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Politik: Planung für den Tag X

Geheimdienste rechnen mit dem bevorstehenden Ende des Regimes von Baschar al Assad in Syrien.

Die Patriot-Raketen der Nato und die Awacs-Aufklärungsflugzeuge für die Türkei bilden anders als bisher bekannt nur einen Teil der militärischen Drohkulisse des Westens in der Nähe von Syrien. Auch seegestützte Raketen und mehrere tausend US-Soldaten werden aufgeboten. Geheimdienste schätzen, dass das Ende des Assad-Regimes naht. „Die Ereignisse vor Ort in Syrien beschleunigen sich“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag. Damit wächst die Sorge angesichts der Chemiewaffen des Landes.

Die Türkei, Deutschland und die Nato betonen immer wieder, dass es um einen möglichst guten Schutz für die Türkei als Nachbarn Syriens gehe, nicht um die Vorbereitung einer Flugverbotszone. Allerdings sagte Veysel Ayhan, Chef des Ankaraner Politikinstituts IMPR, dem Tagesspiegel: „Auch offensive Anwendungen sind möglich.“ Mit der Betonung der rein defensiven Ausrichtung der Einsätze wolle die Nato nicht zuletzt Russland beruhigen.

Wie der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu bekannt gab, bereitet die Nato einen „dreidimensionalen“ Schutz für die Türkei vor. Neben den Patriots gehören dazu laut Davutoglu Mittelstreckenraketen des Typs „Thaad“ sowie „Aegis“-Langstreckenraketen. Beide Systeme befinden sich nach Medienberichten an Bord von US-Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer. Von den Schiffen aus könnten zudem mehrere tausend US-Marineinfanteristen zu möglichen Einsatzorten in Syrien geflogen werden.

In der israelischen Presse wird über koordinierte Einsätze der USA, der Türkei und Israels zur Sicherung chemischer Waffen in Syrien spekuliert. Davutoglu sagte, die Türkei kenne den Lagerungsort der rund 700 syrischen Raketen und wisse auch, wer Zugang zu den Waffen habe. Er betonte, die Vorkehrungen der Nato zielten nicht nur auf die Assad-Regierung, sondern auch auf „unkontrollierbare Gruppen“, die in Syrien kämpfen.

Der Westen hat zwei Sorgen: dass die Assad-Regierung ihre chemischen Waffen gegen die Aufständischen oder den Nachbarn Türkei einsetzen könnte – und dass die gefährlichen Waffen im Chaos nach einem Sturz des Präsidenten Baschar al Assad in die Hände radikal-islamistischer Gruppen fallen könnten.

In Syrien mehren sich Anzeichen für eine bevorstehende Entscheidungsschlacht um die Hauptstadt Damaskus. Regierungstruppen verstärkten ihre Position in zwei Vororten. In den vergangenen Wochen hatten die Rebellen mehrere Armeestützpunkte eingenommen und sich mit stärkeren Waffen eindecken können, darunter auch Boden-Luft-Raketen, mit denen die Luftüberlegenheit der Regierung ins Wanken gerät.

Schon jetzt könne die Lage in Syrien weder von der Regierung in Damaskus noch von den Aufständischen kontrolliert werden, sagte der Ankaraner Nahostexperte Ayhan. Ein Sturz der Assad-Regierung würde kein Ende von Krieg und Chaos bedeuten, sondern eine möglicherweise noch gefährlichere Phase einläuten. Kämpfe zwischen den überwiegend sunnitischen Rebellen und Minderheiten wie Kurden, Alawiten, Christen und Drusen seien dann möglich, sagte Ayhan.

Die Vereinigten Staaten setzen auf einen Sturz des Assad-Regimes durch die Oppositionskräfte und unterstützen diese politisch. Die USA planen derzeit aber weder Waffenlieferungen noch eine militärische Intervention. Das sagte Ben Rhodes, der außenpolitische Strategieberater von Präsident Barack Obama, im Gespräch mit ausländischen Korrespondenten im Weißen Haus.

Diese Haltung könnte sich jedoch ändern, falls das Regime in Damaskus Chemiewaffen in seinem Überlebenskampf einsetze. Dies sei „eine rote Linie“, deren Überschreiten „ernste Konsequenzen“ zur Folge habe, sagte Rhodes. Die Formulierung „ernste Konsequenzen“ umschreibt im diplomatischen Sprachgebrauch gewaltsame Reaktionen. Obamas Strategieberater prognostizierte, dass Assad bald „auf die eine oder andere Art stürzen“ werde.

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