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Im Februar nahm Angela Merkel (CDU) an der 55. Münchner Sicherheitskonferenz teil.

© Sven Hoppe/dpa

Merkel zum Verteidigungsetat: Wie verlässlich ist die Kanzlerin noch?

Angela Merkel will den Wehretat bis 2024 auf 1,5 Prozent vom BIP erhöhen, ihn zuvor aber senken – und lässt offen, wie sie es dann schaffen will. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Bundeskanzlerin wollte "etwas zurechtrücken" - also einen angeblich falschen Eindruck korrigieren. Statt dessen hat sie die Unklarheit noch vergrößert. Die Verbündeten in Nato und EU wollen wissen: Hält Deutschland sich an die mehrfach bekräftigte Zusage, seine Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 1,5 Prozent des BIP zu erhöhen? Oder wird es - wieder - wortbrüchig?

Ist Deutschland noch vertrauenswürdig?

Daran hängt jetzt, das muss man so deutlich sagen, die internationale Vertrauenswürdigkeit dieses Landes und seiner Regierung. Die hoch und heilig zugesagten 1,5 Prozent sind das Ergebnis einer langwierigen Debatte mit dem Ziel, Deutschlands Bündnisfähigkeit nach einem Wortbruch zu unterstreichen. Eigentlich ist die Zielmarke, die SPD- wie CDU-Minister mehrfach mit beschlossen haben, zwei Prozent. Die angeblich unverbrüchliche Zusage von 1,5 Prozent war der Rettungsanker.

Angela Merkel hat auf der "Global Solutions"-Konferenz bekräftigt, dass die 1,5 Prozent bis 2024 gelten und auch erreicht werden. Aber sie hat zugleich bestätigt, dass nach der Ausgabenplanung ihrer Regierung die Verteidigungsausgaben nicht linear auf diesen Wert hin steigen werden. Sondern sie werden erst einmal wieder sinken: von 1,37 Prozent des BIP 2020 auf 1,25 Prozent des BIP 2023.

Da bleibt eine entscheidende Frage offen - und dazu sollte sie sich erklären: Wie will sie von 1,25 Prozent 2023 auf 1,5 Prozent 2024 kommen? Und warum ist das der bessere Weg, als die Verteidigungsausgaben kontinuierlich zu erhöhen, ohne Sprünge vor und zurück?

Es geht um Europa, nicht um Trump und Grenell

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz und bei anderen internationalen Treffen ist längst klar geworden: Einen erneuten Wortbruch können sich die Deutschen nicht leisten, ohne Schaden für ihr Ansehen zu riskieren. Das gilt in der Nato, das gilt aber ebenso beim Aufbau einer gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU.

Es hat also nicht allein mit Donald Trump zu tun, folglich auch nicht mit seinem Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Die Empörung über Grenell gehört zu den Ablenkungsmanövern, mit denen innenpolitische Taktierer wie Wolfgang Kubicki den Druck von der entscheidenden Frage nehmen wollen. Die richtet sich an die Deutschen: Ist Deutschland in der Sicherheitspolitik verlässlich, ja oder nein?

In der Neigung, Ablenkungsdebatten zu führen, statt die eigentliche Kernfrage zu diskutieren, zeigt sich einmal mehr, wie bequem sich die deutsche Politik und Gesellschaft in der Illusion eingerichtet haben, sie könnten ignorieren, was weltpolitisch vorgeht. Deutschland ist die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Erde und Exportweltmeister. Da kann man nicht so tun, als sei man eine große neutrale Schweiz.

Die internationalen Rahmenbedingungen werden riskanter und konfrontativer. Selbst wenn Deutschland in den USA einen unverändert verlässlichen Garanten seiner Sicherheit hätte, müsste es mehr tun. Und wie Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe fordert, die stärkste konventionelle Streitkraft Europas aufbauen.

Unabhängig werden, ohne Geld dafür auszugeben - das geht nicht

Nun sagen Politiker und Experten aller Couleur aber, Deutschland und Europa müssten "strategisch autonom" werden - auch wegen Trump, aber nicht nur wegen Trump. Dann also müssten sie doppelte Anstrengungen unternehmen.

Wie passt es zusammen, dass Deutschland mehr sicherheitspolitische Selbständigkeit für sich und für Europa fordert, aber das nötige Geld nicht bewilligen möchte? Die Bundeswehr ist in einem erbarmenswerten Zustand. Ein Großteil des Geräts ist nicht einsatzfähig. Deutschland unterschreibt gemeinsame Rüstungsvorhaben mit Frankreich - ein gemeinsamer Panzer, ein gemeinsames Kampfflugzeug. Auch das kostet Geld, aber auch dafür sind die nötigen Mittel nicht eingeplant.  

Die SPD scheint in ihrer Existenzangst jede Staatsräson vergessen zu haben. Sie setzt auf Sozialausgaben zum Wählerfang statt auf Sicherheit. Ob sie sich da nicht verkalkuliert, was den Wählern wichtiger ist? Und die CDU kann sich in ihrer Übergangssituation offenbar nicht entschließen, eindeutig Position zu beziehen.

Das alles gehört zum Kontext, warum Deutschlands Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht. Es geht nicht um Trump. Es geht um die Frage, ob die Deutschen verlässliche Verbündete für Franzosen, Niederländer, Spanier oder Kanadier sind. Oder eben nicht.

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