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Nach tödlicher Messerattacke auf Polizisten: Unionspolitiker fordern Abschiebungen nach Afghanistan – Baerbock skeptisch
Nach der Messerattacke in Mannheim werden in der Politik zahlreiche Forderungen nach Konsequenzen laut. Doch bei Abschiebungen nach Afghanistan äußert sich Außenministerin Baerbock skeptisch.
Stand:
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußert sich skeptisch zur Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan. „Das ist alles andere als trivial, denn um zentrale rechtsstaatliche und vor allem Sicherheitsfragen kommt man dabei nicht herum“, sagte Baerbock am Dienstag in Berlin. Das Innenministerium prüfe Abschiebungen in das Land seit geraumer Zeit.
„Wie will man mit einem islamistischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?“, fragte Barbock. Deutschland habe keine Botschaft vor Ort, die Abschiebungen begleiten könnte.
Die Diskussion um die Abschiebung von Straftätern aus Deutschland nach Afghanistan und Syrien hatte zuvor an Fahrt aufgenommen. Unions-Innenminister unterstützten am Dienstag den Vorstoß des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer künftig auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.
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Allerdings wird auch Kritik am Zeitpunkt des Vorschlags laut, der nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim durch einen Afghanen bundesweit kontrovers diskutiert wird.
„Es ist spät, aber immerhin: Hamburg und die Bundes-SPD erwachen endlich beim Thema Abschiebung“, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Schuster verwies darauf, dass entsprechende Vorschläge bereits im vergangenen Jahr hätten umgesetzt werden können.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) drängte ebenfalls auf konkrete Schritte zur Rückführung von Straftätern und Gefährdern. Zudem kritisierten Hermann, aber auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thorsten Frei (CDU), sowie CSU-Landesgruppenchef, Alexander Dobrindt, die Bundesregierung für ihre bisherige Untätigkeit in dieser Angelegenheit und betonte die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs.
Frei sagte zu den Forderungen aus der SPD: „Aus meiner Sicht ist das alles wenig glaubhaft und zeigt einfach, dass es jedenfalls erhebliche Teile in dieser Bundesregierung gibt, die ganz offensichtlich gar keine Lösung des Themas wollen.“
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), äußerte sich zwar positiv über mögliche Fortschritte in der Debatte, betonte jedoch gleichzeitig, dass Abschiebungen allein nicht ausreichen, um sämtliche Probleme zu lösen. Es bedürfe weiterer Maßnahmen, um potenzielle Täter frühzeitig zu identifizieren und Gewalttaten zu verhindern.
CDU kritisiert „Nichthandeln der Bundesregierung“
Der CDU-Politiker Thorsten Frei wirft der Ampel-Regierung Untätigkeit bei der Abschiebung afghanischer Straftäter nach Afghanistan vor. Wenn es aus dem Innenministerium nun Meldungen gebe, dass man eine Abschiebung prüfen wolle, „ist das für mich eher ein Euphemismus für Nichthandeln in der Bundesregierung“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag in Berlin.
„Aus meiner Sicht ist das alles wenig glaubhaft und zeigt einfach, dass es jedenfalls erhebliche Teile in dieser Bundesregierung gibt, die ganz offensichtlich gar keine Lösung des Themas wollen“, fügte er in Anspielung auf Widerstand der Grünen hinzu. Die Argumente, dass es schwierig sei, mit der international nicht anerkannten radikal-islamischen Taliban-Regierung Absprachen zu treffen, seien vorgeschoben.
Merz bietet Zusammenarbeit im Kampf gegen Islamismus an
Unionsfraktionschef Friedrich Merz forderte die Ampel-Regierung zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung gegen den politischen Islamismus in Deutschland auf. „Ich weiß, dass das schwierig ist. Aber ich biete der Bundesregierung ausdrücklich an, dass wir dies gemeinsam tun“, sagte der CDU-Vorsitzende am Montag vor einer Sitzung der CDU/CSU-Abgeordneten in Berlin. „Denn das ist für uns alle eine Herausforderung unserer Demokratie. Es ist es eine Herausforderung für die Sicherheit in unserem Land.“
Und weiter: „Das Auswärtige Amt prüft jetzt seit Monaten. Wir fordern die Bundesregierung auf, nun mal endlich ein Ergebnis dieser Prüfungen vorzulegen“, verlangte er. „Nach unserer Auffassung sind Abschiebungen von schweren Straftätern nach Syrien und nach Afghanistan heute schon möglich.“ Bei den Prüfungen geht es darum, ob die Sicherheitslage in den Ländern eine Abschiebung schwerer Straftäter aus Deutschland ermöglicht.
Faeser warnt vor Generalverdacht gegen Muslime
Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte derweil vor Pauschalverurteilungen und versprach gleichzeitig ein hartes Durchgreifen gegen Extremisten. „Wir lassen uns von Extremisten und Terroristen nicht spalten“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. „Wir unterscheiden zwischen Muslimen, die zu uns gehören, und Islamisten, die wir mit aller Härte bekämpfen“, sagte Faeser.
Es sei gut, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Fall „aufgrund klarer Hinweise für ein islamistisches Motiv“ übernommen habe. Die Sicherheitsbehörden hätten die islamistische Szene fest im Blick, „und wir verstärken diesen Kampf weiter“, sagte die Ministerin. Auch wer solche Taten im Internet verherrliche, müsse mit Strafverfolgung rechnen.

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Grüne: Abschiebungen nicht sinnvoll
Die Grünen-Politikern Lamya Kaddor hält Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan indes nicht für sinnvoll. Denn dort hätte ein in Deutschland verurteilter Täter unter den radikalislamischen Taliban womöglich „gar keine Strafe mehr zu befürchten“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. „Wahrscheinlich wird er dort noch eher belohnt.“
Kaddor verwies darauf, dass Abschiebungen nach Afghanistan wegen der Lage in dem Land derzeit rechtsstaatlich nicht möglich seien. „Wollen wir wirklich diplomatische Beziehungen mit dem Taliban-Regime in Afghanistan aufbauen und denen Geld geben, dass sie Menschen nach Afghanistan zurücknehmen“, fragte sie. „Ich würde eher sagen: Menschen, die hier verurteilt wurden, die hier Straftaten verübt haben, schwere Gewaltstraftaten, sollten auch hier ihre Strafe bekommen.“
Nach tödlicher Messerattacke: Städtetag fordert Messerverbotszonen
Der Deutsche Städtetag fordert nach dem Tod von Rouven L. klarere Regeln für das Erlassen von Messerverbotszonen. „Bund und Länder sollten dafür sorgen, dass die Städte solche Zonen rechtssicher einführen können, wenn sie das für richtig halten“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). Es gebe Beispiele, bei denen ein Gericht solche Verbotszonen wieder gekippt habe.
Dedy betonte, Waffen- und Messerverbotszonen seien „eine Möglichkeit, ein klares Zeichen gegen Gewalt zu setzen und das Sicherheitsgefühl in der Stadt zu erhöhen.“ Absolute Sicherheit böten sie aber nicht. Wichtig seien dafür vor allem Kontrollen.
„Polizei und kommunale Ordnungsdienste müssen personell und technisch so ausgestattet sein, dass sie Waffenverbote auch durchsetzen können“, betonte der Städtetags-Hauptgeschäftsführer. Zumal das Tragen gefährlicher Waffen auch außerhalb möglicher Verbotszonen in der Öffentlichkeit nicht erlaubt sei.
Messerattacke auf Polizisten löst bundesweit Entsetzen aus
Die Tat vom vergangenen Freitag hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Auf dem Mannheimer Marktplatz hatte ein Mann mehrere Menschen mit einem langen Messer attackiert. Dabei wurden sechs Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt.
Den Polizisten stach der mutmaßliche Täter mehrmals in den Bereich des Kopfes. Der Angreifer wurde von einem anderen Polizisten mit einem Pistolenschuss gestoppt. Der 29-jährige Polizeibeamte starb am Sonntagnachmittag an den Folgen seiner Verletzungen.
Die Messerattacke ereignete sich bei einem Stand der „Bürgerbewegung Pax Europa“. Deren Mitglied Michael Stürzenberger, ein islamkritischer Aktivist, wurde schwer verletzt und musste in einer Klinik operiert werden. Der mutmaßliche Angreifer ist laut Polizei ein in Afghanistan geborener 25-jähriger Mann, der seit 2014 in Deutschland lebt. (Reuters, epd)
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