
© Marie Staggat
Ministerin Steffi Lemke über ökologisches Wirtschaften: „Die Schwierigkeit liegt im Umdenken“
Was kann die Menschheit tun gegen Klimakrise, Artenaussterben und Vermüllung? Bei ihrem Vortrag im Rahmen der Tagesspiegel Sustainability Week stellte die Bundesumweltministerin eine Idee vor.
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Gerade ist sie von der Weltbiodiversitätskonferenz im kolumbianischen Cali zurück in Berlin. Nächste Woche geht es zur Weltklimakonferenz in Aserbaidschan. Dazwischen findet Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) trotzdem Zeit für einen Besuch beim Tagesspiegel. Bei der Future Sustainability Week 2024 erklärte sie, wie Umwelt- und Wirtschaftspolitik zusammen gedacht werden können, befragt von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff. Das Thema ihres Vortrags: die Kreislaufwirtschaft.
Die Weltbevölkerung habe derzeit mit drei ökologischen Krisen zu kämpfen, sagte Lemke zu Beginn: Klimakrise, Artenaussterben und Vermüllung. „Dafür ist die Kreislaufwirtschaft eine der entscheidenden Lösungen.“
Kreislaufwirtschaft, so lautet der Fachbegriff für das Produzieren und Handeln innerhalb geschlossener Stoffkreisläufe. Abfälle sollen vermieden werden, indem möglichst viel recycelt und repariert wird. Das schont die natürlichen Ressourcen.
Kreislaufwirtschaft soll Lieferketten sichern
Doch auch aus wirtschaftspolitischer Sicht sei der Ansatz sinnvoll: „Kreislaufwirtschaft erhöht die Sicherheit von Lieferketten“, sagte Lemke. Zudem sei Deutschland ein rohstoffarmes Land und deshalb auf Importe aus anderen Staaten angewiesen. Die Wirtschaft auf geschlossene Kreisläufe auszurichten, mache das Land unabhängiger – einerseits von anderen Staaten, andererseits von steigenden Rohstoffpreisen. Die seien bei einer wachsenden Weltbevölkerung und zunehmendem Konsum zu erwarten.
Als das Ding gebaut wurde, hat keiner daran gedacht, dass man es irgendwann zurückbauen muss.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) über ein stillgelegtes Kernkraftwerk
„Die Schwierigkeit liegt im Umdenken“, sagte Lemke. „Wir müssen uns schon beim Design von Produkten fragen: Wie können wir sie möglichst lange nutzen? Wie können wir sie reparieren? Wie recyceln?“
Bei Straßenbau und Maschinenherstellung bleibt noch viel zu tun
Die Ministerin erzählte von einem Besuch des 1995 stillgelegten Kernkraftwerks in Greifswald. Dort habe ein Arbeiter zu ihr gesagt: „Als das Ding gebaut wurde, hat keiner daran gedacht, dass man es irgendwann zurückbauen muss.“ Es gab keine Strategie, wie die Materialien aus dem Kraftwerk wiederverwendet und entsorgt werden können. In einem auf Kreisläufe ausgerichteten Wirtschaftssystem würde so etwas nicht passieren.
Der Kraftwerkbau ist nur ein Beispiel für Bereiche, in denen es noch Stoffkreisläufe zu schließen gibt. Lemke nannte außerdem den Straßenbau und die Maschinenherstellung.
Im Juni hat das Bundesumweltministerium einen Entwurf für eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgelegt. Dieser befindet sich nun in der Abstimmung mit anderen Ministerien. Er sieht vor, den Verbrauch neuer Rohstoffe bis 2045 zu halbieren, von jährlich 16 Tonnen pro Kopf der Bevölkerung auf acht Tonnen. Gleichzeitig soll sich der Anteil recycelter und wiederaufbereiteter Rohstoffe bis 2030 verdoppeln, die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten gestärkt werden und weniger Abfall produziert werden. Die Bundesregierung orientiert sich dabei an EU-Zielen.
Auf die Frage von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff, wie sich die Kreislaufwirtschaft angesichts der aktuell kriselnden Konjunktur entfalten soll, entgegnete Lemke, dass der Ansatz Raum für neue Geschäftsmodelle biete. Manche Unternehmen wünschten sich sogar explizit mehr Kreislaufwirtschaft, etwa in der chemischen Industrie und im Verkehrssektor. Deshalb ist für sie klar: „Das Umdenken muss jetzt beginnen.“
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