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Britischer Premier im Unterhaus: Johnson fordert Opposition zu Misstrauensvotum auf
Einen Tag nach dem Urteil des Supreme Courts beendet das britische Parlament seine Zwangspause. Der Schlagabtausch ist hart. Der Newsblog zum Nachlesen.
Von
- Anne Diekhoff
- Ingo Salmen
- Kai Portmann
- Til Knipper
- Julia Hoene
Stand:
- Die Zwangspause für das britische Unterhaus war illegal, hat der Supreme Court entschieden.
- Für Premier Boris Johnson ist das eine krachende Niederlage. Er forderte nun Neuwahlen.
- Oppositionsführer Jeremy Corbyn verlangt Johnsons Rücktritt.
- Am Mittwochmittag ist das Parlament erstmals wieder zusammengetreten.
- Mehr zum Thema: Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen, wie es mit dem Brexit weitergeht
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Johnson fordert Opposition heraus
Am ersten Tag nach der Zwangspause des britischen Parlaments hat sich Premierminister Boris Johnson einen harten Schlagabtausch mit der Opposition geliefert. Er forderte die Abgeordneten im Unterhaus am Mittwoch auf, einen Misstrauensantrag gegen seine Regierung zu stellen und bekräftigte, an seinen Plänen für einen EU-Austritt zum 31. Oktober festzuhalten. Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei forderte den Premierminister zum Rücktritt auf."Werden sie den Mut haben zu handeln? ... Na dann los", rief Johnson am Mittwoch im Unterhaus, das erstmals nach der von Johnson erzwungenen und am Dienstag vom Obersten Gericht aufgehobenen Zwangspause wieder tagte. Er warf den Abgeordneten vor, keine Verantwortung übernehmen zu wollen. "Wovor haben sie Angst?"
Johnson beschuldigte die Abgeordneten, das Votum der Briten für einen EU-Austritt untergraben zu wollen. "Dieses Parlament muss entweder zur Seite treten und die Regierung den Brexit umsetzen lassen, oder ein Misstrauensvotum einbringen", wetterte Johnson.
Der ehemalige Londoner Bürgermeister hat bereits zwei Mal vergeblich versucht, Neuwahlen zu erreichen, von denen er sich aufgrund guter Umfragewerte eine komfortable Mehrheit erhofft. Bislang haben seine konservativen Tories noch nicht einmal eine einfache Mehrheit im Unterhaus.
"Niemand kann diesem Premierminister trauen", sagte Oppositionsführer Corbyn. "Zum Wohle dieses Landes sollte er zurücktreten." Die Labour-Partei verfolgt weiter vorrangig den Kurs, einen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen zum 31. Oktober zu verhindern.
Vor dem Beginn der Zwangspause am 10. September hatten die Abgeordneten ein Gesetz verabschiedet, das Johnson daran hindern soll, einen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen (No-Deal-Brexit) durchzusetzen.
Der Regierung wird darin eine Frist bis zum 19. Oktober gesetzt. Wenn bis zu diesem Datum kein Brexit-Abkommen mit der EU vereinbart ist, muss der Premierminister in Brüssel eine dreimonatige Verschiebung des für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Großbritanniens beantragen. Dies hat Johnson bereits mehrfach öffentlich ausgeschlossen.
Johnson hatte die Zwangspause des Parlaments mit Zustimmung von Königin Elizabeth II. angeordnet, was ihm den Vorwurf der Opposition eintrug, er wolle mitten im Brexit-Machtkampf das Parlament mundtot machen. Nach Johnsons Plan hätte die Pause noch bis Mitte Oktober dauern sollen. Die Entscheidung der elf Richter vom Dienstag nannte Johnson in seiner Rede im Parlament "falsch".
Auch in mehreren britischen Zeitungen, die einen Brexit befürworten, wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs negativ aufgenommen. "Wir lieben sie nicht", titelte das Boulevard-Blatt "The Sun" unter Bezug auf die Gerichtspräsidentin Brenda Hale. Der "Daily Telegraph" beschrieb Johnson als einen "Anwalt des Volkes" gegen das "Establishment", das den Brexit aufhalten wolle. (AFP)
Corbyn: „Wenn Sie eine Wahl wollen, sorgen Sie für eine Verlängerung.“
Labour-Chef Jeremy Corbyn entgegnet, Johnson solle erst eine Verlängerung der Brexit-Frist erwirken und sich so den Rückhalt für Wahlen verschaffen. „Es ist sehr einfach - wenn Sie eine Wahl wollen, sorgen sie für eine Verlängerung, und dann wird gewählt." (Reuters)Boris Johnson hat die Opposition tatsächlich zu einem Misstrauensvotum aufgerufen. „Sie haben bis zum Ende der Sitzung heute Zeit, um einen Antrag einzureichen und wir können morgen eine Abstimmung haben."
Für ein Misstrauensvotum würde bereits eine einfache Mehrheit ausreichen. Da Johnson selbst eine Wahl anstrebt, wäre eine relativ kleine Zahl an Oppositionsabgeordneten genug, um die Regierung zu Fall zu bringen. Bevor es zur Neuwahl kommt, hätte die Opposition jedoch einen Zeitraum von 14 Tagen, um eine alternative Regierung auf die Beine zu stellen. Johnson müsste darauf hoffen, dass das nicht gelingt. (dpa)
Bericht: Opposition soll Misstrauensvotum stellen
Der Reporter einer Regionalzeitung berichtet auf Twitter, Johnson wolle die Opposition zu einem Misstrauensvotum auffordern. Wenn die Opposition tatsächlich kein Vertrauen in die Regierung habe, habe sie die Chance, dies zu beweisen, zitierte der „Press-and-Journal“-Journalist Dan O'Donoghue aus Auszügen von Johnsons Redetext. Sie habe bis zum Ende der Parlamentssitzung am Mittwoch Zeit, ein Misstrauensvotum zu stellen.Johnson spricht im Unterhaus
Premierminister Johnson gibt nun seine Erklärung im Unterhaus ab. Er betont, es gebe inzwischen Fortschritte bei den Gesprächen mit der EU. An Sprecher Bercow sagte er: „Sie wollen einfach keinen Deal. Sie leben in einer Fantasiewelt."
„No Deal“ - Minister sieht große Fortschritte
Minister Michael Gove sieht die Verhandlungen mit der EU auf gutem Weg. Es habe in den „vergangenen Wochen große Fortschritte“ gegeben. Gove ist in der britischen Regierung für die Notfallpläne für einen harten EU-Ausstieg zuständig. (Reuters)Verbale Attacken im Unterhaus
Der Labour-Abgeordnete Barry Sheerman hat empört auf die Aussagen des Konservativen Geoffrey Cox reagiert, der dem Parlament das „moralische Recht“ abgesprochen hatte, zu tagen.„Für einen Mann wie ihn, eine Partei wie diese und einen solchen Anführer (Boris Johnson) ist es eine Schande, von Sitten und Anstand zu sprechen“, rief Sheerman. (dpa)
Brexit-Beauftragter: Lösungsvorschläge reichen nicht aus
Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, sieht große Hürden für eine Einigung mit Großbritannien vor dem geplanten EU-Austritt. Die Vorschläge zur Lösung der irischen Grenzfrage reichten nicht, sagte er im Verfassungsausschuss. Johnson will den fertigen Austrittsvertrag ändern und insbesondere die Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland streichen, den sogenannten Backstop. In einer Reihe von Arbeitspapieren hatte die britische Regierung Ideen für Alternativen vorgelegt. Verhofstadt sagte jedoch, diese seien bestenfalls „Komponenten einer Lösung“. Auf dieser Basis könne die EU den Backstop nicht fallenlassen.
Abstimmung über Neuwahl angekündigt
Die britische Regierung will demnächst erneut über eine Neuwahl im Parlament abstimmen lassen. Das sagte der britische Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox. (dpa)„Das Parlament ist tot“
Geoffrey Cox greift das Parlament an: „Dieses Parlament ist ein totes Parlament. Es sollte nicht mehr tagen. Es hat kein moralisches Recht, auf diesen grünen Bänken zu sitzen“, sagt er. Außerdem sei es feige. Worauf er sich bezieht: Zweimal war in den vergangenen Wochen ein Antrag der Regierung auf Neuwahlen gescheitert, weil es im Unterhaus dafür nicht die notwendige Mehrheit gab. Damit solle letztlich der Brexit verhindert werden, sagte Cox. Die Opposition reagierte mit Protestrufen auf die verbale Attacke.
Wirkt das Urteil wie ein neues Gesetz?
Die Frage wird diskutiert, ob das Urteil zur Zwangspause gleichbedeutend ist mit einem neuen Gesetz. Cox: Es sei ein neues Prinzip, das durch das Oberste Gericht festgelegt wurde. Es sei bindend und ein Präzedenzfall und sei bis auf Weiteres gültig, betont Cox.Johnson zurück in London
Premierminister Boris Johnson hat seinen Aufenthalt in New York abgebrochen und ist inzwischen wieder in der Downing Street angekommen. Er will noch am Mittwoch eine Erklärung im Parlament abgeben. Das ging aus einer Mitteilung der oppositionellen Labour-Fraktion hervor. (dpa)Cox weist Rücktrittsforderungen zurück
Die eindeutige und klare Akzeptanz des Urteils durch Generalstaatsanwalt Cox wird von der Opposition positiv aufgenommen. Rücktrittsforderungen weist er zurück mit dem Hinweis, dass man hier zwar einen juristischen Fall verloren habe, die Arbeit aber deswegen nicht einstellen könne.Johnson will Brexit weiter am 31. Oktober durchziehen
Eine Sprecherin von Boris Johnson sagte vor der Debatte im Unterhaus, der Premierminister sei weiterhin entschlossen, den Brexit zum 31. Oktober zu vollziehen. In seiner Einlassung vor dem Unterhaus werde er auf das Urteil des Obersten Gerichts eingehen. (Reuters)Cox: Die Regierung respektiert das Urteil natürlich
Das britische Parlament ist nach dem Gerichtsurteil vom Dienstag wieder zusammengetreten - um als erstes eben dieses Urteil zu diskutieren. Der konservative Abgeordnete Geoffrey Cox betonte, die Regierung respektiere natürlich die einstimmige Entscheidung, dass die angeordnete Zwangspause des Parlaments illegal war. Die Regierung habe aber immer in guter Absicht gehandelt und im Glauben, dass es legal und verfassungskonform sei. Höhnisches Gelächter von der Opposition war hierauf die Reaktion.Zwangspause beendet: Jetzt hat das Parlament das Wort
Nach dem Supreme-Court-Urteil vom Dienstag sind die Abgeordneten des britischen Unterhauses wieder aus ihrer Zwangspause zurückgekehrt. In diesen Minuten beginnt die Debatte. Auch wieder in London: Premier Boris Johnson, der von den Vereinten Nationen in New York zurückgereist ist. Es wird erwartet, dass er sich stellt, auch wenn die herkömmliche "Prime Minister's Question Time" nicht stattfindet. Die große Frage: Wie geht es weiter? Wir begleiten die Sitzung hier im Blog.
Trump über Johnson: „Nur ein Mann wie er kann es schaffen."
US-Präsident Donald Trump hat den Brexit-Kurs von Boris Johnson verteidigt. Es wäre „schrecklich“, wenn Johnsons Plan scheitern sollte. „Nur ein Mann wie er kann es schaffen“, sagte Trump über Johnson. Er denke, dass es dem Premier gelingen werde, Großbritannien wie geplant aus der EU zu führen. (AFP)Merkel zum Gerichtsurteil: Eher innenpolitisches Thema
Kanzlerin Angela Merkel hat gelassen auf die juristische Niederlage des britischen Premierministers reagiert. Das Gerichtsurteil gegen die Zwangssitzungspause des Unterhauses sei eher ein innenpolitischer Vorgang. „Ich hoffe weiterhin, dass wir einen geordneten Austritt Großbritanniens (aus der EU) bekommen können", fügte sie hinzu. „Wir sind auch auf etwas anderes vorbereitet", sagte sie mit Blick auf die Vorbereitungen der EU für einen No-Deal-Brexit am 31. Oktober.Aber die Bundesregierung hoffe weiter auf einen geregelten Austritt. Die britische Regierung habe immer noch keine Vorschläge vorgelegt, wie dies zu erreichen sei, sagte Merkel. Aber damit habe sie zeitlich auch noch nicht gerechnet. Sie habe Johnson seit dem Gerichtsurteil noch nicht sprechen können, sagte Merkel. (Reuters)
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