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Alte Rivalen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (l.) und Wolfgang Kubicki bei einer FDP-Veranstaltung im Jahr 2018.

© imago/Stefan Zeitz

Personalsorgen bei den Liberalen: Müssen es bei der FDP nun die Veteranen richten?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki bringen sich als FDP-Chefs ins Spiel, beide sind im Rentenalter. Ein echter Neuanfang sieht anders aus – aber der Partei gehen die Alternativen aus.

Stand:

Die Zeit von Christian Lindner als FDP-Chef, sie endet im Grunde, wie sie angefangen hat. Mit einer krachenden Niederlage, einer Partei am Abgrund – und der Einsicht, dass nun alles anders werden muss.

Es ist kurz nach 14 Uhr am Montag, als Lindner das Podium im Atrium des Genscher-Hauses betritt. Die Stehtische vom Wahlabend wurden eilig weggeräumt, hinter der kleinen Bar stehen noch leere Weinflaschen.

„Die Neuwahl war für unser Land wichtig, selbst wenn wir als Freie Demokraten einen hohen Preis gezahlt haben“, versucht sich Lindner noch einmal an der Verteidigungslinie vom Vorabend. Die FDP, so die Erzählung, habe sich sozusagen für Deutschland ins Schwert gestürzt, einen selbstlosen Akt vollbracht.

Ergebnisse der Parteien

Amtliches Endergebnis im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2021

Union
28,5%
+4,4
AfD
20,8%
+10,4
SPD
16,4%
−9,3
Grüne
11,6%
−3,1
Linke
8,8%
+3,9
BSW
4,98%
+4,98
FDP
4,3%
−7,1
'21
2025
Sonst.
4,6%
−4,2
Daten: Bundeswahlleiterin, Stand 14.03.25, 10:25

Als Lindner wenige Minuten später zusammen mit seinem Kurzzeit-Generalsekretär Marco Buschmann seinen Rückzug verkündet hat, Letzterer mit Verweis auf die „neuen, frischen Köpfe“, die es jetzt brauche, ist allerdings klar: Es liegt viel Arbeit vor der Partei, damit der Preis nicht der Absturz in die politische Belanglosigkeit wird.

Schlimmer als 2013

Denn die Lage ist eine andere als Ende 2013, als Lindner übernahm. Zwar hatte die Partei auch damals aus der Regierungsbeteiligung heraus den Einzug in den Bundestag verpasst. Aber sie verfügte über eine starke Präsenz in den Landesparlamenten. Heute ist sie nur noch an zwei Regierungen beteiligt, jeweils in Dreierkoalitionen. Obendrein ist die öffentliche Meinung über sie, nun ja, ausbaufähig.

Am wichtigsten jedoch: Es gibt keinen Christian Lindner. Also niemanden, dem zugetraut wird, die Partei am Tiefpunkt zu übernehmen und in einem Kraftakt aus der außerparlamentarischen Opposition zurück in den Bundestag zu führen – und schließlich in die Regierung.

Das biologische Alter spielt keine große Rolle, es geht darum, wer frisch wirkt.

Frank Brettschneider, Kommunikationsforscher

Stattdessen ist die Situation fast schon skurril: Seit der Wahlschlappe haben sich ausgerechnet zwei Personen für den Parteivorsitz in Stellung gebracht, die seit Jahrzehnten zum liberalen Inventar gehören. Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki. Die „frischen Köpfe“, sie werden in den kommenden Wochen 67 und 73 Jahre alt.

Und die übrigen Kandidaten blieben in der vergangenen Legislatur erstaunlich blass. Gerade Christian Dürr, als Noch-Fraktionschef eigentlich mit besten Startbedingungen ausgestattet, konnte sich kaum profilieren.

Eine Reihe von Absagen

Muss die FDP sich in ihrer bislang tiefsten Krise also auf die alte Garde verlassen?

„Die FDP hat eigentlich ein sehr breites personelles Portfolio“, sagt der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider, der an der Universität Hohenheim unter anderem zu politischer Kommunikation forscht. Das zentrale Wort hier: eigentlich.

Denn der Partei brechen derzeit mit bemerkenswerter Geschwindigkeit die Optionen weg. Seit Sonntag haben bereits die gehandelten Kandidaten Johannes Vogel und Konstantin Kuhle ihren Verzicht erklärt, nun folgte auch Bettina Stark-Watzinger. Die Möglichkeiten, sie werden knapp.

Und auf den ersten Blick sind sowohl Strack-Zimmermann als auch Kubicki durchaus geeignet, wie Brettschneider sagt: „Das biologische Alter spielt keine große Rolle“, so der Politikwissenschaftler. „Die Frage ist, ob jemand frisch wirkt. Und das trifft zumindest auf Strack-Zimmermann zu.“

Es gibt noch einen anderen gewichtigen Grund, der für Strack-Zimmermann und Kubicki spricht: Sie haben Öffentlichkeit. Beide finden regelmäßig in Talkshows statt, sind in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt und teils auch beliebt. Ein Umstand, da sind sich viele in der Partei einig, der in der außerparlamentarischen Opposition noch wichtig werden könnte. Da sei es schließlich schon schwer genug, präsent zu bleiben.

Es ist zentral, dass die Partei intern geeint wird.

Kommunikationsforscher Frank Brettschneider

Und gerade Strack-Zimmermann könnte bei diesem Punkt doppelt punkten. Denn anders als Kubicki ist sie weit über die Grenzen der FDP-Klientel beliebt. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Öffentlichkeit für die FDP der wichtigste Punkt sein wird“, sagt Brettschneider. „Vielmehr ist es zentral, dass die Partei intern geeint wird.“

Lachender Dritter? Christian Dürr (l.), Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, verfolgt am Sonntag Christian Lindners Rede auf der FDP-Wahlparty.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Tatsächlich brechen bei den Liberalen derzeit lange unterdrückte Lagerkämpfe wieder auf. Der konservative Flügel, zu dem auch Kubicki gehört, ist weiterhin tonangebend. Zumindest noch. Denn der von dieser Fraktion mitbestimmte Wahlkampf, bei dem Lindner als Spitzenkandidat vor allem auf eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse und eine harte Migrationspolitik setzte, ist bekanntlich krachend gescheitert.

Lachender Dritter?

Der progressive Flügel, zu dem sich mit Abstrichen auch Strack-Zimmermann zählen lässt, sieht vor diesem Hintergrund seine Chance auf mehr Einfluss. Und will die Partei zu klassisch liberalen Inhalten zurückführen: Bürgerrechte, die Freiheit des Einzelnen.

Dass Kubicki am Montagmorgen seinen Rücktritt vom Rücktritt verkündet hat, ist ein Symptom dieses Machtkampfs. Aber lässt sich so „die Fahne des Liberalismus wieder aufrichten“, wie Christian Lindner es am Wahlabend ausdrückte? Frank Brettschneider hält das für fraglich: „In solchen Situationen gibt es oft einen lachenden Dritten, der dazwischensitzt und Brücken bauen kann“, sagt er. „Und da fällt mir eigentlich nur noch Christian Dürr ein.“

Der Lindner-Vertraute trat zumindest rund um die Wahlschlappe und die folgende Personalsituation erstaunlich leise auf, sagte kaum etwas öffentlich – und damit auch nichts Falsches. Und, auch das ist in der FDP dieser Tage wichtig, er schloss eine Kandidatur bisher zumindest noch nicht aus.

„Er könnte nach innen wirken und die Partei einen, während andere, etwa Strack-Zimmermann, die Kommunikation nach außen übernehmen“, sagt Brettschneider.

Allein: Die Satzung der FDP sieht eigentlich keine Doppelsitze vor. Aber in diesen Tagen ist letztlich vieles anders.

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