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Außenministerin Annalena Baerbock und ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang.

© action press/MICHELE TANTUSSI

„Eine bedeutende Rolle“: Baerbock appelliert an China, nicht neutral zu bleiben

Es kommt Bewegung in die deutsch-chinesischen Beziehungen: Außenminister Qin Gang besucht Berlin. Auch die Differenzen werden offen angesprochen.

Von Hans Monath

Die Bundesregierung setzt weiter darauf, dass China seinen Einfluss nutzt, um Russland zu einem Stopp seiner Angriffe auf die Ukraine zu bewegen.

„China kann als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für die Beendigung des Krieges eine bedeutende Rolle spielen, wenn es sich dazu entscheidet“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit ihrem chinesischen Kollegen Qin Gang in Berlin.

Beide betonten ihr Interesse am Ausbau der gegenseitigen Beziehungen, die Begegnungen werden häufiger. Allerdings droht wegen der von der EU geplanten Sanktionen gegen Lieferanten Russlands ein weiterer Konflikt zwischen China auf der einen, Deutschland und der EU auf der anderen Seite.

In Europa und den USA gibt es die Hoffnung, dass die Ukraine mit einer erfolgreichen Frühjahrsinitiative Russland an den Verhandlungstisch zwingen kann. Gleichzeitig geht die Befürchtung um, das politische Momentum eines militärischen Erfolgs könne ungenutzt bleiben, wenn die Offensive erlahmt oder sich der bisherige Stellungskrieg dann fortsetzt.

Herr Lindner ist natürlich bei uns willkommen.

Chinas Außenminister Qin Gang zur kurzfristigen Ausladung des Finanzministers

Dann werde es schwierig, die militärische Unterstützung der Ukraine des Westens auf dem bisherigen Niveau zu halten, heißt es unter Diplomaten. Laut einem Bericht des „Wall Street Journals“ setzen Regierungen in Washington und europäischen Hauptstädten deshalb stärker als bisher auf eine Vermittlungsrolle Chinas.

China inszeniert sich als internationaler Vermittler

China ist bemüht, sich der Welt in der neuen Rolle eines Vermittlers in internationalen Konflikten zu präsentieren. Kürzlich hatte Staatschef Xi Jinping und der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erstmals seit dem Beginn des russischen Krieges miteinander telefoniert. Den russischen Einmarsch hat Peking bislang aber nicht verurteilt.

Außenministerin Annalena Baerbock und Chinas Außenminister Qin Gang auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz.
Außenministerin Annalena Baerbock und Chinas Außenminister Qin Gang auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz.

© AFP/Michael Kappeler

Außenminister Qin Gang machte auch in Berlin deutlich, dass seine Regierung in diesem Krieg weiter nicht zwischen Angreifer und Opfer unterscheiden will. „Wir fordern alle Seiten auf, den Krieg zu beenden und Verhandlungen aufzunehmen“, meinte er. Dagegen betonte Baerbock mit einem Desmond-Tutu-Zitat: „Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen.“ Als ständiges Sicherheitsratsmitglied trage China „eine Verantwortung für den Weltfrieden“.

Am Wochenende hatte die chinesische Regierung einen geplanten Besuch von Finanzminister Christian Lindner in Peking kurzfristig abgesagt. „Herr Lindner ist natürlich bei uns willkommen", versicherte Qin nun. Es seien bereits viele Vorbereitungen für die Visite getroffen worden. Leider sei der chinesische Finanzminister anderweitig beschäftigt, weshalb das Treffen habe verschoben werden müssen. Die chinesische Regierung hoffe aber, Lindner „bald in China begrüßen zu dürfen“.

China droht der EU bei Sanktionen mit Gegenmaßnahmen

Der chinesische Außenminister drohte mit Gegenmaßnahmen für den Fall, dass die EU ein elftes Sanktionspaket verabschiedet, das auch chinesische Firmen trifft. „Wenn das der Fall wäre, würden wir auch streng reagieren“, sagte er. Dann werde sein Land „seine legitimen Interessen“ und die seiner Firmen verteidigen.

Die EU will verhindern, dass Drittstaaten die Sanktionen gegen Russland umgehen und kriegswichtige Güter liefern. „Wir liefern keine Waffen an Krisenländer oder Krisenregionen, das ist ein Gesetz in China“, versicherte Qin Gang.

Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Maßnahmenpaket gegen Russland sieht nach AFP-Informationen vor, dass erstmals auch Firmen aus China und Hongkong betroffen sein sollen. Den acht Firmen wird der Export von Dual-use-Gütern nach Russland vorgeworfen, die zivil, aber auch militärisch eingesetzt werden können.

Themen der Gespräche waren laut Baerbock auch „faire Wirtschaftsbeziehungen“, Sicherheitsfragen im Indopazifik sowie die Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten. Bei ihrem Besuch in Peking Mitte April hatte sich die deutsche Außenministerin mit Blick auf Taiwan gegen eine gewaltsame Veränderung des Status quo ausgesprochen. Ihr chinesischer Kollege warnte in Berlin erneut davor, das Prinzip der Ein-China-Politik infrage zu stellen.

Baerbock protestierte in der Pressekonferenz dagegen, dass ein chinesischer Träger des deutsch-französischen Menschenrechtspreises, Yu Wensheng, im April auf dem Weg zur EU-Botschaft in Peking verhaftet worden war. „Gemeinsam mit meinen europäischen Kollegen fordere ich dessen Freilassung“, sagte sie. Qin Gang betonte, China sei ein souveräner Staat, der gesetzestreu handle, und verbat sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Wegen der Corona-Pandemie hatten die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen drei Jahre lang nicht in physischer Präsenz stattfinden können. Das Treffen Baerbocks mit Qin diente auch der Vorbereitung des nächsten Treffens, bei dem sich Kabinettsmitglieder beider Länder erstmals wieder persönlich treffen wollen, diesmal im Juni in Berlin.

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