Afghanistan: Merkel besorgt über Prozess
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich besorgt über den Prozess gegen den 40-Jährigen wegen dessen Übertritts zum Christentum. Die afghanische Regierung reagierte auf Kritik mit Empörung.
Berlin/Kabul - Im Fall des von Hinrichtung bedrohten Afghanen Abdul Rahman erhöht die Bundesregierung den Druck auf die Führung in Kabul. Die afghanische Regierung wies Kritik aus Deutschland und Europa am Verfahren gegen Rahman empört zurück. Zu Drohungen deutscher Politiker, im Falle einer Todesstrafe für Rahman die Hilfe für Afghanistan einzustellen oder Soldaten abzuziehen, sagte der afghanische Wirtschaftsminister Amin Farhang der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Kabul: «Das grenzt an Erpressung.»
Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm lässt sich Merkel von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ständig über die Entwicklung unterrichten. In einem Telefongespräch mit seinem afghanischen Amtskollegen Abdullah Abdullah äußerte Steinmeier die Sorge der Bundesrepublik über eine Verhängung der Todesstrafe. Das Auswärtige Amt (AA) wies darauf hin, Afghanistan habe Menschenrechtskonventionen unterzeichnet, in denen ausdrücklich Religionsfreiheit garantiert werde. Auch die Vereinten Nationen zeigten sich besorgt über die drohende Todesstrafe.
Deutsche Soldaten werden nicht abgezogen
Eine Absage erteilte ein AA-Sprecher Forderungen aus der FDP nach einem Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan für den Fall, dass Rahman zum Tod verurteilt wird. Zwischen diesen beiden Fragen gebe es «keinen Zusammenhang». Italiens Außenministers Gianfranco Fini zeigte sich optimistisch, dass es nicht zur Todesstrafe kommt. Er habe «gute Gründe» zu sagen, dass ein eventuelles Todesurteil nicht vollstreckt würde, sagte er nach einem Treffen mit dem afghanischen Botschafter in Rom. Farhang sicherte Rahman, der lange in Deutschland gelebt hat, ein faires Verfahren zu. Der Minister sagte, möglicherweise sei Rahman unzurechnungsfähig.
Nach Ansicht des Zentralrats der Muslime in Deutschland muss das Recht auf einen Religionswechsel akzeptiert werden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland übte scharfe Kritik an dem drohenden Todesurteil. Die Regierung in Kabul sei offenbar dabei, vor den religiösen Fundamentalisten zu kapitulieren, erklärte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer. Der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, forderte einen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge, denen aus Glaubensgründen Gefahr für Leib und Leben drohe. FDP- Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verlangte einen befristeten Abschiebestopp für alle afghanische Flüchtlinge.
Im Falle eines Todesurteils für Rahman müsste der afghanische Präsident Hamid Karsai die Vollstreckung anordnen. Farhang sagte, er sei sicher, dass auch unter Berücksichtigung der Scharia, des muslimischen Rechtssystems, und des Korans eine «gute Lösung» in dem Fall gefunden werde. Der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch) sagte Farhang, die «hitzige und emotionale Reaktion deutscher Politiker» habe bei den Afghanen für Unmut gesorgt. «Wir mischen uns auch nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik oder gar in laufende Rechtsverfahren ein.»
Test für Demokratie und die Verfassung
Unterdessen forderten deutsche Politiker erneut eine Änderung der betroffenen afghanischen Gesetze, wonach Konvertiten nach islamischem Recht die Todesstrafe droht. Das ist allerdings durch die afghanische Verfassung ausgeschlossen. Die USA bezeichneten das Verfahren als Test für die Demokratie und die Verfassung in Afghanistan. Die afghanische Verfassung schreibe Glaubensfreiheit fest, sagte der Staatssekretär im US-Außenministerium, Nicholas Burns, in Washington nach einem Gespräch mit dem afghanischen Außenminister Abdullah. Abdullah sprach von einem sehr heiklen Problem.
Fini betonte, italienische Truppen würden nicht aus Protest aus Afghanistan abgezogen. Italien hat derzeit mehr als 2000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Die Bundeswehr stellt rund 2700 Soldaten der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (ISAF).
Rahman war im Februar festgenommen worden, weil seine Familie ihm Glaubenswechsel vorgeworfen hatte. Der Angeklagte war vor 16 Jahren zum Christentum übergetreten, als er für eine Hilfsorganisation in Pakistan arbeitete. Er kehrte aus Deutschland in seine Heimat zurück, um sich um das Sorgerecht für seine bei den Großeltern lebenden beiden Töchter zu bemühen. Im Streit darum wurde der Glaubenswechsel den Behörden bekannt und Rahman verhaftet. (tso/dpa)