
© dpa/Wolfgang Kumm
Ost und West nach 35 Jahren: Der Blick auf die Einheit ist noch gespalten
Der Einheitsmonitor zeigt: Noch gibt es zu viele Regionen im Osten, die sich nicht ausreichend wahrgenommen fühlen. In ihnen entscheidet sich, ob das Gemeinsame wirklich gelingt.

Stand:
Kaum zu glauben, aber schön zu wissen: Die Deutschen sind überwiegend zufrieden. Auch wenn das Zutrauen in die Zukunft seit der Corona-Pandemie und dem russischen Krieg in der Ukraine abgenommen hat, so zeigt sich in der neuen Tagesspiegel-Umfrage „Einheitsmonitor“ doch ein erstaunlich gutes Gesamtbild: 35 Jahre nach der Wiedervereinigung sind 60 Prozent aller Menschen im Land zufrieden mit ihrer persönlichen Lebenssituation, nur 23 Prozent sind unzufrieden.
Laut der Umfrage, die das Institut Civey digital in allen deutschen Landkreisen durchgeführt hat, sind die Ostdeutschen kaum enttäuschter. 58 Prozent können mit ihrer persönlichen Lebenssituation gut leben; 25 Prozent eher nicht. Schön, dass das Schöne überwiegt.
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Der Kommentar von Robert Ide zum Nachhören:
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Die Unterschiede zwischen den Regionen sind allerdings noch zu groß, um in vorbehaltlosen Jubel auszubrechen. Selbst innerhalb des Ostens gibt es deutlich größere Unzufriedenheiten, etwa im Erzgebirge, im Vogtland oder in Vorpommern, als zum Beispiel in Brandenburg.
Am unzufriedensten im Osten sind mit 36 Prozent die Leute im sächsischen Landkreis Zwickau – hier will in einer traditionell industriestarken Region Volkswagen die Produktion seiner Elektroautos stark herunterfahren. Und die Menschen bangen. Ob alles mühsam Aufgebaute wieder abgebaut wird. Ob die Kinder in der Heimat bleiben. Ob sich eine Zukunft fernab der blühenden Metropolen lohnt. Der Stand der Deutschen Einheit, ihr emotionales Fundament, wird gerade in solchen Regionen entschieden.
Ein gemeinsames Glück – ganz vollzogen ist es auch nach 35 Jahren noch nicht. Ein großes Thema für viele Ostdeutsche bleibt ihre bundesweite Repräsentanz. 76 Prozent der hier Befragten sehen ihre Region nicht gut vertreten, genauso viele Ostdeutsche sehen sich gegenüber Westdeutschen benachteiligt. Angesichts geringerer Löhne, Vermögen und Renten kann das kaum verwundern.
Während also drei Viertel der Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge strukturelle Nachteile für den Osten beklagen, wird diese Wahrnehmung nur von einem Viertel der Westdeutschen geteilt (25 Prozent). Auch wenn vieles an der Einheit gelungen sein mag, der gemeinsame Blick darauf bleibt höchst gespalten.
Ein wichtiger Fokus muss deshalb auf mehr Diversität in den Eliten gelegt werden, damit auch die Interessen der Ostdeutschen endlich besser vertreten werden. Die Politik ist mit 21 Prozent Ostdeutschen in Führungspositionen schon weit gekommen; das entspricht ungefähr dem Anteil von Ostdeutschen in Deutschland.
Erschreckend schwach bleibt laut dem „Elitenmonitor“ der Ost-Beauftragten der Bundesregierung dagegen die Quote in der Kultur – hier kommen nur 6,8 Prozent der Führungskräfte aus dem Osten. In der Wirtschaft ist ihr Anteil gar auf beschämende 4,0 Prozent gesunken.
Erst wenn es hier für alle sichtbar zu wirklichen Veränderungen kommt, wird sich wohl ein Konzern wie VW beim Umbau nicht zuerst gegen seinen Ost-Standort entscheiden. Und erst dann wären alle zusammen zufriedener. Gerade in den Regionen, von denen abhängt, ob sich Deutschland wirklich vereint fühlen darf.
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Jeden Donnerstag ab 6 Uhr kommentiert Robert Ide politische Themen bei Simone Panteleit und Team im Berliner Rundfunk 91.4. Im Tagesspiegel finden Sie den Kommentar zum Nachlesen und Nachhören.
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