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Kontrollen an den Grenzen.

© REUTERS/JOACHIM HERRMANN

Update

Mehrheit nun unsicher: Scheitert die Union heute mit ihren Migrationsanträgen?

AfD, FDP und das BSW wollen am Mittwoch nun doch nur noch einen Teil der Vorschläge von CDU-Chef Merz mittragen. Für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz wollen die Parteien weiterhin mitstimmen.

Stand:

Im Streit über eine verschärfte Migrationspolitik wackelt eine Bundestags-Mehrheit für die Anträge der Union. Die FDP, das Bündnis Sahra Wagenknecht und auch die AfD wollen nun doch nur noch einen Teil der Vorschläge mittragen.

Damit könnte bei der für Mittwoch vorgesehenen Abstimmung viel am Votum mehrerer fraktionsloser Abgeordneter hängen. Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion, über das am Freitag abgestimmt werden soll, wollen hingegen AfD, FDP und BSW mittragen.

Seitdem ein ausreisepflichtiger Afghane mit möglicherweise psychischer Beeinträchtigung vergangenen Mittwoch ein Kleinkind und einen Mann erstochen hat, dreht sich der Bundestagswahlkampf vor allem um das Thema Migration. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.

Daraufhin kündigte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) Pläne für härtere Migrationsregeln an.

Abstimmungen am Mittwoch und Freitag

Am Mittwoch soll der Bundestag über zwei Unionsanträge abstimmen, in denen unter anderem eine direkte Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen und dauerhafte Grenzkontrollen gefordert werden. SPD, Grüne und Linke wollen nicht zustimmen. Die Union bräuchte deshalb neben den Stimmen der FDP, die den Vorstoß teilweise unterstützt, die Stimmen der AfD und weiterer Abgeordneter.

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Position der AfD

Das sagen AfD-Politiker: „Dem Entschließungsantrag (27-Punkte) der Unionsfraktion, im Rahmen der Regierungserklärung von Olaf Scholz, wird die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland nicht zustimmen“, sagte AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla dem Tagesspiegel am Mittwoch. Er stellte damit klar, dass seine Fraktion nicht allen Unions-Anträgen zustimmen wolle.

Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Wir brauchen harte Gesetze, und auch wenn diese Gesetze von uns abgeschrieben sind – mir ist es letztendlich egal, wer es umsetzt, ob es die CDU oder die AfD ist“, sagte AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel den Sendern RTL und ntv.

Das sei „natürlich klar auf unserer Linie“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, vor Journalisten in Berlin. „Natürlich stimmen wir dem zu“, fügte er in Hinblick auf die Abstimmung am Freitag hinzu.

Müssen zu mehr Kontrolle und Konsequenz beim Zugang nach Deutschland finden.

Christian Lindner

Position der FDP

Das sagt die FDP: FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte zunächst, dass seine Partei im Bundestag für die von der Union angekündigten Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag stimmen wird – auch gemeinsam mit AfD und BSW.

„Die FDP wird Anträge der CDU unterstützen, unabhängig davon, wer auch im Bundestag diese Anträge passieren lassen will“, sagte Lindner dem Sender Phoenix. Er begründete dies damit, dass aus seiner Sicht die Vorlagen „in der Substanz richtig“ seien.

Mittlerweile ist aber klar: Die FDP-Fraktion will den Vorschlägen der Union nur teilweise zustimmen. Aus Fraktionskreisen wurde der Deutschen Presse-Agentur nach einer Sitzung erklärt, bei einer Abstimmung über den Antrag für einen „Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“ werde dieser von den Liberalen abgelehnt. Die FDP wolle eine Ausschussüberweisung.

FDP-Chef Christian Lindner

© IMAGO/Political-Moments/imago

„Eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse auf unbescholtene Bürger wird es mit uns nicht geben. Die Täter waren den Behörden bereits bekannt“, schrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr dazu bereits zuvor mit Blick auf mehrere tödliche Angriffe von Zuwanderern in den vergangenen Monaten.

Es könne nicht sein, dass „Menschen, die den Behörden bekannt sind, einfach vom Radar verschwinden“, sagte Dürr der dpa. Er warf den früheren Partnern der Ampel-Koalition vor: „SPD und Grüne weigern sich beharrlich, Ordnung und Kontrolle in die Migration zu bringen – und damit helfen sie in Wahrheit nur der AfD. Damit muss jetzt Schluss sein.“

Die Fraktion beschloss nach dpa-Informationen, dem von Unionskanzlerkandidat Merz vorgestellten Fünf-Punkte-Plan für eine Wende in der Migrationspolitik zuzustimmen. Sie will am Freitag auch für das „Gesetz zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ votieren.

Dürr forderte Merz zugleich auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Gesetz dann auch vom Bundesrat beschlossen werde. So habe der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther von der CDU bereits angekündigt, dass er das Gesetz wegen seiner schwarz-grünen Koalition im Bundesrat aufhalten werde. Es wäre „nicht darzustellen“ und „ein Treppenwitz“, wenn das Gesetz vom Bundestag beschlossen und dann im Bundesrat durchfallen würde, sagt Dürr.

Dürr sagte der dpa zudem, dass die FDP-Fraktion „einen Antrag in die Debatte einbringen“ werde, „der deutlich über die Vorschläge der Union hinausgeht, etwa indem wir die Entwicklungshilfe an Rückführungsvereinbarungen knüpfen und straffällige Ausreisepflichtige direkt festgesetzt werden.“ In dem Entwurf wird der Bundestag zudem aufgerufen, eine Entlassung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu fordern.

Sahra Wagenknecht stimmt der Union in der Migrationspolitik zwar nicht voll zu, will dem Gesetzesantrag trotzdem zustimmen.

© dpa/Christophe Gateau

Position des BSW

Das sagt das BSW: Das Bündnis Sahra Wagenknecht will nur einen Teil der Unionspläne zur Begrenzung der Migration mittragen. Man werde am Freitag für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz stimmen, sagte Parteichefin Sahra Wagenknecht.

Die zehn BSW-Abgeordneten wollen sich aber bei der Abstimmung über den Fünf-Punkte-Plan am Mittwochnachmittag enthalten. Dies teilte Parteichefin Sahra Wagenknecht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Merz’ Fünf-Punkte-Plan enthalte Richtiges, aber auch Symbolpolitik, sagte Wagenknecht. Sie monierte, dass die Union bei den Fluchtursachen nicht die Kriege der USA etwa im Irak nenne. Damit wird es für Merz sehr schwierig, mit AfD, FDP und Fraktionslosen eine Mehrheit zu bekommen.

Wagenknecht bekräftigte, dass das BSW den ebenfalls von Merz vorgelegten Plan mit 27 Punkten zur inneren Sicherheit ablehnen wird. Auch dafür ist demnach eine Mehrheit unsicher.

Am Wochenende hatte Wagenknecht zu den Vorschlägen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz noch allgemein gesagt: „Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen.“ Ohne die zehn Stimmen des BSW wird es für CDU/CSU schwieriger, eine Mehrheit im Bundestag zu finden.

Daten: wahlrecht.de, Stand 09.09.2025

Wagenknecht beklagte, dass Merz nicht auf das BSW zugegangen sei – „dass er gar nicht versucht hat, ins Gespräch zu kommen, so als wären wir irgendwie das beliebig manövrierbare Stimmvieh“. Die in den Anträgen formulierten Forderungen seien ein „Ausnutzen der Situation, um hier in Deutschland massive Grundrechtseinschränkungen durchzusetzen“.

Sie sprach von einer massiven Ausweitung der Rechte des Verfassungsschutzes. „Wir werden uns nicht daran beteiligen, jetzt Grundrechte zu schleifen und den Weg in einen Überwachungsstaat zu ermöglichen“, sagte Wagenknecht. Am Fünf-Punkte-Plan kritisierte sie, die Überwachung aller deutschen Grenzen sei gar nicht möglich, ebenso wenig wie die Inhaftierung von 50.000 Menschen, die abgeschoben werden sollten. „Das geht praktisch nicht“, meinte die BSW-Chefin.

Zurückweisungen an der Grenze befürwortete sie aber. Deutschland brauche eine „Atempause“. Die Zahl der aufgenommenen Geflüchteten müsse auf „deutlich unterhalb von 100.000“ pro Jahr sinken.

Tabu in der bundesrepublikanischen Geschichte

Sollte die Union am Freitag tatsächlich eine Mehrheit unter anderem zusammen mit der AfD finden, wäre dies ein mehrfacher Präzedenzfall. Zum einen würde die größte Oppositionspartei ein Gesetz durchsetzen, während Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit der amtierenden rotgrünen Minderheitsregierung keine Mehrheit mehr hat.

Zum anderen galt es bisher in der bundesrepublikanischen Geschichte als Tabu, bei einer Abstimmung auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz forderte die Union derweil auf, ihren Widerstand gegen vorliegende Gesetzentwürfe zu schärferen Asyl- und Sicherheitsmaßnahmen aufzugeben. Es sei „empörend“, dass CDU/CSU einerseits unausgegorene oder klar rechtswidrige Vorschläge mache, es andererseits aber konkrete Vorschläge der Regierung gebe, die gerade von der Union aufgehalten würden, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Dienstag in der ARD.

So lägen Gesetzentwürfe zu besseren Handelsmöglichkeiten der Polizei mit biometrischen Abgleichen, ein Gesetz zur Verbesserung der Möglichkeiten der Bundespolizei sowie ein Gesetz für das europäische Asylsystem vor, das viele der Fragen löse, die die Menschen jetzt umtrieben. Im Übrigen habe die Regierung dafür gesorgt, dass es 2024 bereits 40.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gegeben habe.

Den SPD-Vorschlägen erteilte die Union eine Absage. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sprach von einer reinen Placebo-Politik der SPD, die nicht für mehr Sicherheit sorgen werde. Die Entwürfe würden zudem vor der Bundestagswahl nicht mehr umgesetzt werden können. Er rief wiederum SPD und Grüne dazu auf, für den Vorschlag der Union zu stimmen, um ihm ohne die Stimmen der AfD zu einer Mehrheit zu verhelfen.

Ähnlich verhält sich aber auch mit Unions-Vorstoß. Selbst wenn eine Mehrheit im Bundestag zustimmen sollte, gilt eine Umsetzung als unwahrscheinlich, da auch der Bundesrat zustimmen müsste. In der Länderkammer dürfte es allerdings keine Mehrheit geben. Frei sprach von einer großen Herausforderung im Bundesrat – mit einer eigenen Unions-Mehrheit sei dort eine Zustimmung nicht möglich. (Tsp, Agenturen)

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