zum Hauptinhalt
Irans Oberster Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei bei einer Ansprache in Teheran im Februar 2023.

© REUTERS/WANA NEWS AGENCY

Nach Bericht über Folter an Kindern: „Endlich gesamte Iran-Politik ändern“

Laut Amnesty üben iranische Sicherheitskräfte systematisch Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aus. Röttgen fordert, Deutschland muss Handelsbeziehungen abbrechen.

Von

Nach Berichten über systematische Folter an Kindern im Iran wächst der Druck auf die Bundesregierung, ihre Politik gegenüber dem Regime in Teheran grundlegend zu ändern. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), forderte, die Bundesregierung und die EU müssten „endlich ihre gesamte Iran-Politik verändern“. Er brachte in diesem Zusammenhang eine Schließung der Gesprächskanäle in den Iran und einen Abbruch der Handelsbeziehungen ins Spiel.

Laut einem Bericht von Amnesty International (AI) sind Kinder und Jugendliche unter iranischen Demonstrantinnen und Demonstranten. Sie waren Schlägen, Auspeitschungen, Elektroschocks, Vergewaltigungen und anderer sexueller Gewalt durch Geheimdienste und Sicherheitsbehörden ausgesetzt. Nach Darstellung der Menschenrechtsorganisation zielt die Gewalt darauf, die Jugend des Landes zu unterdrücken und ihren Protest zu brechen.

Das Regime muss auf die Terrorliste

Röttgen sagte dem Tagesspiegel: „Dass Kinder gefoltert und Mädchen in Schulen vergiftet werden, um sie und ihre Familien einzuschüchtern, zeigt, mit was für einem brutalen Unrechtsregime wir es zu tun haben.“ Es gebe nicht „die eine Maßnahme, die als Reaktion auf dieses menschenverachtende Vorgehen angemessen wäre“.

Es gehe nun um eine neue, andere Iran-Politik Deutschlands und der EU. Im Zentrum müsse die Aufnahme der Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU stehen. Dies werde dem Regime verdeutlichen, „dass wir es ernst meinen“. Röttgen weiter: „Gesprächskanäle und Handelsbeziehungen können zu einem Regime, das Kinder foltert, Mädchen vergiftet und Frauen vergewaltigt und ermordet, nicht aufrecht erhalten werden."

Es ist abscheulich, dass Beamte ihre Macht auf diese Weise gegenüber schutzbedürftigen und verängstigten Kinder missbrauchen, ihnen und ihren Familien schwere Schmerzen und Ängste zufügen und sie mit schweren körperlichen und seelischen Narben zurücklassen.

Dieter Karg, Iran-Experte bei Amnesty International Deutschland

Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, forderte ebenfalls die Terrorlistung der Revolutionsgarden. „Dass das iranische Regime mittlerweile noch nicht einmal davor zurückschreckt, Kinder zu foltern und sexueller Gewalt auszusetzen ist absolut abscheulich“, sagte der FDP-Politiker dem Tagesspiegel. Die Machthaber im Iran zeigten „immer schonungsloser ihr widerwärtiges und menschenverachtendes Gesicht“. Die Revolutionsgarden müssten endlich auf die europäische Terrorliste gesetzt werden. „Was muss denn noch geschehen, damit man sich auf EU-Ebene zu diesem Schritt durchringt?“, fragte der liberale Politiker.

Proteste im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini, die in Polizeigewahrsam gestorben war.
Proteste im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini, die in Polizeigewahrsam gestorben war.

© AFP/-

Der Iran-Experte bei Amnesty Deutschland, Dieter Karg, sagte: „Es ist abscheulich, dass Beamte ihre Macht auf diese Weise gegenüber schutzbedürftigen und verängstigten Kindern missbrauchen, ihnen und ihren Familien schwere Schmerzen und Ängste zufügen und sie mit schweren körperlichen und seelischen Narben zurücklassen.“

Amnesty hatte Gewalt vom Zeitpunkt der Festnahme dokumentiert, wo Kinder und Jugendliche in den Gefängnistransportern geschlagen und in den Haftanstalten gefoltert wurden. Dazu zählten auch Elektroschocks an Genitalien, die erzwungene Verabreichung unbekannter Tabletten sowie schwere Drohungen. Bevor sie freigelassen wurden, drohten Staatsbeamte den Kindern oft mit der Verhaftung ihrer Verwandten, falls sie sich beschwerten.

Laut AI wurden auch Kinder gefoltert, die nicht älter als zwölf Jahre alt waren. Ihren Bericht stützen die Menschenrechtler auf Zeugenaussagen Dutzender Inhaftierter und ihrer Angehöriger. Angesichts der überwiegend jungen Protestteilnehmer geht Amnesty davon aus, dass Tausende Kinder inhaftiert waren.

Erst vor wenigen Tagen hatte Irans Justiz offenbart, dass mindestens 22.000 Demonstranten festgenommen worden waren. Ein Großteil der Protestteilnehmer soll inzwischen freigekommen sein. Genaue Zahlen gibt es von staatlicher Seite nicht.

Auslöser der jüngsten Protestwelle im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige wurde Mitte September von den Sittenwächtern wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen und starb wenige Tage später im Polizeigewahrsam.

Zu Beginn richteten sich die Proteste noch gegen die Kopftuchpflicht. Später forderten die Demonstranten den Sturz der Islamischen Republik. Inzwischen zeigt sich die politische und geistliche Führung wieder selbstbewusst. Vor allem die junge Generation protestierte jüngst. Der Großteil soll nicht älter als 25 Jahre gewesen sein.

Seit der Protestwelle im Herbst steht Irans Führung unter Druck wie noch nie seit der Islamischen Revolution 1979. Auch Monate nach den Aufständen setzen viele Frauen ihren Protest in anderer Form fort, etwa durch das demonstrative Ignorieren der Kopftuchpflicht.

Amnesty forderte eine Freilassung der inhaftierten Kinder und appellierte an die internationale Staatengemeinschaft: „Da es keine Aussicht auf wirksame unparteiische Untersuchungen der Folter von Kindern in Iran gibt, fordern wir alle Staaten wie auch die Bundesregierung auf, universelle Gerichtsbarkeit über iranische Beamte auszuüben“, sagte Karg. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false