine ihnen keine Reisepässe aus.

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„Aus deutscher Sicht gilt: Ukrainische Männer in wehrfähigem Alter, die nach Deutschland geflohen sind, genießen unseren Schutz“, so Frei. Die Betroffenen könnten sich hier aufhalten und frei bewegen, sagte er weiter. „Warum wir ihnen allerdings Ersatzpapiere ausstellen sollten, wenn sie von ihrem eigenen Land keine Pässe erhalten, erschließt sich nicht.“
Allerdings ist eine Einzelfallprüfung der jeweiligen Ausländerbehörde unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles nötig.
Sprecherin des bayerischen Innenministeriums
Schon seit längerem drängt Kiew wehrfähige Auslands-Ukrainer zur Rückkehr. Nicht nur in Hessen folgen Ausländerbehörden nun diesem strikteren Kurs auf Seiten der Ukraine. Wie eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums dem Tagesspiegel auf Anfrage mitteilte, entspreche es der geltenden Rechtslage, wenn betroffene wehrfähige Männer aus der Ukraine von den Ausländerbehörden „regelmäßig keine Passersatzdokumente in Form von Reiseausweisen für Ausländer“ erhielten.
Allerdings sei eine Einzelfallprüfung der jeweiligen Ausländerbehörde unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles nötig, fügte sie hinzu.
Die Sprecherin verwies dabei auf mehrere Besprechungen auf Bund-Länder-Ebene. Dabei habe das Bundesinnenministerium wiederholt die Rechtsauffassung geäußert, dass die Ableistung von Wehrdienst nicht nur allgemein, sondern auch konkret im Fall der Ukraine als zumutbar angesehen werde. Dies decke sich auch mit der bestehenden Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz und der Aufenthaltsverordnung.

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Wie das sächsische Innenministerium mitteilte, gebe es seitens des Ministeriums in Dresden aktuell keine Vorgaben zur Ausstellung von Pass-Ersatzdokumenten. Dies obliege der Entscheidung der jeweiligen Ausländerbehörden. Eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Flucht- und Integrationsministeriums erklärte, in NRW existiere „keine Erlasslage zu der Frage der Zumutbarkeit der Passbeschaffung für ukrainische Wehrpflichtige“. Sie stellte aber klar, dass eine mögliche Passlosigkeit keinerlei negative Auswirkungen auf den Status des vorübergehenden Schutzes für die ukrainischen Männer habe.
Bereits im April hatte es in einer auf dem amtlichen Onlineportal der Regierung in Kiew veröffentlichten Verordnung geheißen, dass der Versand von Pässen an diplomatische Vertretungen der Ukraine im Ausland „nicht mehr praktiziert“ werde.
Diese Regelung sei „das Ergebnis einer langen und intensiven Diskussion zur Wehrgerechtigkeit innerhalb der Ukraine, die weiterhin zur Verteidigung gegen den brutalen russischen Angriffskrieg gezwungen ist“, sagte der Osteuropa-Experte der Grünen-Fraktion im Bundestag, Robin Wagener.
Wie die Sprecherin des bayerischen Innenministeriums ergänzte, sei zuletzt von den ukrainischen Auslandsvertretungen in Deutschland zur Ausstellung von Pässen nicht die unmittelbare Rückreise in die Ukraine verlangt worden, sondern lediglich die Wehrregistrierung per App. Gegen die Vorlage der entsprechenden Bestätigung würden dem Vernehmen nach wieder konsularische Dienstleistungen erbracht, teilte sie weiter mit.
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