zum Hauptinhalt
Der französische Präsident Emmanuel Macron.

© REUTERS/Ludovic Marin

Frankreichs Präsident: Macron will härter gegen Antisemitismus vorgehen

Im Kampf gegen Antisemitismus hat Frankreichs Präsident eine Gesetzesänderung angekündigt. Auch auf Twitter und Facebook will er durchgreifen.

In Paris demonstrierten Zehntausende gegen Antisemitismus. Es war ein symbolischer Akt, an dem Regierungsmitglieder und ehemalige Präsidenten wie Nicolas Sarkozy und François Hollande teilnahmen. Im Jahr 2018 wurden 541 antisemitische Übergriffe verzeichnet, ein Anstieg von 74 Prozent gegenüber 2017. Antisemitismus ist wieder das große Thema in Frankreich. "Antisemitismus breitet sich aus wie ein Gift", sagte Innenminister Christophe Castaner.

Seit Tagen gibt es immer wieder neue Anzeichen, dass das Phänomen zunimmt. Das Porträt eines Straßenkünstlers der verstorbenen jüdischen Politikerin Simone Veil wurde mit dem Hakenkreuz versehen. Bei Straßburg wurden jüdische Gräber mit Hakenkreuzen beschmiert.

Der Philosoph Alain Finkielkraut wurde bei einer Demonstration der Gelbwesten in Paris als "Dreckszionist" bezeichnet. Festgenommen wurde der 36 Jahre alte Benjamin W. aus dem Elsass, der zum Islam konvertiert ist und sich seitdem Souleyman nennt. "L´Express" hatte das Thema diese Woche auf dem Titel und Premierminister Edouard Philippe erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin, Antisemitismus sei "sehr tief in der Gesellschaft verankert".

Immer mal wieder lodert Antisemitismus in Frankreich auf. Im Jahr 2014 wurden 851 Fälle registriert und im Jahr 2004 sogar 974 Fälle. Verschiedene Quellen sind die Ursache. Schon vor einigen Jahren zeigte sich, dass der islamistische Antisemitismus zunimmt, es gab Bandenkriege in Paris, Hassprediger stacheln in Moscheen zum Antisemitismus an. Dazu kommt weiterhin der rechtsradikale Antisemitismus.

Historikerin Carole Reynaud-Paligot sieht die wichtigste Quelle für Antisemitismus immer noch in den rechtsextremen Bewegungen: "Es ist ein traditioneller Antisemitismus aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Er entsteht aus einer nationalistischen Ideologie." Nazisymbole weisen auf diese Strömung hin. Sie sieht allerdings Verbindungen zu den 1930er Jahren als übertrieben an. Damals war Antisemitismus in Frankreich weit verbreitet: "Heute betrifft er nur eine Minderheit der Franzosen." Dazu kommt in jüngerer Zeit, dass die Politik Israels kritisiert wird, so Politologin Nonna Mayer von Sciences Po: "Seit dem Jahr 2000, je nachdem wie sich der Konflikt zwischen Israel und Palästina entwickelt, kommt es zu antisemitischen Akten."

Präsident Emmanuel Macron nimmt das Thema sehr ernst und sagte beim Jahresempfang des jüdischen Dachverbandes Crif: "Antisemitismus ist nicht das Problem der Juden, er ist das Problem der Republik." Frankreich, Europa und fast alle westlichen Demokratien erlebten gerade ein Wiederaufleben des Antisemitismus wie seit der Zeit des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Der Vorsitzende des Crif, Francis Kalifat sagte: "Antisemitismus ist ein Signal für die Schwächung der Demokratie in unserem Land." Ex-Präsident Nicolas Sarkozy betonte deshalb: "Der Staat muss antworten, mit extremer Strenge."

Anpassung des Gesetzes gegen Antisemitismus

Macron hat eine Anpassung des Gesetzes gegen Antisemitismus angekündigt. Antisemitische Äußerungen können schon jetzt strafverfolgt werden. Die Antisemitismus-Definition soll künftig um Antizionismus ergänzt werden. Das sei "eine der modernen Formen des Antisemitismus", sagte Macron. Er stellte auch die Auflösung von rassistischen und antisemitischen Gruppen in Aussicht. Dazu gehören Rechtsextreme wie "Bastion sociale" oder "Combat 18". Der Präsident will zudem Personen vom Zugang zu sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook ausschließen, die antisemitische und rassistische Äußerungen verbreiten.

Bisher hat das Problem in Frankreich über Jahrzehnte noch niemand in Griff bekommen. Grund dafür ist, dass Antisemitismus in Frankreich tief verwurzelt ist. Von Parteien wie dem Front National, die jetzt Rassemblement National heißt, und ihrem Gründer Jean-Marie Le Pen wurde er immer wieder neu angefacht. Seine Tochter Marine Le Pen hat im Präsidentschaftswahlkampf gegen Emmanuel Macron als ehemaliger Bankier für Rothschild gehetzt. Noch immer glauben überraschend viele Franzosen an eine jüdische Weltverschwörung, laut einer Ifop-Umfrage sind es 22 Prozent.

Doch nun kommt ein neues Phänomen dazu. In der Bewegung der Gelbwesten werden Verschwörungstheorien kommuniziert. Etwa gegen Macron, der Teil eines jüdischen Komplotts sei. Die Umfrage zeigt, wie weit verbreitet Weltverschwörungstheorien bei den Gelbwesten sind, denn sie ergab, dass 44 Prozent daran glauben. Schon länger zeigen sich extrem rechte Zeichen und Parolen im Zuge der Bewegung der Gelbwesten, die sich gegen den Vorwurf wehrt, rechtsextrem unterwandert zu sein.

Die Beschädigung des Triumphbogens Anfang Dezember geht auf das Konto von französischen Neonazis. Marine Le Pen und Nichte Marion Maréchal stehen zu den Gelbwesten. Ex-Premierminister Manuel Valls hätte deshalb härter durchgegriffen und die Demonstrationen verboten, er sagt über Antisemitismus: "Es ist ein Übel, das wiederbelebt wurde."

Zur Startseite