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Olaf Scholz (SPD) hat Friedrich Merz (CDU) im ZDF „Fritze“ genannt und gesagt, er erzähle „Tünkram“. Der empört sich.

© Montage: Tagesspiegel/dpa/Christoph Soeder, REUTERS/Lisi Niesner

„Lügenauer“, „Rattenfänger“ oder „Kriegskanzler“: Wenn Politiker im Wahlkampf ihre Gegner attackieren

Das „Tünkram“-Zitat von Olaf Scholz gegen Friedrich Merz hat Wellen geschlagen. Auch in der Vergangenheit haben Kanzlerkandidaten heftig ausgeteilt: darunter Adenauer, Strauß und Schmidt.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage gestellt und verloren. Aus Sicht seiner politischen Wettbewerber allerdings nicht nur diese, sondern auch seinen Anstand und Respekt. „Den Namen des Wettbewerbers ins Lächerliche zu ziehen, ist inakzeptabel“, sagte etwa Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU). „Der Oppositionsführer ist für den Kanzler nicht der ,Fritze’“. Auch der Verteidigte empörte sich. „Ich verbitte mir das, dass der Herr Bundeskanzler mich in dieser Art und Weise hier persönlich bezeichnet und angreift“.

Was war passiert: Olaf Scholz hatte am Abend der Vertrauensfrage im ZDF gesagt: „Fritze Merz erzählt Tünkram.“ Stunden zuvor sprach der Bundeskanzler seinem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner bei einer Rede im Bundestag ab, „die sittliche Reife“ für ein Regierungsamt zu haben. Nicht nur in der Union, sondern auch bei politischen Kommentatoren sowie in Teilen der Bevölkerung stieß Scholz Ausdrucksweise auf Kritik: Sie sei arrogant, respektlos und würdelos, monierten Nutzer auf X zum Beispiel.

Der Oppositionsführer ist für den Kanzler nicht der ,Fritze’.

Armin Laschet, Ex-Kanzlerkandidat (CDU)

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Schon vor über 70 Jahren haben Spitzenpolitiker ihre Sprache zugespitzt, wenn sie das Kanzleramt anvisiert haben. Ob 1949 Kurt Schumacher gegen Konrad Adenauer oder 1976 Franz Josef Strauß (CSU) gegen Helmut Kohl, also den Vorsitzenden seiner Schwesterpartei. Eine Auswahl verbaler Entgleisungen im Wahlkampf:

Schumacher über Adenauer: „Lügenauer“ und „Kanzler der Alliierten“

Auch bei der ersten Bundestagswahl standen sich zwei Politiker von CDU und SPD als Konkurrenten um das Kanzleramt gegenüber. Bis zum Wahltag am 15. September 1949 war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Konrad Adenauer (CDU) und Kurt Schumacher (SPD), aus dem der Kölner CDU-Kandidat als erster Bundeskanzler der Bundesrepublik hervorging.

Der Wahlkampf 1949 gilt aufgrund seiner Polemiken als einer der heftigsten in der Geschichte der Bundesrepublik. Das geht vor allem auf das Konto Schumachers. Bei einem Wahlkampfauftritt im Juli 1949 bezeichnete der SPD-Politiker seinen Konkurrenten zum Beispiel als „Lügenauer“. Die CDU konterte damals und nannte den Sozialdemokraten einen „Rattenfänger“.

Adenauer selbst galt Historikern zufolge als geschickter darin, Angriffe zu formulieren, ohne direkt beleidigend zu wirken. So implizierte der Rheinländer im Wahlkampf zum Beispiel eine Verbindung zwischen der SPD und dem Kommunismus, was besonders perfide war, da Schumacher ein bekennender Antikommunist war und mit der KPD nichts am Hut hatte. Im Plenarsaal des Bundestages in Bonn soll Adenauer den SPD-Politiker einmal als „Schuljungen“ diffamiert haben.

Berühmt ist wiederum Schumacher für seine Bezeichnung Adenauers als „Kanzler der Alliierten“ im November 1949. Da sich der Sozialdemokrat weigerte, die Anschuldigung zurückzunehmen, wurde er vom Ältestenrat für 20 Sitzungstage vom Plenum ausgeschlossen.

Strauß beim Wienerwald-Konzern: „Kohl ist total unfähig“

Ausgeteilt wurde allerdings auch damals nicht nur gegen Politiker anderer Parteien. Schon Jahrzehnte bevor Markus Söder Armin Laschet die Kanzlerkandidatur der Union schwermachte, griff der damalige CSU-Chef den der CDU wiederholt scharf an. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte die sogenannte Wienerwald-Rede von Franz Josef Strauß sein.

Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (rechts) machte Helmut Kohl (links) auch nach dessen verlorener Wahl 1976 das Leben schwer.

© picture alliance / Heinrich Sanden/dpa/Heinrich Sanden

Nachdem Helmut Schmidt aus der Wahl im Oktober 1976 als Kanzler der Bundesrepublik hervorging (obwohl die Union unter Kohl die meisten Stimmen holte), beschloss die CSU im November sich von der Union zu abzuspalten und bundesweit selbst anzutreten.

Bei einer Veranstaltung der Jungen Union Bayern am Hauptsitz des Wienerwald-Konzerns in München arbeitete sich Strauß in einer dreistündigen Rede am CDU-Vorsitzenden ab: „Kohl ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen“. Strauß sprach Kohl zudem häufig und öffentlich Führungsqualitäten sowie die Befähigung für das Amt des Bundeskanzlers ab.

Recht durfte Strauß nicht behalten. Kohl wurde nur sechs Jahre später der sechste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Abspaltungswünsche der CSU lösten sich schon zum Jahresende 1976 in Luft auf, nachdem die CDU mit einem eigenen Landesverband in Bayern gedroht hatte.

Helmut Schmidt (SPD) und Franz Josef Strauß (CSU) in den 80er Jahren in Bonn: Strauß teilte heftig gegen Schmidt aus – verlor die Wahl ums Kanzleramt aber trotzdem.

© imago/Hermann J. Knippertz/IMAGO/Hermann J. Knippertz

Strauß gegen Schmidt: „Kriegskanzler“ und „reif für die Nervenheilanstalt“

Durchsetzen konnte sich Strauß wenige Jahre später trotzdem – wenn auch nur parteiintern gegen Helmut Kohl. In den Bundestagswahlkampf 1980 zog die Union mit dem CSU-Chef. Auch damals sprachen Beobachter vom härtesten der Geschichte, was wiederum vor allem auf das Austreten des CSU-Vorsitzenden zurückgeht.

Den amtierenden Kanzler und erneuten SPD-Kandidaten Helmut Schmidt nannte Strauß unter anderem „Kriegskanzler“, „Kriegsandrohungskanzler“ oder „Panikkanzler“. Auch bezeichnete er Schmidt und die Sozialdemokraten als „Werkzeuge Moskaus“. „Dieser Mann ist reif für die Nervenheilanstalt“, so der Bayer über den Hamburger.

Schmidt nutzte diese Aussagen in seinem Wahlkampf als Steilvorlage: Strauß habe sich nicht unter Kontrolle und sei damit in einer Zeit, in der sich der Kalte Krieg verschärfe, für das Amt des Kanzlers nicht geeignet.

Anders als der CSU-Vorsitzende trat Schmidt damals ruhiger, kühler und kontrollierter auf. Allerdings konnte auch der Hanseat anders: „Franz Josef Strauß redet wie der Bulle pisst“, sagte Schmidt im selben Wahlkampf. Einen Eklat löste dieser Satz damals nicht aus. Im Gegenteil: Strauß erzielte das bis dahin schlechteste Wahlergebnis der Union bei einer Bundestagswahl nach dem Zweiten Weltkrieg und Schmidt blieb Kanzler.

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