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Zeichen der Anteilnahme: Nach dem Mord an Samuel Paty trauerten deutsche Politiker vor der französischen Botschaft in Berlin.

© dpa

Macrons Kampf gegen den Islamismus: Das Problem des Nachbarn

Die Unterstützung aus Berlin für den französischen Präsidenten nach den Morden im Nachbarland hielt sich in Grenzen. Die Bundesregierung verfolgt einen anderen Ansatz.

Von Hans Monath

Es war nicht die Bundesregierung, die nach den Messerattacken in einer Kirche in Nizza das deutlichste Symbol der Solidarität für die Ermordeten und für den Kampf des Nachbarlandes gegen den Islamismus fand. Der Oppositionsabgeordnete Konstantin Kuhle (FDP) rief über Twitter zu einer Schweigeminute auf, „um die Opfer des islamistischen Terrors in Paris, Dresden und Nizza zu betrauern“. Viele Bundestagskollegen folgten und versammelten sich am Donnerstagabend still vor der französischen Botschaft in Berlin.

Seit Wochen führt der französische Präsident Emmanuel Macron einen Kampf nicht nur gegen islamistischen Terror, sondern gegen den Islamismus, also gegen den Extremismus, der sich auf den Islam beruft. Nach den Morden nahe der Hauptstadt Paris und in Nizza bekräftigte er sein Ziel. Paty war ermordet worden, weil er zum Thema Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Offensiv verteidigte der Präsident das Recht auf Blasphemie. Die Resonanz aus dem politischen Raum in Deutschland blieb übersehbar.

Hält sich die Bundesregierung bewusst zurück?

„Ich hätte mir in Anbetracht der schrecklichen Ereignissen der vergangenen Wochen wesentlich deutlichere Worte und Taten der Bundesregierung gewünscht“, sagt der Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai (FDP). Der Eindruck entstehe, die Regierung verschließe „die Augen davor, dass es sich nur nur um ein innerfranzösisches Problem handelt“. Vielmehr gehe es „um einen Angriff auf unsere gemeinsamen Werte, die Werte der Europäischen Union und somit auf uns alle“. Dies habe auch der Anschlag von Wien wieder deutlich gemacht.

Tatsächlich hält die deutsche Bundesregierung, die einen integrativen Kurs gegenüber Muslimen verfolgt, Distanz zu Macrons Vorgehen. Der Präsident des laizistischen französischen Staates bescheinigt dem Islam, eine Religion „in der Krise“ zu sein, und rief einen „Krieg gegen den politischen Islam“ aus. Sein Innenminister Gerald Darmanin kritisierte Lebensmittelangebote für Muslime in Supermärkten. Diese spalteten die Gesellschaft.

Kriegerische Rhetorik: Präsident Emmanuel Macron bei der Trauerfeier für den ermordeten Lehrer Samuel Paty.
Kriegerische Rhetorik: Präsident Emmanuel Macron bei der Trauerfeier für den ermordeten Lehrer Samuel Paty.

© AFP

In Berlin wird das genau registriert. „Macron neigt zu einer sehr rabiaten Sprache und hat in der Sache unnötig zugespitzt“, heißt es aus einer Regierungsfraktion. Der französische Präsident stehe unter Druck und wolle der Konkurrenz von rechts das Wasser abgraben: „Er hat Marine Le Pen im Nacken, die versucht, die Morde auszuschlachten.“

Der Chef des internationalen Thinktanks Global Public Policy Institute, Thorsten Benner, verteidigt die Bundesregierung allerdings. Sie habe Frankreichs Kampf für die Meinungsfreiheit und gegen Islamismus „immer sehr entschieden unterstützt – ob unter Macron oder auch unter Francois Hollande nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag“.

Der Staatsminister trauert in eine Schule um den toten Lehrer

Zudem gebe es im Nachbarland eine heftige Debatte darüber, ob man sich auf die Verteidigung von Grundrechten konzentrieren oder auch Kopftücher als „separatistisch“ bekämpfen solle. „Von der deutschen Regierung sollte man nicht verlangen, dass sie sich eindeutig in dieser innerfranzösischen Debatte um die Ausgestaltung des Laizismus positioniert, genauso wenig wie der französische Präsident sich unbedingt zum Berliner Neutralitätsgesetz äußern muss“, meint Benner.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), gedachte am Montag im Französischen Gymnasium in Berlin gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des ermordeten Lehrers Samuel Paty. Frankreichs Botschafterin Anne-Marie Descotes dankte ihm auf Twitter , er habe damit „auch die Unterstützung der deutschen Regierung gezeigt“.

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