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Ukrainischer Soldat im schwer zerstörten Tschassiw Jar

© AFP/ANATOLII STEPANOV

Update

Keine militärische Hilfe mehr für Kiew?: Bundesregierung offen für kurzfristige finanzielle Unterstützung

Einem Medienbericht zufolge friert die Bundesregierung offenbar Zahlungen für die Ukraine ein. Doch jetzt könnten übergangsweise doch noch weitere Hilfsleistungen bereitgestellt werden.

Stand:

Die Bundesregierung könnte neue Hilfszahlungen für die Ukraine bereitstellen, bis die Gelder teilweise aus internationalen Programmen fließen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) teilte am Samstag mit, es sei „bereit, bis dahin die kurzfristige Bereitstellung weiterer Mittel zu prüfen“. Dazu müssten die „zusätzlichen Bedarfe konkret gemeldet und nachvollziehbar sein, um allen haushaltsrechtlichen Regeln zu entsprechen und den Deutschen Bundestag auf dieser Basis um eine Genehmigung bitten zu können“.

Dem BMF liegt demnach „bisher keine konkrete Bedarfsmeldung vor“. Deshalb könne weder geprüft noch entschieden werden. Dies hatte zunächst die „Bild am Sonntag“ (BamS) berichtet.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte dem Blatt: „Die Sicherheit Europas hängt von der Fähigkeit und dem politischen Willen Deutschlands ab, weiterhin eine Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine zu spielen.“ Kiew hoffe, „dass die Bundesregierung Wege zur Finanzierung unserer gemeinsamen Sicherheitsbedürfnisse für dieses Jahr“ finden werde. Militärhilfen für die Ukraine seien eine Investition in die Sicherheit und eine Friedensversicherung für Europa, sagte der Botschafter.

Zuvor hieß es einem Medienbericht zufolge, dass die Bundesregierung keine neuen Hilfszahlungen für die Ukraine bereitstellen werde. Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) steht dafür nach der aktuellen Haushaltsplanung ab sofort kein neues Geld mehr zur Verfügung. Bereits bewilligtes Material wird demnach zwar meist noch geliefert, zusätzliche Anträge aus dem Verteidigungsministerium sollen jedoch auf Wunsch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht mehr bewilligt werden, hieß es in dem Bericht.

Wie die „FAS“ aus Dokumenten und E-Mails sowie nach Gesprächen in mehreren Häusern der Bundesregierung und im Parlament erfuhr, hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine entsprechende Bitte am 5. August in einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) weitergegeben.

Die SPD sollte intern klären, warum zum wiederholten Male Bedarfe des Verteidigungsministeriums für die Ukraine nicht bei den Verhandlungen angemeldet werden.

Karsten Klein, Haushaltsexperte der FDP

Darin heißt es demnach, „neue Maßnahmen“ dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre „eine Finanzierung gesichert ist“. Dabei solle sichergestellt werden, „dass die Obergrenzen eingehalten werden“.

Für das laufende Jahr sind die Mittel für die Ukraine in Höhe von rund acht Milliarden Euro bereits weitgehend verplant – sie seien „aber noch nicht vollständig verausgabt“, sagte ein Koalitionsabgeordneter, der dem Haushaltsausschuss angehört, am Samstag zu AFP. Die geplante Höchstgrenze für das kommenden Jahr liegt demnach bei vier Milliarden Euro.

Vermögen von Russland soll für die Ukraine genutzt werden

Die Planung der Bundesregierung sehe vor, dass die Unterstützung für die Ukraine über jene für 2025 vorgesehenen vier Milliarden Euro dann aus einem neuen internationalen Topf finanziert wird.

Dann sollen – wie von der G7-Staatengruppe kürzlich vereinbart – eingefrorene russische Vermögenswerte für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden, die sogenannten „Windfall profits“. Darauf verwies auch eine Regierungssprecherin in Berlin auf AFP-Anfrage.

„Entscheidend“ sei in der Frage der Ukraine-Hilfen, „dass darüber hinaus die G7 bei ihrem Gipfeltreffen im Juni in Italien beschlossen haben, der Ukraine eine zusätzliche Finanzhilfe in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen – unter Nutzung der sogenannten Windfall profits aus immobilisierten Vermögenswerten der russischen Zentralbank“.

Diese Finanzhilfe werde „auf die Bedürfnisse der Ukraine in den Bereichen Militär, Haushalt und Wiederaufbau ausgerichtet“, erklärte die Sprecherin weiter. Die Angaben zum Verzicht auf zusätzliche Unterstützungszahlungen aus dem Bundeshaushalt wollte sie weder bestätigen noch dementieren.

Mitglieder des Haushaltsausschusses bestätigten die Angaben hingegen. Die Finanzierung der Ukraine-Hilfen werde gemäß des G7-Beschlusses „über einen neuen Topf stattfinden“, sagte der FDP-Haushälter Karsten Klein zu AFP. „An der Umsetzung wird mit Hochdruck gearbeitet, damit die Mittel ab 2025 nutzbar sind.“

Der für Verteidigungspolitik zuständige SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz sagte der „FAS“, im Augenblick würden für die Ukraine „keine neuen Bestellungen ausgelöst, weil diese nicht mehr finanziert sind“. Der CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens kritisierte das Vorgehen in der „FAS“: „Von heute auf morgen frieren Olaf Scholz und seine Ampel die finanzielle und damit militärische Unterstützung der Ukraine ein.“

Offenbar können deshalb schon in diesem Jahr notwendige zusätzliche Militärhilfen im Wert von knapp vier Milliarden Euro nicht geleistet werden, wie die „FAS“ unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Für diese Summe habe das Verteidigungsministerium eigentlich noch im laufenden Jahr Militärausrüstung für die Ukraine bestellen wollen, aber Kanzleramt und Finanzministerium seien offenbar dagegen.

Innerhalb der Bundesregierung führten die Sparvorgaben offenbar zu Unstimmigkeiten. Minister Pistorius ließ nach „FAS“-Informationen für die erbetenen knapp vier Milliarden an zusätzlicher Ukraine-Hilfe für dieses Jahr zwar eine detaillierte Wunschliste aufstellen. Nach einer Intervention des Kanzleramtes habe er diese Liste aber gar nicht erst vorgelegt.

FDP-Haushälter Klein kritisierte, dass das SPD-geführte Verteidigungsministerium seine genauen Bedarfe für die Ukraine-Hilfen im kommenden Haushalt noch nicht vorgelegt habe. Dies werde in den anstehenden Haushaltsberatungen eine Rolle spielen, sagte er AFP. „Die SPD sollte intern klären, warum zum wiederholten Male Bedarfe des Verteidigungsministeriums für die Ukraine nicht bei den Verhandlungen angemeldet werden“, mahnte Klein.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt äußerte sich skeptisch zu den Haushaltsplanungen. „Es liegt in unserem eigenen Sicherheitsinteresse, dass Putin den Krieg gegen die Ukraine verliert“, erklärte die Bundestags-Vizepräsidentin. „Die Ukraine braucht deshalb weiterhin die volle Unterstützung unseres Landes - mit Finanzhilfe, mit Waffen, mit Diplomatie.“

Kurz vor Ablauf einer selbst gesetzten Frist hatte sich die Spitze der Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP auf Änderungen am Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 verständigt.

Dabei wurden einige Streitpunkte abgeräumt, gleichwohl verbleibt noch eine Finanzlücke von zwölf Milliarden Euro. Dieses Geld muss eingespart werden, ohne dass schon feststeht, wo genau. (AFP)

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