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Zehn Gründe sprechen dafür: Weshalb ein AfD-Verbot nicht an Friedrich Merz scheitern wird
Bislang schweigt Friedrich Merz zur Frage, ob er angesichts der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein Verbotsverfahren begrüßt. Doch Hingucken lohnt sich.

Stand:
Sobald Friedrich Merz Kanzler sei, werde ein AfD-Verbotsverfahren unwahrscheinlich, höre ich in diesen Tagen öfters. Das halte ich für völlig falsch.
Zwar ist die Sorge nachvollziehbar, gerade nach dem Tabubruch im Januar. Doch ich denke nicht, dass das Einleiten eines Verbotsverfahrens am künftigen Kanzler scheitern wird. Aus folgenden Gründen:
1. Politische Überzeugung
Auch wenn dies in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt ist und gelegentlich angezweifelt wird: Friedrich Merz ist seit Gründung der AfD ein dezidierter Gegner dieser Partei. Und zwar aus tatsächlicher politischer Überzeugung. Bereits 2020 bezeichnete er die AfD und deren Funktionäre in großer Runde als „Gesindel“.
Wörtlich sagte er: „Wenn ich einen Beitrag leisten kann, dass dieses Gesindel wieder verschwindet, dann will ich ihn leisten.“ Dafür bekam er übrigens viel Applaus.
2. Sein Platz in der Geschichte
Friedrich Merz ist 69 Jahre alt. Die kommenden vier Jahre seiner Kanzlerschaft werden darüber entscheiden, wie er den Menschen in Erinnerung bleiben wird. Ganz sicher möchte Merz nicht als zweiter Franz von Papen in Erinnerung bleiben. Dass dieser Mann im Laufe seines Lebens zum Beispiel auch Militärattaché in Washington, überzeugter Christ und erfolgreicher Reitsportler war, weiß heute niemand mehr und ist angesichts der Schwere seiner historischen Schuld auch vollkommen irrelevant.
In der Geschichtsschreibung ist Franz von Papen zu recht ausschließlich der Mann, der entscheidend dazu beitrug, die NSDAP an die Macht zu bringen. Selbstverständlich möchte Merz nicht als Steigbügelhalter für Rechtsextremisten in die Geschichte eingehen.
3. Außenpolitik
Als Kanzler muss sich Friedrich Merz gegen die autoritären Angriffe auf Europa und dessen westliche Werte stemmen. Diese erfolgen sowohl durch Wladimir Putins Russland als neuerdings auch durch die US-Regierung unter Donald Trump.
Unterstützt wird diese Zangenbewegung allerdings durch destruktive, destabilisierende Kräfte im eigenen Land – allen voran durch die AfD, die sowohl von Trump als auch Russland stark unterstützt wird.
Vielen Fachkundigen gilt die AfD als verlängerter Arm des Kremls. US-Außenminister Marco Rubio nahm am Freitag öffentlich die AfD in Schutz und behauptete, die Partei sei gar nicht extremistisch. Ihre Beobachtung durch deutsche Sicherheitsbehörden sei ein Zeichen von „Tyrannei“. Auch Vizepräsident JD Vance sprang der AfD direkt zur Seite. So sehr sieht Trumps Regierung die AfD als Verbündete an.
Russlands Regime führt bereits einen hybriden Angriffskrieg gegen Europa. Die AfD ist ein Teil davon. Ließe Merz die Partei gewähren und nähme er hin, dass diese die Bundesrepublik und damit auch Europa weiterhin von innen heraus destabilisiert, schadete er seinem eigenen pro-europäischen, westlichen Kurs. Es würde die Erfolgsaussichten, die schlimmsten autoritären Angriffe von außen abzuwehren und das europäische Projekt zu verteidigen, deutlich schmälern.
4. Bedrohung der Christdemokratie
Die Erfahrungen in anderen europäischen Staaten zeigen, was mit konservativen Parteien geschieht, die Rechtsextremisten nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen, sondern versuchen, sie „inhaltlich zu stellen“, durch eigenes gutes Regieren irgendwie irrelevant zu machen oder gar mit ihnen zu kooperieren: Es bleibt wenig von ihnen übrig.
5. Der Wunsch der Bevölkerungsmehrheit
In vergangenen Umfragen sprach sich eine knappe Mehrheit der Deutschen meist gegen ein Verbotsverfahren aus. Diese Zahlen sind jedoch irreführend. Denn dass AfD-Wähler ein Verbot ihrer eigenen Partei ablehnen, ist selbstverständlich. Entscheidend ist vielmehr die Frage, was die Wähler der demokratischen Parteien über ein Verbot denken – und was sie für die beste Strategie halten, die Rechtsextremen nachhaltig zurückzudrängen. Unter diesen Wählern spricht sich bereits jetzt eine Mehrheit für ein Verbot aus.
Die Einstufung des Verfassungsschutzes und auch die Deutlichkeit der Geheimdiensteinschätzung werden die Mehrheit zugunsten eines Verbotsverfahrens deutlich ausbauen. Zudem ist davon auszugehen, dass zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens auf Grundlage der Neueinstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ und damit verfassungsfeindlich in den kommenden Wochen massiv für ein Verbotsverfahren werben, was die Zustimmungswerte weiter erhöhen dürfte.
Friedrich Merz müsste sich also den Wünschen der Bevölkerungsmehrheit entgegenstellen. Dazu jedoch auch den zahlreichen Unions- und SPD-Abgeordneten, die ein Verbotsverfahren begrüßen, ihre Zustimmung dazu aber von der nun erfolgten bundesweiten Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz abhängig gemacht haben. Angesichts der Reformen, die Merz in seiner Kanzlerschaft durchsetzen möchte, wäre dies hinderlich.
6. Die Lehren aus seinem Tabubruch
Dass Friedrich Merz im Januar im Bundestag auf Stimmen der AfD setzte, führte in der Bevölkerung, im öffentlichen Diskurs und auch innerhalb der Unionsfraktion des Bundestags zu massivem Unmut. Die Folge waren Massendemonstrationen, unter anderem vor der CDU-Zentrale. Die negativen Reaktionen sind ein Vorgeschmack darauf, was den Kanzler erwartet, würde er sich nach dieser expliziten Einschätzung des Verfassungsschutzes dennoch aktiv gegen ein Verbotsverfahren stemmen.
Konkret könnte Merz ein Verbotsverfahren sowieso nur verhindern, wenn er so starken Druck auf die Unionsfraktion im Bundestag ausübt, dass diese weitgehend geschlossen gegen einen Antrag auf Einleitung eines Verbotsverfahrens stimmt. Er müsste also die Aufhebung des Fraktionszwangs unterbinden oder unterbinden lassen. Selbst wenn er dies inhaltlich für richtig hielte: Wieso sollte er das tun angesichts einer Koalition, die im Bundestag nur über eine überschaubare Mehrheit verfügt?
7. Er ist nicht Jens Spahn
Beobachter des Politikbetriebs warnen davor, Jens Spahn arbeite an einer Normalisierung der AfD. Erst jüngst fiel er durch einen entsprechenden Vorstoß auf. Auch die Äußerungen anderer Unionskräfte deuten darauf hin, dass es spätestens bei der Bundestagswahl 2029 keine Brandmauer mehr geben wird. Hierbei ist jedoch wichtig, dass es sich bei Merz und Spahn keineswegs um Vertraute handelt, sondern um zwei Politiker, die über lange Jahre hinweg in einem Konkurrenzverhältnis zueinander standen.
2018 traten sie im Kampf um den Parteivorsitz gegeneinander an, unterlagen jedoch Annegret Kramp-Karrenbauer. Als Merz es zwei Jahre später erneut versuchte, stärkte Spahn demonstrativ dessen Gegenkandidaten Armin Laschet den Rücken. Die bloße Vorstellung, Spahn könnte 2029 mithilfe von AfD-Stimmen nach der Macht greifen, zeigt Merz die Dringlichkeit eines Parteiverbots.
Eine Machtbeteiligung der AfD würde auch ein Desaster für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik bedeuten. Sie zöge einen massiven Brain Drain nach sich, also ein Abwandern von Leistungsträgern ins Ausland. Einige Konzerne würden weniger oder gar nicht mehr in Deutschland investieren (nicht aus moralischen Gründen, sondern weil Investitionen Stabilität voraussetzen). Dringend benötigte Fachkräfte würden Deutschland zurecht meiden. Auch der Tourismus nähme Schaden. Eine Machtbeteiligung der AfD ist nicht im Sinne der Wirtschaft.
Doch anders als Jens Spahn kennt Friedrich Merz zum Glück auch ein Leben außerhalb des Kosmos Bundestag. Seine eigene Partei war über viele Jahre hinweg – seit dem verlorenen Machtkampf gegen Angela Merkel – nicht gut zu ihm. Teile der CDU unternahmen ab 2018 große Anstrengungen, ihn als Parteichef zu verhindern, darunter eben auch Jens Spahn. Es ist logisch, dass Merz im Zweifel eher an die Interessen der Gesellschaft sowie der Wirtschaft denken wird anstatt auf Machtpolitiker in den eigenen Reihen zu hören, die sich die rechtsextreme AfD für eigene Machtoptionen warmhalten möchten.
8. Prozentpunkte
Würde die AfD verboten werden, könnte die Union auf deutliche Stimmzuwächse bei kommenden Wahlen hoffen. Denn ein größerer Teil der AfD-Wähler dürfte sich in einem Parteienspektrum, in dem die AfD fehlt, für die Christdemokraten entscheiden.
9. Richtiger Zeitpunkt
Laut des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz hat Friedrich Merz vor Fraktionskollegen schon einmal deutlich gemacht, dass er einem Verbotsantrag offen gegenüber stehe – allerdings nicht kurz vor, sondern im Gegenteil kurz nach einer Bundestagswahl. Weil dann die Wahrscheinlichkeit, dass das Verbot vor der folgenden Wahl beschlossen und vollstreckt wird, logischerweise am größten sei.
Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Friedrich Merz muss nur intern durchsetzen, dass für die entscheidende Abstimmung im Bundestag der Fraktionszwang aufgehoben wird und so jeder Unionsabgeordnete ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet ist. Dann ist die Mehrheit für ein Verbotsverfahren sicher.
Alternativ könnte er dank der aktuellen Mehrheitsverhältnisse sogar einen großen Wurf anstreben: einen Verbotsantrag, der gleichzeitig von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf den Weg gebracht wird.
10 Friedrich Merz weiß all das
Auf dem Weg zu seiner Kanzlerschaft musste Merz eine Menge Kritik einstecken. Doch einen Vorwurf haben ihm selbst seine größten Gegner nie gemacht: dass Friedrich Merz kein intelligenter Mensch sei.
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