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Plakate bei einer Wahlveranstaltung in Leipzig im März 1990: In Helmut Kohl und die CDU setzten die Menschen große Hoffnung.

© picture alliance / Martin Athenstädt/dpa

Koalitionen, Gegner, Kursdebatten: Die strategischen Probleme der CDU im Osten

Nach der Wende setzten viele im Osten große Hoffnungen in die CDU. Heute steht die Partei hier vor großen Problemen. Eine Analyse.

Es waren klare Worte: Ein Teil der Wähler im Osten sei „diktatursozialisiert“, „auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen“, habe „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“. So hatte der Ostbeauftragte der Bundesregierung Marco Wanderwitz erklärt, dass es in Ostdeutschland seine stärkere Neigung zur Wahl rechtsradikaler Parteien gebe. Und er hatte im Gespräch mit der „FAZ“ auch gesagt: Aus seiner Sicht sei nur ein geringer Teil der AfD-Wähler potenziell rückholbar.

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Tage danach noch sorgen Wanderwitz’ Aussagen für Debatten. Vor allem CDU-Parteifreunde aus dem Osten sind nicht begeistert – zumal am Wochenende in Sachsen-Anhalt gewählt wird. Die Debatte zeigt nicht nur, dass es in der CDU im Osten noch immer keinen Konsens über den Umgang mit Wählern am rechten Rand gibt. Sie wirft auch ein Schlaglicht darauf, welche Probleme die Partei speziell im Osten hat.

In der DDR war die CDU eine sogenannte „Blockpartei“, eine Stütze des Systems. Nach der Wende wurde sie in die West-CDU eingegliedert – die bereits bestehenden Parteistrukturen waren hilfreich. Es waren nach der Wende erfolgreiche Zeiten für die CDU im Osten. Bei der Bundestagswahl holte sie knapp 42 Prozent und fast alle Direktmandate. Bei der Landtagswahl in Sachsen 1990 sogar die absolute Mehrheit.

Fehler bei der Wiedervereinigung

Der Erfolg der CDU im Osten habe sich – neben der Aufstellung von Führungsfiguren wie Kurt Biedenkopf – zunächst auf das Versprechen blühender Landschaften gegründet, sagt der Parteienforscher Oskar Niedermayer. „Man hat den Leuten gesagt: Ihr werdet relativ schnell zum Wohlstandsniveau des Westens aufschließen.“ Diese Hoffnung sei aber immer stärker enttäuscht worden. „Es hat zwar einen Aufschwung gegeben, aber für die Enttäuschten stehen vor allem die Unterschiede im Vordergrund, die auch 30 Jahre nach der Wende noch immer bestehen.“ Mit dem Aufkommen der AfD geriet die CDU hier immer stärker unter Druck.

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Der Soziologe Steffen Mau hält es für „zu kurz gesprungen“, dass Wanderwitz die Verantwortung für die Einstellungsmuster im Osten allein der DDR zuschreibt. Natürlich spiele die DDR-Vergangenheit für die Einstellungen eine wichtige Rolle. „Aber mit der Wiedervereinigung hat sich sozial und ökonomisch vieles abgespielt, für das auch die CDU Verantwortung trägt. Dazu gehören viele Fehler, die bei der Wiedervereinigung gemacht wurden.“

Mau kritisiert auch die Formulierung, dass ein Teil Menschen in der Demokratie nicht „angekommen“ sei. Das sei nicht richtig. „Die Wahlbeteiligung nach der Friedlichen Revolution war unglaublich hoch. Aber offenbar waren die Parteien nicht in der Lage ihre Bindewirkung zu entfalten, viele sind enttäuscht worden.“

„Pegida oder Querdenkern Dialogangebote gemacht“

Der Göttinger Parteienforscher Michael Lühmann wirft der CDU vor, für die politische Kultur im Osten mitverantwortlich zu sein. „Die DDR hat vor allem die Punks verfolgt und versucht, rechte Gewalt totzuschweigen – das durfte es in einem antifaschistischen Staat nicht geben. Diese Strategie wurde nach ’89 von der CDU übernommen“, meint er. Die CDU habe vor Linken gewarnt, während rechte Umtriebe kleingeredet wurden. So habe Biedenkopf erklärt, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. „Auch in den letzten Jahren wurde der sogenannte Linksextremismus vehement bekämpft, während Pegida oder Querdenkern Dialogangebote gemacht wurden.“

Insgesamt kristallisieren sich drei große strategische Probleme heraus, die die CDU heute im Osten hat – und die mit der Stärke der AfD zusammenhängen. Erstens: das Koalitionsdilemma. Besonders gut zu besichtigen ist das in Sachsen-Anhalt. Wie in Thüringen oder Sachsen ist die CDU dort besonders konservativ. Sie koaliert in Magdeburg aber notgedrungen seit 2016 mit SPD und Grünen. „Wenn man eine konservative Politik vertreten will, aber durch die numerischen Umstände dazu gezwungen wird, mit linken Parteien zu regieren und deshalb Kompromisse machen muss – dann enttäuscht man den konservativen Teil der eigenen Wählerschaft“, sagt Parteienforscher Niedermayer. „Nehmen Sie nur die Bauern: Wenn die in Sachsen-Anhalt die CDU gewählt haben, dann haben sie eine grüne Landwirtschaftsministerin bekommen, mit der es viele Konflikte gibt.“ Je weniger die CDU gewählt werde, desto schwieriger werde dann aber wiederum die Koalitionsbildung.

„Es ist schwierig, das unter einen Hut zu bringen“

Das zweite Problem ist der Annäherungstrugschluss. Auf den ersten Blick erscheint es logisch, dass sich Wähler von der AfD zurückgewinnen lassen, wenn man sich der Partei annähert. Allerdings weisen Politikwissenschaftler immer wieder darauf hin, dass das Gegenteil der Fall ist. „Wer aber AfD-Positionen übernimmt, legitimiert sie und stärkt immer das Original“, sagt Lühmann. Die CDU sei dort besonders stark, wo sie ihr Heil in der Mitte suche. Auch viele CDU-Politiker im Osten sehen das mittlerweile so, Wanderwitz eingeschlossen. Der Ostbeauftragte hält es für „Irrsinn“, dass seine Partei in Südthüringen den umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen aufgestellt hat. Doch dort glaubt die CDU, so Wähler von der AfD zurückzugewinnen.

Das dritte Dilemma ist ein Strategiekonflikt. Im Westen sind der Hauptgegner der CDU die Grünen, im Osten ist es die AfD. „Es ist schwierig, das unter einen Hut zu bringen“, sagt Niedermayer. Auch Wahlkämpfer der CDU im Osten beklagen das. Niedermayer glaubt, es sei durchaus sinnvoll, wenn die CDU mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten arbeite und ihre konservative Haltung im Osten stärker herausstelle. „Nicht im Sinne eines Rechtsrucks. Aber indem sie klar macht: Wofür steht eigentlich die CDU in Abgrenzung zur AfD?“ Genau das habe die Partei aber noch nicht ausreichend getan.

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